Montag, 3. August 1914
Bereits am 2. August waren deutschen Truppen in das Großherzogtum Luxemburg einmarschiert. Belgien war von der Reichsregierung ultimativ aufgefordert worden, der deutschen Armee den Durchmarsch zu gestatten, ansonsten würde das Königreich als Feind betrachtet.
Mobilmachung. Wie die Befreiung von einem Alpdruck, wie die Lösung einer bis zur Unerträglichkeit gesteigerten Spannung war’s als am Samstag um 6½ Uhr die Mobilmachung bekannt wurde. Dieser Krieg, den niemand von uns herbeigewünscht hat, der uns aber gefaßt und vorbereitet findet, stand seit einigen Tagen wie eine eherne unabwendbare Notwendigkeit vor uns. In solchen Zeiten ist Gewißheit das Beste. Und Gewißheit wurde uns mit dem Befehl der Mobilmachung. Wie in allen Städten unseres deutschen Vaterlandes, wurde auch in Bonn die Nachricht der Mobilmachung mit Kundgebungen der Freude und der Vaterlandsliebe aufgenommen. Diese Mobilmachung ist ein Befehl, der an uns alle ergeht. Jeder steht nun mit allem, was er sein eigen nennt, im Dienste des Vaterlandes. Deutschland ist in Gefahr, Deutschland ist angegriffen. Unser Land, unsere Heimat, unsere Scholle, unsere Kultur, wir, jeder von uns ist bedroht. Das ist die Losung, die nun für uns alle gilt: jeder muß seine Pflicht tun. Im Kleinen wie im Großen. Ein schwerer Kampf erfordert schwere Opfer. Sie müssen gebracht werden und sie sollen freudig gegeben werden. Wenn nun unsere Soldaten, unsere Reservisten und Landwehrmänner fortziehen, als Verteidiger Deutschlands, als Kämpfer für die Heimat, so gilt’s einen Abschied zu nehmen, der keinem leicht fallen mag. Nicht den Fortziehenden und nicht denen, die zurückbleiben. Und manches stilles bescheidenes Glück, das in ehrlicher, harter Arbeit aufgebaut wurde, scheint nun ins Wanken geraten. Es ist bitterschwer für viele, aber es ist notwendig. Und über allem steht der Gedanke: es gilt das Vaterland zu befreien von einer drohenden Gefahr. Mit Stolz und Freude sieht man, wie dieser Gedanke alle beherrscht, wie sie alle geeinigt sind von dieser gemeinsamen großen Idee.
Alle, die alten Jahrgänge und die jungen, die Landwehrmänner, die Reservisten und unsere jungen Kämpfer, die aus allen Ständen mit einer echten Begeisterung zu den Waffen eilen, sie umschlingt wie ein Band der Gedanke: wir kämpfen für unser großes, schönes deutsches Heimatland.
Bürger gebt Obacht! Aus Berlin wird folgende amtliche Mitteilung gemacht: Nach zuverlässigen Nachrichten bereisen russische Offiziere und Agenten in großer Zahl unser Land. Die Sicherheit des Reiches fordert, daß aus patriotischem Pflichtgefühl heraus neben den amtlichen Organen das gesamte Volk unbedingt dazu mitwirkt, solche gefährliche Personen unschädlich zu machen. Durch rege Aufmerksamkeit in dieser Hinsicht kann jeder an seiner Stelle zum glücklichen Ausgang des Krieges beitragen.
