Donnerstag, 13. August 1914
Am 12. August hatte Großbritannien Österreich-Ungarn, zugleich Montenegro dem Deutschen Reich den Krieg erklärt. Die österreichisch-ungarische Offensive gegen Serbien war an der Drina ins Stocken geraten.
Zur Behandlung der Transporte von Kriegsgefangenen wird die Düsseldorfer Zeitung ersucht, darauf hinzuweisen, daß für die Lebensnotdurft der Gefangenen selbstverständlich der Staat sorgt. Im einzelnen Fall werden die Damen, die den Liebesdienst auf den Bahnhöfen versehen, gebeten, sich bei dem den Gefangenentransport führenden Offizier zu erkundigen, ob ein Bedürfnis nach Wasser usw. vorhanden ist. Vor jedem Zuviel, das unserer vaterländischen Zurückstellung schlecht anstehen würde, wird auch von amtlicher Stelle dringend gewarnt,
Was gehört zu einem guten Quartier? Gute Ratschläge gibt die Evangelische Pressekorrespondenz:
- Eine gute Kost. Hausmannskost, aber sorgfältig gekocht und nicht zu scharf gewürzt oder gesalzen, auch nicht zu fett, denn das alles macht nur durstig. (...)
- Ein gutes Bett, sauber und nicht zu warm in gut gelüfteter Stube.
- Wasser genug zum Waschen. Der Soldat sollte die größte Waschschüssel im Haus bekommen; er wird sich gerne vor dem Essen tüchtig waschen. Und vor dem Bettgehen ein warmes Fußwasser: wo man’s hat, auch ein Bad.
- Platz zum Arbeiten und zum Ausruhen. (...)
- Etwas zum Mitnehmen. In den Brotbeutel kommt ein gutes Stück Brot mit Käse oder kaltem Fleisch; in die Feldflasche am besten leichter schwarzer Tee oder Kaffee mit Zucker, kein Alkohol. Dagegen wird der Gast eine gute Zigarre nicht verschmähen. (...)
Laß den Landwehrmann, der auch für dich Weib und Kind dahinten lässt und ins Feuer geht, etwas spüren vom Dank des Vaterlandes, laß ihn bei deinen Kindern am Tisch sitzen und bei deinem Abendsegen zugegen sein. (...)
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten")
Das Freibad der städtischen Rheinbadeanstalten wird seit einigen Tagen nachmittags nur noch von Militärpersonen benutzt. Von der Wohltat eines erfrischenden Bades wird von den Mannschaften in ausgiebigstem Maße Gebrauch gemacht.
Städtische Sparkasse. Man schreibt uns: „Das wieder zunehmende Vertrauen in die Sicherheit der Sparkassen zeigt sich recht deutlich in der Tatsache, daß in der vorigen Woche täglich mehr Einlagen als Abhebungen bei der Städtischen Sparkasse festgestellt werden konnten. (…) Die Städtische Sparkasse ist vollkommen gerüstet, großen Anforderungen gerecht zu werden; im allgemeinen Interesse und besonders in dem der kleinen Sparer wird sie bei allem Entgegenkommen eine weise Zurückhaltung aber nicht entbehren können. Die Einlieferung von verschlossenen Kisten und Koffern, deren ungefährlicher Inhalt aber nachgewiesen werden muß, nimmt zu. Die dafür vorhandenen musterhaften Einrichtungen geben die vollste Sicherheit.“
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Der Sturm auf das Lyzeum. Wer den Tatendrang unserer Schuljugend bewundern will, - und darum handelt es sich im vorliegenden Falle – besehe sich in der Loestraße das im Bau begriffene Lyzeum einmal. Die Fensterscheiben waren noch nicht einmal alle eingesetzt, da haben die Jungens schon einen Stumangriff auf das Gebäude, speziell durch Einwerfen einiger zwanzig Scheiben, unternommen. Es war am Tage der Erstürmung von Lüttich. Sie haben aber noch viele Scheiben vorläufig ganz gelassen für die nächste Siegesfeier, in der Zuversicht, daß sie das strafmündige Alter ja noch nicht erreicht haben.
