Montag, 30. September 1918
Nicht zu dumme Entschuldigungen! Folgende Entschuldigungen wegen Nichtzeichnung von Kriegsanleihen haben sich als unzweckmäßig herausgestellt und werden deshalb besser vermieden:
1. Ich habe gestern bei dem anderen Herrn gezeichnet – wenn man dessen Namen vergessen und seine Bescheinigung darüber verloren hat.
2. Ich muß auf Herrn .... warten, dem ich jedes Mal zeichne – wenn der Werber von ihm einen freundlichen Gruß bestellt und gerade gehört hat, daß der geplagte Zeichner – noch nie gezeichnet hat.
3. Ich muß unbedingt mein weniges bares Geld zu eiligen großen Warenanschaffungen behalten – wenn der Werber eben vorher, im Laden stehend, gehört hat, wie die hohen Preise damit gerechtfertigt wurden, daß keinerlei Waren mehr zu kaufen seien.
4. Ich bin so beschäftigt, daß ich nur mit der Bank mich einlassen kann – wenn der Werber belehrt, daß durch die Zeichnung bei ihm der Gang zur Bank noch erspart wird.
5. Ich muß meinen Neffen und Nichten die Freude der Zeichnung machen – wenn der Werber mit rauher Hand auf den Stammbaum weisen kann, der den Angesprochenen als einen geschwisterlosen hoffnungsvollen Sproß der Familie zeigt.
6. Ich kann noch nicht übersehen, wie viel zu zeichnen ich in der Lage bin – wenn der Werber belehren kann, daß man mehrfach zeichnen und sich dadurch die Uebersicht erleichtern darf.
Gleich ein halbes Dutzend --- fauler Entschuldigungen, ein Gros wäre leicht voll zu machen. Ein Ausweg bleibt dir, wenn dich der Werber erwischt. Erblasse nicht, erröte nicht, stottere nicht, --- raffe dich auf, ehrlich zu sagen: Ich will nicht zeichnen. Es ist ja nicht nötig, daß du dabei grob wirst, weil der unglückliche Werber dich --- zu hoch eingeschätzt hat. fik.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Zur Eierversorgung. Wie der preußische Staatskommissar für Volksernährung bekannt macht, dürfen Geflügelhalter, die ihre Ablieferungsschuldigkeit an Eiern für das Wirtschaftsjahr 1918 erfüllt haben, Ueberschußeier unmittelbar an Verbraucher zum Kleinhandelshöchstpreis frei absetzen. Diese Ueberschußeier sind bei Ablieferung an die Sammelstellen oder Aufkäufer mit einem Zuschlag von je 10 Pfg. zu vergüten.
Städt. Volksunterhaltungsabend. Im Saale des Bonner Bürgervereins gab gestern Herr Landgerichtsrat E. Bücheler seinen ersten dieswinterlichen Volksunterhaltungsabend, der sehr gut besucht war. Der Anfang war erfreulich. Der Konzertveranstalter hatte mit seinem kleinen gemischten Chor und den fünf Instrumentalsolisten für die Zwecke seiner Konzerte eine gute Wahl getroffen. Die Sängerinnen und die Sänger sangen, wenn sich auch einige musikalische Leistungen musikalisch nicht einwandfrei erwiesen, eine Reihe interessanter Lieder von Mendelsohn und Kahn mit Geist und Geschmack. Der Beifall der Zuhörer nach den Liedern war lebhaft. Den Höhepunkt der Erfolge erzielte das Mozartsche Quintett für zwei Violinen, Viola, Klarinette und Cello, das für das angesetzte und wieder abgesetzte Septett von Beethoven gespielt wurde. Den Ausführenden ist es gelungen, alles was in der Komposition lebt und webt, der Grundidee unterzuordnen und dem anmutigen Werke eine wirkungsvolle Aufführung zu sichern.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Krieg gegen den Griesgram. Wir feierten einmal Fastnacht. Sie, von der wir schon mancher Jugend nur noch erzählen können, machte nicht nur das Narrenkleid aus, das auch heute noch, dem Geist der Zeit zum Hohn, oft genug getragen wird. Zu ihr gehörte ein rheinisches Herz, das auch innerlich keinen Griesgram kannte. Kampf gegen den Griesgram war die Parole, und denkt ihr noch an die Jagd auf die Griesgrämigen? Erinnert ihr euch noch, wie geschickt sie aus der Menge heraus ausfindig gemacht und unter dem sicheren Geleit der Bonner Stadtsoldaten in das Wachlokal unter der Treppe unseres Rathauses gebracht wurden? Dort mochten sie ihren Obolus für die Armen erlegen und erleichtert von dannen gehen.
Das war noch ein harmloser Griesgram. Man freute sich, je mehr seiner verdächtig erschienen. Heute sind es gefährliche Menschen, die zu aller Not und allem Leid uns noch die hässlichste Plage ihres Griesgrams bringen wollen, die da geflissentlich diese Krankheit auf ihre Mitmenschen übertragen. Wer solchen Griesgram zur Strecke bringt, den Seucheverbreiter bestimmt, nicht einmal ein Opfer für die Armen auf sich zu nehmen, sondern dem Vaterland und – sich zuliebe, nur Kriegsanleihe zu zeichnen, der hat wirklich etwas Verdienstliches getan.
Felix Joseph Klein (Bonn).
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)