Bestimmte Nachrichten deuten darauf hin, daß Zerstörungsversuche gegen Eisenbahnen und deren Kunstbauten von feindlicher Seite auch im Innern des Landes versucht werden. Bei der großen Bedeutung der Eisenbahnen für die Durchführung der Mobilmachung und Versammlung des Heeres ist es Pflicht jedes Deutschen, die Heeresverwaltung beim Schutz der Eisenbahnen zu unterstützen. Dies kann geschehen durch Ueberwachung des mitreisenden Publikums, Mitteilung jeder verdächtigen Handlung an die nächste Eisenbahn- oder Militärbehörde und evtl. Festnahme verdächtiger Individuen.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten")
Mobil. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich am Samstag abend bei Ausgabe unserer Sondernummer dieses Wort durch die ganze Stadt und löste eine Bewegung in der Bevölkerung aus, wie wir sie in ihrer Einhelligkeit vor 44 Jahren, als der Krieg gegen Frankreich losbrach, nicht erhebender erleben konnten. Es ist in den langen Jahren eines gesegneten Friedens viel von der Verflachung unserer Jugend gesprochen und geschrieben worden, viel gesprochen worden von dem schwindenden Idealismus der jungen Generation. Was wir aber mit eigenen Augen am Samstag abend nach der Verkündung der Mobilmachung und im Laufe des Sonntags an Einzelszenen beobachteten, wischte alles das aus, was die ätzende Kritik unserer Witzblätter und der Griffel der zeichnerischen Karikaturisten dem jungen deutschen Volke all die Zeit über angehangen hatte. Weggewischt war die Vorstellung, daß unsere Jugend in Sport und Tand verflache und krasser Materialismus in allen Schichten des Volkes die Oberherrschaft erlangt habe. Nicht nur in den Kreisen unserer studentischen Jugend, auch in den Reihen unserer Beamtenschaft und nicht zuletzt unserer Arbeiter, zeigte sich trotz der schweren wirtschaftlichen Wunden, die der Krieg in manchen Familien schon in seinem Anbeginn hervorruft, eine so warme, ehrliche Begeisterung für die Sache unseres Vaterlandes, daß es einem oft heiß in den Augen wurde, wenn man die jungen Leute Abschied nehmen sah von ihren Angehörigen und ihren Freunden und Bekannten. Ja, aus dem Munde mancher Familie hörten wir das Bedauern darüber, daß nicht alle ihre Söhne für kriegstauglich befunden worden sind und wo sich eine Uniform, sei es die eines Offiziers oder einfachen Soldaten, von unseren Husaren und 160ern in den Straßen zeigte oder im Automobil in schleuniger Fahrt zum Bahnhof eilte, wurden sie mit Hurrarufen und Tücherschwenken begrüßt, und stürmische Rufe „Auf Wiedersehen!“ schollen ihnen aus aller Munde entgegen. Hunderte junger Leute haben sich hier bereits freiwillig zum Kriegsdienst gestellt, und fortgesetzt wächst noch die Zahl derer, die freiwillig bereit sind, ihr Leben für des Vaterlandes Ehre in die Schanze zu schlagen.
Die Bonner Studentenschaft, darunter die studentischen Korps, insbesondere das Preußen-Korps, gibt ein rührendes Beispiel ihres Opfermutes. Das gesamte Preußen-Korps, sowie die überwiegende Zahl der Mitglieder aller Korps, außerdem viele Angehörige der übrigen Bonner studentischen Körperschaften, haben sich freiwillig zum Kriegsdienst gemeldet.
Auch aus der übrigen Bürgerschaft sind im Laufe des Sonntags die Meldungen zum freiwilligen Kriegsdienst überaus zahlreich erfolgt. Ja, die Zahl der sich Meldenden wuchs schließlich derart an, daß sich das Bezirkskommando veranlasst sah, für den gestrigen Tag weitere Freiwilligen-Anmeldungen abzulehnen.
Aber auch in den Kreisen, die nicht selbst ins Feld rücken können, macht sich opferwilliger Sinn in beglückender Weise bemerkbar. Einzelne gewerbliche Unternehmungen haben bereits erklärt, daß sie für die zurückbleibenden Familienangehörigen ihrer in den Kampf ziehenden Angestellten Sorge tragen wollen, und wir zweifeln nicht daran, daß diesem Beispiele noch viele andere folgen werden. Und nicht zuletzt hoffen wir, daß das Losungswort „Mobil“ alle Begüterten unserer Bürgerschaft dazu anregen wird, an der schönen Aufgabe mitzuwirken, den bedürftigen Angehörigen der Kriegsteilnehmer werktätig beizustehen. Viele Arbeiterfamilien sind durch die Mobilmachung ihres Ernährers beraubt, viele größere und auch kleinere Betriebe schließen ganz oder zum Teil ihre Unternehmungen, und es wäre hart, wenn hierdurch bittere Not über zahlreiche Familien hereinbrechen würde.
