Samstag, 8. August 1914

Auch die Soldaten der 5. Kompanie des 9. Rheinischen Infanterieregiments Nr. 160 – unter ihnen der Bonner Maler August Mobilmachung der 5. Kompanie des 9. Rheinischen Infanterieregiments Nr. 160 vor der Kaserne in der ErmekeilstraßeMacke – werden von ihrer Kaserne in der Ermekeilstraße an die Westfront verlegt. In ihren „Erinnerungen“ schildert Elisabeth Erdmann-Macke rückblickend, wie ihr Ehemann von ihr und dem vierjährigen Söhnchen Abschied nehmen musste: „Am 8. August war es dann soweit. Das Infanterieregiment 160 rückte aus. Da niemand mitgehen durfte zum Güterbahnhof, wo die Truppe verladen wurde, hatten wir uns verabredet, wir würden uns in der Weststraße an der Friedhofsanlage aufstellen. Da standen wir denn auch, Mutter und ich und der kleine Walter, der einen kleinen Säbel umgeschnallt und einen Helm aufgesetzt hatte. Der mit Grün geschmückte und mit vielen Aufschriften bemalte Zug rollte langsam heran. Die Soldaten sangen und riefen den Menschen zu. August schaute weit vorgebeugt aus dem Fenster und winkte uns so lange zu, bis der Zug nicht mehr zu sehen war.“

 

Ein Kriegsgericht unter dem Vorsitz von Landgerichtsrat Douqué ist hier eingerichtet worden.

Eine Auskunftsstelle über Verwundete, Gefallene und Vermisste. Das Kriegsministerium in Berlin hat eine Bekanntmachung über die Einrichtung eines Zentralnachweisbüros für das Heer erlassen, welches während des Krieges über alle Verwundeten, Gefallenen und Vermissten, sowie die in allen Lazaretten behandelten Personen des eigenen Heeres Auskunft erteilt.

Hausfrauen kocht Gemüse und Obst ein! (…) Insbesondere muß die Obsternte Verwendung finden. Das ist nur möglich, wenn alle Hausfrauen mithelfen und rechtzeitig beginnen, in großen Mengen Gemüse, Obst, Gelee und Obstkraut (als Ersatz für Butter und Margarine) einzukochen, nicht nur für den eigenen Bedarf, sondern auch, wo die Mittel es erlauben, zu anderer Verwendung.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten")

 

In der gestrigen Stadtverordneten-Versammlung, die sich mit den von der Stadt getroffenen Maßnahmen angesichts der Kriegslage befasste, machte Oberbürgermeister Spiritus erfreuliche und beruhigende Mitteilungen. Er betonte, daß die von der Stadt getroffene Vorsorge derart sei, daß ein Grund zur Besorgnis für unsere Mitbürger nicht vorliege. Es sei so disponiert worden, daß man schon jetzt sagen könne: „Unsere Arbeit ist fertig.“ Aus allen Kreisen der Bürgerschaft seien Liebesgaben, bare Geldmittel, Wohnungen, Häuser, Betten u. dgl. Zur Verfügung gestellt worden. Die Anzeige im Bonner General-Anzeiger vom 8. August 1914Lazaretteinrichtungen seien ausgezeichnet, die Verpflegung der Stadt mit Lebensmitteln für geraume Zeit sichergestellt. Es seien Abschlüsse für Mehl, Kartoffeln usw. gemacht, hinreichende Fleischvorräte vorhanden und die Gas-, Elektrizitäts- und Wasserwerke reichlich mit Kohlen versehen, so daß die Betriebe aufrecht erhalten werden können. Der Oberbürgermeister warnte nochmals vor Preistreibereien und betonte, daß gegen alle Auswüchse in dieser Richtung energisch vorgegangen werde. Für die Angehörigen der zur Fahne einberufenen Mannschaften sei ebenfalls in bester Weise gesorgt. Die Finanzen der Stadt ständen gut, und es sei nicht notwendig, daß außer den bereits erfolgten Bewilligungen eine besondere Summe fixiert werde.