Plötzliche Entlassungen. Nicht allein die Geschäftsleute entlassen ohne Kündigung ihr Personal, sondern auch Kaufleute, ja sogar Anwälte. Ich mußte sehen, daß ein Bureauvorsteher, der langjährig bei seinem Chef beschäftigt war, mit einer ganz unzulässigen Kündigung vom 1. bis zum 15. entlassen wurde. Der Mann ist etwa 40 Jahre alt und steht stellenlos da. Die Militärbehörde stellt ihn nicht ein, weil Alter und Gesundheit in Frage kommen. Was soll nun dieser plötzlich vor die Tür gesetzte Mann anfangen?
Bedauerlich ist es umso mehr, als der Arbeitgeber über sehr große Mittel verfügt. Sind denn die Angestellten beim Chef nicht mehr wert, als daß man ihnen in einer solch ernsten Zeit einfach ohne Kündigung den Stuhl vor die Tür setzt. Wo bleibt denn das gegenseitige Vertrauen in Friedenszeiten? Gewiß ist sich in solch ernsten Zeiten jeder selbst der Nächste; aber seiner Pflicht muß doch wohl jeder nachkommen. Es ist dies gewiß ein Uebelstand, der sich hoffentlich nicht verallgemeinert. Ein Gerechter.
Ein Wort für die mittellos gewordenen Zimmervermieterinnen. Ich bin selbst Zimmervermieterin und muß davon leben. Aber ich meine, jetzt gerade sei Gelegenheit, etwas zu verdienen, da große Einquartierungen bevorstehen. Die Zimmervermieterinnen mögen sich jetzt melden, dann werden ihre Zimmer nicht leerstehen. Auch gibt es genug Herrschaften, die Soldaten ausquartieren und gern 2 Mk. bezahlen. Bei meinen fünf kleinen Kindern habe ich acht Mann Einquartierung von Herrschaften genommen. Das sind 16 Mk. für den Tag, und ich hoffe, daß mir da auch noch etwas für meine Arbeit übrig bleibt. Daher empfehle ich denjenigen, die „in so großes Elend geraten“ sind, das gleiche Rezept. Eine Zimmervermieterin.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Die Notwendigkeit ausgenützt. Der Etappen-Inspektor, Herr von Rieber schreibt uns, daß ein Bonner Kleidergeschäft aus der Knappheit an Ausrüstungsgegenständen und der Notwendigkeit ihrer eiligen Beschaffung Vorteile schlug, indem es für Militär-Kleidungsstücke Wucherpreise forderte. Ein solch gewissenloses Verhalten zu bezeichnen, fehlen einem fast die Worte. Der Geschäftsinhaber wurde verhaftet und dem Gericht übergeben.
Gesperrt für den Obst- und Gemüsehandel ist von heute ab der Raum auf dem Markt zwischen dem Rathaus, der Fontaine und dem Hotel zum goldenen Stern, damit in dem Verkehr der Kraftwagen des Generalstabs, der bekanntlich in dem genannten Hotel wohnt, keine Störung eintritt. Dafür ist der Mülheimerplatz für den Markthandel freigegeben worden.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Ich sitze auf unserem Küchenwagen. Hinter mir im Kessel kochen grüne Erbsen, Möhrchen, Sellerie etc. in einer fabelhaften Bouillon. Morgens und nachmittags wird eine Stunde lang auf der Wiese hinter dem Hause Hurrah schreien geübt, worauf Kühe und Pferde weglaufen. Ich habe noch nie ein derartig feines Leben geführt. Morgens Baden im Bach. Auf der Wiese herumliegen. Wir wünschen alle, es ginge weiter. Wir sind linker Flügel des achten Armeecorps (gehören zur 4. Armee des Herzogs von Württemberg). Schreibe doch bald mal. Wir bekommen jetzt jeden Tag Post.
(August Macke an seine Ehefrau, Feldpostbrief aus Niedermerzig/Luxemburg)