Auch unsere Stadtverordneten-Versammlung, die schon so häufig im rechten Augenblick Beweise ihrer Hochherzigkeit gegeben hat, wird wohl nicht säumen, eine größere Summe zur Verfügung zu stellen, um diejenigen Familien, die jetzt gänzlich ohne Einkommen sind, vor dem Aeußersten zu bewahren.
Um den Preistreibereien [entgegen] zu steuern, haben bereits einige Städte den Verkauf von Mehl usw. in die Hand genommen, und die Stadt Köln hat in ihrer bekannten initiativen Weise den eingetretenen Nahrungsmittelwucher mit der Androhung einer gesetzlichen Nahrungsmitteltaxe beantwortet.
Hoffen wir, daß es in Bonn hierzu nicht kommen muß, sondern daß alle Schichten der Bevölkerung einträchtig dafür sorgen, daß die Lasten des uns aufgezwungenen Krieges nicht unerträglich werden.
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Wir erhalten folgende Zuschrift:
Bonn, den 2. August 1914
An die geehrte Redaktion!
Bitte doch, bei Ihrem jederzeitigen Bestreben für das Allgemeinwohl, die Stadtverwaltung veranlassen zu wollen, nicht länger mit der Festlegung der Nahrungsmittelpreise zu zögern.
Ein Teil der Einwohner bereichert sich in ungehöriger Weise in einer solch ernsten Zeit, was zu unliebsamen Auseinandersetzungen führt. Man warte nicht, bis die Unzufriedenheit bei den weniger Bemittelten ihre Höhe erreicht. Heute morgen wurden einer Arbeitsfrau 20 Pfg. für das halbe Kilo Kartoffel, 28 Pfg. für Mehl, 35 Pfg. für Salz in Poppelsdorf abverlangt, worauf die Frau mit den ihrigen auf Kartoffel für heute verzichtete. Mir selbst wurde bei meinem Bäcker für ein 25 Pfg.-Weißbrot 30 Pfg. gestern abverlangt. (Folgt Name, den die Redaktion vorerst verschweigt.) Mit vielem Dank für Ihr freundliches Bemühen bin ich eine langjährige Abonnentin Ihres geschätzten Blattes. Frau Th. R.
Das Oberbürgermeisteramt schreibt uns: Städtischerseits ist gestern eine Kommission zusammengetreten, die sich mit der Beschaffung von Lebensmitteln in ausreichender Menge befasst hat. Durch diese Maßnahme wird auch auf die in den letzten Tagen stattgefundene, völlig unberechtigte Preissteigerung einzelner Lebensmittel, ins[besondere] Kartoffeln und Hülsenfrüchte, regulierend eingewirkt werden.
Der Verkauf von Alkohol ist den Wirtschaften, die auf dem Wege vom Bahnhof zum Bezirkskommando liegen, auf fünf Mobilmachungstage bis zum 6. August untersagt. Einige Wirtschaften haben demgemäß geschlossen.
Allgemeiner Bettag . Durch allerhöchsten Erlaß ist in Preußen ein außerordentlicher allgemeiner Bettag angeordnet worden, der am 5. August stattfinden soll. In dem an den Kultusminister gerichteten Erlaß heißt es:
„Ich fordere mein Volk auf, sich mit mir in gemeinsamer Andacht zu vereinigen an gottesdienstlicher Stätte. Im Lande versammle sich an diesem Tage mein Volk in ernster Feier zur Anrufung Gottes, daß er mit uns sei und unsere Waffen segne. Nach dem Gottesdienst möge dann, wie es die dringende Not der Zeit erfordert, jeder zur Arbeit zurückkehren.“
Aufhebung der Sonntagsruhe. Die Bestimmungen über die Sonntagsruhe sind außer Kraft gesetzt worden.
Die Bittgottesdienste in den hiesigen Kirchen, die von Gläubigen gestern überfüllt waren, gestalteten sich zu einem einzigen ergreifenden Gebet für den Sieg der gerechten Sache unseres geliebten Vaterlandes.
