Samstag, 28. September 1918

    

Die Universität im vierten Kriegsjahre.
In der soeben erschienenen Chronik der Universität für das am 31. März beendete Rechnungsjahr 1917 berichten einleitend die beiden Rektoren des Jahres, Geheimräte Ribbert und Marx, über „Die Universität im vierten Kriegsjahre“. Nach kurzer Aufzählung der wichtigsten militärischen und politischen Ereignisse, u. a. die Befreiung der Universitär Dorpat, heißt es: Der Betrieb der Universität erfolgte in derselben Weise wie im vergangenen Jahr. Kriegsbeschädigte, Dienstuntaugliche, zeitweise Beurlaubte, 18jährige für die Zeit vor der Einstellung, Frauen und Gasthörer, Weltgeistliche und Ordensgeistliche bildeten die Zuhörerschaft von etwa 1400 Köpfen. Vielen, die im Hilfsdienst beschäftigt waren, wurde ein zeitweiser Besuch der Vorlesungen und Uebungen ermöglicht, ebenso Genesenden aus den Lazaretten und Krankenhäusern. Es wird dann über die akademische Bismarckfeier am Sonnenwendtage und über die Gründung der Gesellschaft von Freunden und Förderern der Friedrich-Wilhelms-Universität berichtet. Die große goldene Schaumünze der Rektorkette wurde verpfändet und durch einen in der Kruppschen Hütte zu Sayn hergestellten eisernen Abguß mit dem Bilde des Stifters der Universität ersetzt. [...] Im Heeresdienst standen im Sommer 1917 4328 von insgesamt 5138 Studierenden, im Winter 1917/18 4803 von insgesamt 5555 Studierenden. Gefallen sind bisher 502 Studierende. Vorlesungen hatten angenommen im Sommer 1482 Studierende, darunter 474 Frauen, im Winter 1488, darunter 465 Frauen; dazu kamen im Sommer 163, im Winter 210 Gasthörer. Der Vereinslazarettzug K. 1 hat im Berichtsjahre 32 Fahrten zurückgelegt und 212 Offiziere und 7587 Unteroffiziere und Mannschaften, ferner 168 Feinde nach Deutschland befördert. Die Beratungs- und Unterstützungsstelle für kriegsbeschädigte Akademiker in der Rheinprovinz hat für 57 Kriegsbeschädigte, 38 mit schweren und 19 mit leichteren Verletzungen, besondere Akten angelegt. Zu den Schwerverletzten gehören sechs Blinde, darunter zwei Berufsoffiziere, die beide zum Studium der Rechtswissenschaften übergingen. Zahlreiche kriegsbeschädigte Akademiker wurden beraten, an 20 Unterstützungen gezahlt, für acht wurden die Kurkosten in den Alpen bewilligt. Die Ausgaben beliefen sich auf 12.000 M. Die Hilfsstelle der Universität zur Versorgung kriegsgefangener Akademiker hat weiter einige hundert Bände für die kriegsgefangenen Kommilitonen gesammelt und an die Hauptstellen überwiesen. [...]

Magen oder Herz? Die Parole ist mit kernigen Worten ausgegeben. Unser Beigeordneter Bottler hat es im Namen der Reichsbank und unserer Vaterstadt getan, deren Wappen unsere Kriegsanleihen-Zeichenscheine tragen, als er Mitbürger und Mitbürgerinnen versammelte, um die Werbearbeit für die „Neunte“ zu beraten: Vertrauen, mehr Vertrauen! Ein voller Heimatsieg soll unsere jetzige Kriegsanleihe werden, ein glänzender Beweis eines Siegeswillens, der weit größer noch als der unleugbare des Franzosen trotz weitgehender Besetzung seines Landes. Und ein treffliches Wort sagte der Bonner „Generalissimus“ bei der Geldschlacht: Bei vielen steht der Magen viel zu sehr im Vordergrund, man sollte meinen, sie hätten nur einen Magen und kein Herz. Der Magen läßt ihre Zunge sich ständig bewegen, vom Herzen hört man kaum ein Wort. Und ich setze hinzu: Gerade solchen, denen der Magen nicht knurrt, hören häufig am wenigsten auf die Stimme ihres Herzens. Die kann keine andere sein als die mahnende Stimme, die Pflicht zu tun. Diese Herzensstimme braucht aber nimmer zu fürchten, daß der Verstand anders sprechen würde. Patriotismus und Egoismus gebieten dasselbe: Zeichnung und Werbung. fik.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)

   

Ein Erlebnis in der Rheinuferbahn. Von einer angesehenen hiesigen Dame wird der Schriftleitung mitgeteilt, daß in der Rheinuferbahn gestern auf der Fahrt nach Köln in einem Nachmittagszug ein kriegsgefangener Franzose in Uniform beobachtet wurde, der sich in Begleitung einer Dame befand. Mit einem Abendzug fuhr der Franzose in der gleichen Gesellschaft wieder nach Bonn zurück. Die Mitreisenden beobachteten mit Empörung, daß die Begleiterin des Franzmanns sich mit diesem sehr intim unterhielt. Von der vielgerühmten Höflichkeit des Franzosen gegenüber Damen schien dieser Mosjöh keinerlei Dunst zu haben. Obwohl das Abteil überfüllt war und viele ältere Frauen stehen mußten, blieb der Franzose ruhig auf seinem Platz sitzen. Die Schaffnerin, die gebeten wurde, den Franzmann zum Aufstehen zu veranlassen, mußte leider erklären, zu einem derartigen Eingreifen nicht berechtigt zu sein. Vielleicht setzt sich die Direktion der Rheinuferbahn mit unserer Militärbehörde in Verbindung, damit derartige unliebsame Erscheinungen in der Folge vermeiden bleiben.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

    

Futtermangel. Vom Lande schreibt man uns: Zahlreiche Landleute der nächsten Umgebung der Stadt treiben jetzt ihr Rindvieh auf die jungen Stoppelkleefelder zur Weide. In hiesiger Gegend ist dies etwas ganz Neues und gibt der Landschaft ein ganz anderes, eigenes Gepräge. Die Landleute versuchen auf diese Weise dem augenblicklichen Futtermangel entgegenzuarbeiten. Der junge Klee liefert ja in diesem Jahre sowieso keine Ernte mehr, bringt aber durch die Benutzung als Viehweide großen Nutzen.

 Das Soldatenheim wurde am letzten Sonntag von Herrn Berlef trefflich geleitet. Nach herzlicher Begrüßung der zahlreich erschienenen Feldgrauen und eingeladenen Gästen zeigte Frau Zwerschke ihre Kunst als Geigenkünstlerin in bester Weise. Die Klavierbegleitung lag in den Händen von Frl. Herrmann und fanden die vorgetragenen Stücke allseitigen Beifall. Herr Architekt Tasche brachte mit bekannter herrlicher Tenorstimme mehrere Lieder zu Gehör und wurde kräftig applaudiert. Frl. Lenzen erfreute auch heute wieder mit ihren heiteren Vorträgen. Ein humoristisches Terzett „Die drei Auguste“, vorgetragen von den Herren Herbst, Däntler und Ritter fand auch seine Anerkennung. Ein Lustspiel „Die Naturheilmethode“ mit Besetzung der Damen Frl. Lottner, Frl. Völker, der Herren Ritter, Schönenberg, Däntler und Herbst wurde gut gespielt und rauschender Beifall wurde den Spielern zu Teil.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)