Freitag, 14. August 1914

 

Deutsche Tugend. Seit der Mobilmachung scheint die Jugend verändert. Kommt man in ein Büro, in dem sich die Freiwilligen melden, so sieht man leuchtende Gesichter, aufrechte Haltung bei der Jugend, die früher müde und blasiert, mit krummem Rücken herumlief. Eine Antwort eines sich freiwillig Meldenden verdient bekannt zu werden. Einer der jungen Leute. siebzehn konnte er knapp sein, wird wegen seiner schmalen Brust nicht genommen. „Aber breit genug für eine Kugel oder das eiserne Kreuz ist sie noch. Ich halte es schon aus.“ Der Arzt drückte dem braven Jungen die Hand; er tröstete sich auf später.

Anzeige im Bonner General-Anzeiger vom 14. August 1914Eine Feldpostkarte erhielten wir heute von einem Freunde unseres Blattes, dem Rechtsanwalt T. aus Königswinter. Er berichtet von einem Patrouillengang vor dem Feinde. Wenn die Behörde die Veröffentlichung gestattet, so werden wir den Wortlaut in der nächsten Nummer unseren Lesern mitteilen.

Schwindelnachrichten. (...) Das Wolffsche Telegraphenbüro übersendet uns folgende Mitteilung: Unser Dienst hat unter den Falschmeldungen, die von anderer Seite verbreitet werden, viel zu leiden. Zeitweise waren die Nachfragen so häufig, daß sie unseren Dienst aus den Angeln zu heben drohten und wir manchmal nicht imstande waren, unsere Fernsprechanschlüsse zur Bedienung der Zeitungen zu benutzen. Bislang wurden solche Falschmeldungen unter der Flagge der Verbreiter in die Welt gesetzt, heute aber wird uns gemeldet, daß die Nachricht, Belfort sei gefallen und 40000 Franzosen gefangen genommen, als Meldung des Wolff-Büros verbreitet wird. Wir haben zuständigenorts sofort Schritte zur Entdeckung des Urhebers getan und bitten unsere geehrten Kunden, uns das Vertrauen zu schenken, daß wir wichtige Nachrichten nach wie vor sofort mitteilen. Wolffs Telegraphisches Büro, Zweigstelle Köln.

Verhaftet wurde, wie der Etappeninspektor mitteilt, ein hiesiger Geschäftsmann, der für militärische Ausrüstungsgegenstände wucherische Preise gefordert hat. Außerdem nötigte er zur Bestellung nicht verlangter Kleidungsstücke. Ein solches Geschäftsgebahren (sic!) ist im nationalen Interesse zu beklagen.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten")

 

Falsche Gerüchte durchschwirrten gestern vormittag unsere Stadt. Aus allen Kreisen der Bürgerschaft, von Vertretern der Zivilbehörde, von Offizieren usw. wurde telephonisch und Anzeige in der DRZ vom 14. August 1914persönlich bei uns angefragt, ob es Tatsache sei, daß die Festung Belfort gefallen sei. Es stellte sich heraus, daß ein hiesiger Ladenbesitzer die Meldung von dem Fall Belforts auf einen Zettel geschrieben und an sein Schaufenster geklebt hatte. Der Kaufmann, der an seinem Schaufenster angeschlagen hatte: „Belfort gefallen. 65 000 Gefangene“, mußte vor dem Etappenkommando erscheinen. Der Zitierte erhielt eine nachdrückliche Verwarnung und wurde auf die strengen kriegsrechtlichen Folgen seines Verhaltens im Wiederholungsfalle aufmerksam gemacht. Da schon häufiger unwahre Meldungen auf Hörensagen hin von Ladenbesitzern, Wirten usw. zum Aushang gebracht wurden, so sei nachdrücklich vor derartigen unkontrollierbaren Nachrichtenkolporteuren gewarnt. Der Große Generalstab in Berlin, der mit der deutschen Presse Hand in Hand arbeitet und nur zensierte Depeschen veröffentlichen läßt, sieht seine Absichten durchkreuzt, wenn ganz unberufene Kreise Kriegsnachrichten in die Oeffentlichkeit bringen.

Französische Kriegsgefangene, die durch Bonn gebracht wurden, sind in der ersten Aufregung auch in Bonn mit Liebesgaben reichlich versehen worden. Die Leitung des Hülfsausschusses sah sich veranlaßt, den Damen, die einem französischen Kriegsgefangenen irgend etwas außer Brot und Kaffee verabreichten, damit zu drohen, daß sie unweigerlich vom Bahnhof verwiesen würden. Hoffentlich nützt diese Drohung und es werden nicht wieder die Kriegsgefangenen noch besser verpflegt, als unsere ins Feld ziehenden Krieger.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

 

Karten und Reisehandbücher gesucht. Es ist dringend erwünscht, in Privatbesitz befindliche Karten, insbesondere auch Radkarten, der Rheinprovinz sowie der anstoßenden westlichen Grenzgebiete der Militärverwaltung zur Verfügung zu stellen; auch würde es dankend Anzeige in der Deutschen Reichszeitung vom 14. August 1914entgegengenommen werden, wenn Reisehandbücher, in denen diese Gegenden behandelt sind, zu gleichem Zwecke abgegeben würden. Auf dem Rathaus, Zimmer 8, werden Karten und Bücher entgegengenommen.

Die Kevelaer-Prozessionen fallen aus. Wegen der Kriegswirren können in diesem Jahre die üblichen Prozessionen nach Kevelaer nicht abgehalten werden. Es fallen sowohl die Fuß- wie die Bahnprozessionen aus; ebenso auch die Prozessionen innerhalb der Stadt, welche am ersten und letzten Tage der Kevelaer-Oktave gehalten zu werden pflegen. Die Gläubigen mögen aber um so mehr den Betstunden während der Oktave beiwohnen.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)

 

Zeichen eines Krieges, die man sonst im Leben nicht kennt, und wovon man nichts spürt, sofort nach Kriegsausbruch.

    • Alle Lebensmittel sind aufgekauft, mit dem besten Willen war kein Pfd Salz zu haben.

    • Kartoffelpreise gingen ums Doppelte in die Höhe.

    • Papiergeld ist mit Profit nicht auszugeben. Wer kein Silber, Gold oder Nikelgeld (sic) hat, ist arm dran. Trotz seinem Geld kann er hungern.

    • Der Fahrplan ist Null und Nichte (sic). Es fahren keine Züge für Civil. Der Güterverkehr stockt.

    • Es werden 1 und 2 Markscheine ausgegeben.

    • Ohne Paß kann niemand auf die andere Rheinseite.

      (Tagebuch Anna Kohns, Eintrag im August 1914)