In allen katholischen Kirchen Bonns ist den durchziehenden und einberufenen Truppen Gelegenheit zur Beichte gegeben.
Evangelische Gemeinde . Die evangelische Kirche am Kaiserplatz ist in dieser Woche den ganzen Tag geöffnet, da mancher das Bedürfnis haben wird, sich in der Stille des Gotteshauses zu sammeln. Am heutigen Montag abend 8 ½ Uhr ist Vorbereitung und Feier des hl. Abendmahles in der Schlosskirche und morgen Dienstag, zu derselben Stunde in der Kirche am Kaiserplatz. Am Freitag abend beginnen in der Schloßkirche die Abendandachten, die während der Kriegszeit auf die Höhe und in die Tiefe führen sollen.
Prinz und Prinzessin Adolf zu Schaumburg-Lippe sind bereits gestern Nachmittag aus Norderney zurückgekehrt. Bei der Ankunft wurden die hohen Herrschaften auf der Bahnhofstraße von der vielhundertköpfigen Menge stürmisch begrüßt.
Unsere Abonnenten und Freunde bitten wir, unsere Telephonleitungen möglichst wenig zu Auskunftszwecken usw. zu benutzen, da wir dadurch in unserem Verkehr mit auswärts erheblich gestört werden. Die neuesten Meldungen über die wichtigsten Ereignisse werden sofort nach Bekanntmachen entweder durch Extrablätter oder durch Anschlag an unseren Schaufenstern bekannt gemacht.
Der Freiwillige Hilfsausschuß für durchfahrende Truppen richet die Bitte an die Bürgerschaft, seine Sache zu untestützen. Es handelt sich Arbeitskräfte, Geld- und Erfrischungsmittel, die den durchfahrenden Truppen zugute kommen sollen. In den Räumen der Rhein.-Westf.-Diskonto-Gesellschaft ist eine Sammelstelle eingerichtet worden, wo sich Personen, die zu ernster, aufopferungsvoller Arbeit bei Tag und Nacht bereit sind, anmelden können. Ebenso wird um Geldbeiträge und geeignete Erfrischungsmittel, wie Kaffee, Tee, Mineralwasser, Zucker, Schokolade, Zitronen, Obst, haltbare Fleischwaren, Brot und Salz, ferner um Tabak, Zigarren und dergl. sowie auch Trinkgefäße, Essgeschirre und Streichhölzer gebeten. Heute abend (Montag) findet dieserhalb eine Besprechung in der Beethovenhalle statt.
Für das Rote Kreuz werden Sammlungen veranstaltet werden.
Schulschluß wegen Kriegsausbruch . Die städtischen und höheren Schulen werden auf Veranlassung der Behörde geschlossen.
Es ist auf tunlichste Mitwirkung der Schulkinder, auch der Schüler der höheren Lehranstalten bei den Erntearbeiten hinzuwirken.
Zahlreiche Dienstmädchen und Geschäftspersonal ist in Bonn angeblich ohne Kündigung entlassen worden. Inwieweit dies zutreffend ist, vermochten wir nicht näher festzustellen. Jedenfalls ist eine solche Maßnahme rechtlich unzulässig und an sich verwerflich.
Die Rheinuferbahn hat ihren Betrieb einschränken müssen. Schnellzüge fahren vorläufig überhaupt nicht mehr. Statt dessen verkehren zwischen Bonn und Köln von morgens 7.34 Uhr bis abends 8.34 Uhr stündlich Personenzüge 34 Minuten nach Voll.
Auch der Betrieb der Vorgebirgsbahn, sowie der unserer städtischen Straßenbahnen ist eingeschränkt worden. Die Fahrten über die Viktoriabrücke sind eingestellt.
(Bonner General-Anzeiger, Titelseite)
Spionenfurcht . Mehrere „Spione“ sollten gestern verhaftet worden sein. An all den Gerüchten ist kein wahres Wort. In allen Fällen handelt es sich um die Festnahme unschuldiger Personen, teilweise sogar Bonner, die vom Publikum aus als „Spione“ angesehen wurden und ohne weiteres von ihm der Polizei übergeben wurden, die natürlich die Leute wieder freiließ. Angesichts dieser Spionenfurcht dürfte es angebracht sein, dem Publikum Ruhe und Mäßigung anzuempfehlen.