Im Namen beider Parteien sagte Stadtverordneter Dr. Kranz dem Oberbürgermeister Dank für die getroffenen Maßnahmen und erklärte das beiderseitige Einverständnis mit den gemachten Vorschlägen. Da eine Wortmeldung nicht erfolgte, ist die Vorlage einstimmig angenommen.

 

Verweigerte Bürgerquartiere. Es ist in den letzten Tagen mehrfach vorgekommen, daß Reservisten, die in Bürgerquartieren untergebracht werden sollten, in den für sie bestimmten Quartieren abgewiesen wurden, obwohl die in Betracht kommenden Häuser nicht belegt waren. Warum das geschah, ist dem Schreiber dieser Zeilen nicht bekannt. Denjenigen aber, welche die Aufnahme von Soldaten ohne schwerwiegende Gründe verweigert haben, wird es schmerzlich und beschämend sein, zu hören, daß einzelne Reservisten bis 12 Uhr nachts von Haus zu Haus ziehen mussten, ehe sie ein Unterkommen fanden.

 

Wir Deutsche fürchten unsern Gott ...!

(Vor der Abreise zum Kriegsheer.)

Auf, Brüder, lasst die Spaten ruhn,
Und nehmt das Schwert zur Hand!
Zum Kampf für Freiheit und für Recht
Ruft uns das Vaterland!
Ob prahlend auch der Russe droht,
Ob laut der Franzmann bellt:
Wir Deutsche fürchten unsern Gott,

Sonst Niemand auf der Welt!
Aus Oesterreich kam die Kunde her:
Der Freund ist in Gefahr!
Da schwang sich aus der Kaisergruft
Voll Zorn der deutsche Aar!
Aus langem Friedensschlaf erwacht
Bismarck, der deutsche Held:
Wir Deutsche fürchten unsern Gott,
Sonst Niemand auf der Welt!

Wer nur auf eitle Uebermacht
Und blindes Hassen pocht,
Der lerne, daß in größter Not
Deutschland am besten focht!
Und wär die ganze Erde auch
Von Feinden rings umstellt:
Wir Deutsche fürchten unsern Gott,
Sonst Niemand auf der Welt!

Auf, Brüder, stellt die Spaten fort,
Nehmt Säbel und Gewehr!
Der deutsche Michel hält sein Wort,
Sind Feinde auch ringsher!
Und ruft uns alle einst der Tod
Zum letzten Kampf ins Feld:
Wir Deutsche fürchten unsern Gott,
Sonst Niemand auf der Welt!

Reinhold Eichacker (Bonn)

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

 

Die Bonner Soziale Wohlfahrtsvereinigung hat in ihrer Vorstandssitzung am Mittwoch abend im Hinblick auf die herrschende Notlage eine Reihe von Beschlüssen gefasst und Einrichtungen in Aussicht genommen, welche zur Linderung Anzeige in der Deutschen Reichszeitung vom 8. August 1914des bestehenden Notstandes dienen sollen:

Diejenigen Familien sollen ermittelt werden, welche eventl. bereit sind, täglich eine oder mehrere Portionen Mittagessen an notleidende Personen zu verabfolgen.

Ferner soll eine Volksküche ins Leben gerufen werden, in der jedermann gegen mäßiges Entgelt ein kräftiges Mittagessen erhalten kann. Den besser situierten Bürgern soll hierbei Gelegenheit gegeben werden, für minderbemittelte Personen Marken zu kaufen, die zur Entnahme von Mittagsportionen berechtigen. Die Schulvorsteherin Fräulein Drammer hat ihre Schule für diesen Zweck in bereitwilligster Weise zur Verfügung gestellt. Mit der Volksküche soll tunlichst eine Auskunftsstelle verbunden werden, in der die Notleidenden Zuspruch und Auskunft über alle Fragen erhalten sollen, welche auf die Milderung ihrer Lage Bezug haben. Hervorgehoben wurde, daß die Milchhäuschen neben der Milch Brot abgeben, sodaß auch hier jedermann für billiges Geld sich sättigen kann.

