Dienstag, 3. September 1918

   

Anzeige im General-Anzeiger vom 3. September 1918Neue Höchstpreise für Milch treten am 15. September in Kraft. Danach kostet in der Zeit vom 15. September bis 1. Oktober das Liter Milch bei Abgabe an den Verbraucher in der Verkaufsstelle 48 Pfg., bei Zustellung ins Haus 50 Pfg., das Liter Flaschenmilch bei Abgabe an den Verbraucher in der Verkaufsstelle 50 Pfg., bei Zustellung ins Haus 52 Pfg. In der Zeit vom 1. Oktober bis 31. Januar sind die vorstehenden Höchstpreise um je 4 Pfg. höher, in der Zeit vom 1. Februar bis 31. März sind sie weitere 6 Pfg. höher und in der Zeit vom 1. April bis 15. Mai entsprechen sie den Preisen vom 1. Oktober bis 31. Januar. Am Friedensmaßstab gemessen erscheinen die Höchstpreise natürlich sehr hoch. Sie sind aber trotzdem durch die teueren Milchviehpreise, die außerordentlich hohen Futtermittelpreise und die Erhöhung der gesamten anderen Betriebskosten der Landwirtschaft begründet. Trotz der vielen Schwierigkeiten ist es unserer Stadt möglich gewesen, die Milchversorgung bisher noch einigermaßen gut durchzuführen. Hierzu tragen wesentlich die städtische Abmelkwirtschaft und die bei Milchbauern untergebrachten Leihkühe bei.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

   

Anzeige im General-Anzeiger vom 3. September 1918Die Lohnfrage der Städt. Arbeiter. In einer am Sonntag, 1. September, im Lokale Röver, Wilhelmstraße, stark besuchten Versammlung sämtlicher städtischen Arbeiter, wurde nach den Ausführungen von Bezirksleiter Becker-Köln und Gauleiter Heintz-Düsseldorf folgende Entschließung angenommen:
   Die heute im Lokale des Herrn Röver versammelten städtischen Arbeiter und Arbeiterinnen beauftragen den Verband der Gemeinde- und Staatsarbeiter und den Zentralverband der Gemeinde-Arbeiter und Straßenbahner gemeinschaftlich mit den Arbeiterausschüssen der Stadtverwaltung eine Eingabe zu unterbreiten, in welcher eine Lohnzulage von 2 Mark pro Tag für alle Arbeiter und Arbeiterinnen gefordert werden. Des weiteren werden die Verbände und Arbeiterausschüsse ersucht, darauf hinzuwirken, daß den städtischen Arbeitern und Arbeiterinnen für den kommenden Winter Schuhe zu angemessenen Preisen verabfolgt werden.

Ein kleines Erlebnis in Bonn. Eine Leserin schreibt uns: Die Szene spielt in der Elektrischen, die das bekannte Bild bietet: bis auf den letzten Platz gefüllt, viele Frauen mit Körben und Taschen, scheinbar auf der Jagd nach Lebensmitteln. Zwei Herren sind in eifriger Unterhaltung über „die Lage“ begriffen. Auf der einen Seite laute Zweifel an dem guten Ausgang der Sache, während von der anderen Partei, einem Herrn mit blitzenden Augen, in markigen Worten der sichere Sieg prophezeit wird. „Wir halten durch und der Sieg ist unser“ – so schließt er laut und überzeugend seine Rede. Ueber das – übrigens recht rundliche – Gesicht des Flaumachers zieht ein spöttisches Lächeln und er meint: „Sehen Sie doch ringsum auch das ungläubige Lächeln der Fahrgäste.“ – Da aber erhebt sich ein einfaches altes Mütterchen und ruft mit lauter Stimme: „Und ich vertraue auf unsere braven Truppen da draußen, mein Junge ist ja auch dabei!“ Großer Beifall, auch von Seiten des Herrn Flaumachers, lohnte die alte Frau für ihr famoses Verhalten. Das war die rechte Antwort am rechten Platz, möchte sie doch allen Miesmachern so zuteil werden. – Hoch klingt das Wort der braven Frau!

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

 

Anzeige im General-Anzeiger vom 3. September 1918Der Gedanke der Schaffung eines neuen Aussichtsturmes auf dem Venusberg, der, wie uns Rechtsanwalt Fel. Jos. Klein als Vorsitzender des Verschönerungsvereins für Bonn und Umgebung mitteilt, bei diesem angeregt worden ist, kann natürlich erst in entferntester Zukunft eine Verwirklichung finden, ist aber doch schon jetzt erörterungsfähig. Wie bekannt, schenkte der verstorbene Herr Kommerzienrat Rolffs der Kommune den hölzernen „Bismarckturm“, der jedoch schließlich dem Zahn der Zeit zum Opfer fiel. Der Wunsch ist naheliegend, einen steinernen Turm mit gleich prachtvoller Aussicht auf Bonn, das Rheintal und die näheren und entfernteren Berge wiederzugewinnen. Bonn-Stadt und Bonn-Land würde gewiß gern zu ihm, einem „Hindenburg“- oder „Gedächtnis“-Turm, beisteuern.

Das ehemalige Kloster der „Grauen Schwestern in Grau-Rheindorf“, welches bei der Säkularisation vor 100 Jahren aufgehoben wurde, wird in Bälde in moderner Gestaltung wieder aufleben. Infolge der Mildtätigkeit des jetzigen Besitzers, des Rentners und Gutsbesitzers J. Birkheuser ist es den Franziskanerinnen aus dem Mutterhaus Olpe, welche in hiesiger Stadt schon mehrere Krankenhäuser bezw. Niederlassungen besitzen, überlassen mit der Bestimmung, in Grau-Rheindorf ambulante Krankenpflege zu üben, die Kinderbewahranstalt zu leiten und eine Haushaltungsschule für schulentlassene Mädchen einzurichten; nach dem Kriege soll noch stattlicher Neubau, der den durch Alter oder den Krieg geschwächten Personen Aufenthalt und in dem zugehörigen Terrain Beschäftigung bezw. Erholung bieten soll, die „Birkheuser Stiftung“ krönen. Durch die Bemühungen des Pfarrer Beyhoff ist die kirchliche und staatliche Genehmigung für die Niederlassung mit den genannten Zwecken bereits erteilt und werden die Schwestern schon in einigen Wochen in dem jetzigen Gebäude, das augenblicklich provisorisch eingerichtet wird, ihren Einzug halten. Es ist erfreulich, daß das, was vor 100 Jahren in den napoleonischen Wirren vernichtet worden, in dem jetzigen Weltkrieg, der sonst so vieles zerstört, auf diese Weise hier wieder aufgerichtet wird. Den Stadtteil Grau-Rheindorf dürfte die Stiftung nach ihrer Vollendung zur Zierde und der dortigen Bevölkerung sicher zum Segen gereichen.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)