Warnung vor russischen Spionen . Durch das Wolffsche Bureau wird die Bevölkerung gebeten, auf russische Offiziere und Agenten zu achten, die in großer Zahl durch Deutschland reisen. Man möge der Behörde zu ihrer Festnahme behülflich sein.
Das Pfadfinderkorps hat gestern mit der Aufführung von „Zopf und Schwert“ im Bürgerverein eine patriotische Kundgebung verbunden. Feldmeister Laabs sprach einen Prolog, der auf die ernste Lage Bezug nahm und Freiherr von Wolf brachte mit kernigen Worten ein Kaiserhoch aus, das Begeisterung weckte. Die Versammlung stimmte darauf „Es braust ein Ruf wie Donnerhall“ an.
Der Bonner Bergwerks- und Hütten-Verein (Zementfabrik) Oberkassel hat seinen Werkangehörigen durch Anschlag bekannt gegeben, daß die hülfsbedürftigen Familien zu den Fahnen Einberufener unterstützt werden.
Vaterländischer Frauenverein Stadtkreis Bonn . Am Samstag, 1. August, fand im Viktoriastift zu Godesberg unter Leitung des Oberarztes Dr. Wenzel die Prüfung von 28 Helferinnen zu Hilfsschwestern vom Roten Kreuz statt. Alle 28 erhielten den Ausweis, 5 davon hatten die staatliche Prüfung hinter sich, bei 4 Kandidatinnen konnte wegen ihrer langjährigen Tätigkeit in der Krankenpflege von der mündlichen Prüfung abgesehen werden.
Der Vaterländische Frauenverein Stadtkreis Bonn verfügt nunmehr über je 30 Hilfsschwestern und Helferinnen vom Roten Kreuz, die er dem Vaterlande zur Verfügung stellen kann.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Roheit! Gestern wurden der Polizei mehrere Personen wegen Spionageverdachts vorgeführt. Alle verhaftete aber konnten sich bei der Polizei ausweisen und wurden dann sofort wieder auf freien Fuß gesetzt. Unter ihnen befand sich auch ein junger Beamter von hier, der sich dadurch der „Spionage verdächtig“ gemacht haben soll, daß er das Gebäude der „Deutschen Reichszeitung“ längere Zeit aufmerksam betrachtete. Wenn das bis zur Nervosität gestiegene Spionagefieber des Publikums (…) erklärlich ist, so bleibt es unverständlich und es ist eine Roheit, daß solche „Verdächtige“ vom Publikum gestoßen, geschlagen und getreten werden, daß sie erschöpft und blutend auf dem Polizeiamt ankommen.
Der junge Beamte, der Sohn einer alten Bonner Familie, (der Vater ist Staatsbeamter) wurde bei dem Transport zum Polizeiamt beinahe gelyncht. Ein wenig später stellte sich einwandfrei die Grundlosigkeit des Verdachts heraus. Herr Polizeiinspektor Witkugel und Herr Kommissar Flaccus ermahnten das Publikum von einem Fenster des Polizeiamtes aus wiederholt um Ruhe und Rücksicht gegen die vermeintlichen „Spione“. Trotzdem wurden danach neue Ausschreitungen gegen die unschuldig Verhafteten begangen.
Es diene darum zur dringenden Mahnung: Personen, die wegen Spionage oder Landesverrat von der Polizei oder dem Militär festgenommen und durch die Straßen geführt werden, lasse man unbehelligt. Sind es wirklich Staatsverbrecher, werden sie der verdienten Strafe durch den Richter nicht entgehen, sind es aber – wie gestern – Unschuldige so ist das eine unglaubliche Roheit, gegen die die Polizei schließlich nicht anders, als durch neue Verhaftungen vorgehen kann.
(Deutsche Reichs-Zeitung, „Bonner Nachrichten“)