Aus der Vereinskasse wurden zunächst M. 500 für die gedachten Zwecke zur Verfügung gestellt.

Ferner wurde angeregt, Arbeitsgelegenheit für stellenlose Mädchen und Frauen durch Nähen von Wäsche zu schaffen, für die noch ein großer ungedeckter Bedarf vorliegt. Auch sollen Räumlichkeiten hierfür soweit als möglich beschafft werden.

Zum Zwecke der Aussprache und Aufmunterung der zurückgebliebenen Familienangehörigen von Kriegern sollen Zusammenkünfte veranstaltet werden, in denen unter Umständen auch Unterhaltung geboten werden soll.

Es wurde darauf hingewiesen, daß nicht nur die zurückgebliebenen Angehörigen sich vielfach in einer Notlage befinden, sondern auch zahlreiche Männer und Frauen, welche durch die notwendig gewordene Einstellung der Betriebe arbeitslos geworden sind.

Es wurde ferner auf die Notwendigkeit hingewiesen, tunlichst einen zentralen Arbeitsnachweis zu schaffen, da den vielen stellenlos gewordenen Personen auch solche Betriebe gegenüberstehen, die durch starke Entziehung von Personal eines Ersatzes dieser Arbeitskräfte bedürfen.

Die geplanten Maßnahmen sollen nach Möglichkeit in Gemeinschaft mit dem Vaterländischen Frauenverein und anderen Bonner Wohlfahrtsvereinen zur Durchführung gelangen.

Die Notwendigkeit einer Zentralisation aller Wohlfahrtsbestrebungen in der gegenwärtigen Zeit wurde namentlich auch damit begründet, daß eine möglichst gleichmäßige Berücksichtigung der betreffenden Personen stattfinden soll und nicht Einzelne zur Schädigung Anderer bevorzugt werden.

 

Recht lieblos werden die einquartierten Soldaten noch immer an manchen Stellen behandelt. Ein Leser der Deutschen Reichszeitung teilt uns mit, daß vierzig Mann des 65. Infanterie-Regiments, die in einigen Häusern an der Endenicherstraße und in Nachbarstraßen Unterkunft gefunden hatten, gestern morgen um 4 Uhr ohne Morgentrunk und Frühstück zum Dienst antraten. Das ist eine kaum glaubliche Rücksichtslosigkeit der Quartierwirte. Unsere Soldaten, die die keineswegs leichten Strapazen des Krieges mitzumachen haben, müssen reichliches und kräftiges Essen haben, und dazu gehört auch ein gutes Frühstück mit warmem Kaffee oder Suppe und Butter und Brot. Anspruchsvoll sind unsere Krieger nicht, aber das Notwendige müssen sie verlangen, sie haben ein Recht dazu. Wir verweisen noch einmal auf die Bekanntmachung über Einquartierungen in der Montagsnummer der Deutschen Reichszeitung, in der die Bedingungen und Entschädigungssätze für die Verpflegung der Soldaten angegeben sind. In diesem Falle solle man sich eigentlich nicht auf Bestimmungen und Strafandrohungen zu berufen brauchen. Jeder Deutsche muß es sich zur Ehre anrechnen, deutsche Krieger unter seinem Dach zu beherbergen und zu verpflegen. Das ist doch wahrhaftig der kleinste Beweis der Dankbarkeit für die großen Opfer, die unsere Soldaten im Kriege für einen jeden von uns gern und freudig bringen.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)

 

Liebe Lisbeth!
Wir sind kurz vor Coblenz. Eben auf einem Bahnhof gut verpflegt. Die Prinzessin von Hohenzollern schmierte Butterbrote. Als der Zug abfuhr, rief ihr ein Kerl zu: „He, Fräulein, sid esu god un brengt mir die Karten in der Kaste.“ Sie lief in allgemeinem Hallo dem Zug nach und tat es. Es ist famos. Gruß August.

(Feldpostkarte von August Macke an seine Frau)