Dienstag, 23. April 1918

   

Anzeige im General-Anzeiger vom 23. April 1918Ein Vertreter des Kriegsernährungsamtes sprach gestern abend im hiesigen Kriegsausschuß für Konsumenten-Interessen über die öffentlich-rechtliche Lebensmittelversorgung und die Aussichten der Volksernährung im laufenden Wirtschaftsjahre. Er schilderte die Schwierigkeiten der Kriegsernährung, die sich aus der fehlenden Einfuhr, die vor dem Kriege jährlich 3½ Milliarden Mark Wert hatte, und dem Rückgang der einheimischen Erzeugung ergeben, so daß wir nur 80 bis 70 v. H. der im Frieden verbrauchten Waren besitzen. Dazu kommt, daß die Bedarfsgebiete sich vermehrt haben, ein großer Teil, der früher auf dem Wasserwege versorgt werden konnte, jetzt auf die Eisenbahnen angewiesen ist, daß aber die Eisenbahnen ungeheuer überlastet sind und daß die Vorratswirtschaft große Ansprüche an die Lagerung der Lebensmittel stellt. Die Erzeugnisse „restlos zu erfassen“ ist überhaupt nicht möglich, eine gleichmäßige Verteilung, die gar keine Rücksicht nimmt auf Kräfteverbrauch, Gesundheit, Lebensgewohnheit usw., wäre ungerecht. Der freie Handel könnte die Verteilung bestimmt nicht besser regeln. Ueber die Aussichten in den nächsten vier Monaten bis zur neuen Ernte sagte der Redner: Das Kriegernährungsamt hofft, die Kartoffeln in der bisherigen Menge von sieben Pfund auch bis zur neuen Ernte geben zu können, eine feste Zusage kann es aber noch nicht machen. Unsere Getreideversorgung ist mit einer ansehnlichen Menge aus Rumänien unterstützt worden, daher konnte die Brotration bisher Anzeige im General-Anzeiger vom 23. April 1918beibehalten werden. Man hofft, sie auch weiter beibehalten zu können, es muß aber immerhin mit der Möglichkeit gerechnet werden, daß in der letzten Zeit vor der neuen Ernte doch etwas weniger gegeben werden muß. Ob das geschehen muß, wird vom Ergebnis der Bestandsaufnahme am 15 Mai abhängen. Etwas mehr Nährmittel werden in der nächsten Zeit gegeben werden können. Die bisherige Fleischversorgung wird beibehalten werden können, ebenso die Versorgung mit Marmelade. Die Eierversorgung wird hinter dem Vorjahre zurückbleiben, auch der Kaffee-Ersatz muß gestreckt werden. Im allgemeinen steht es mit unserer Ernährung in diesem Jahre besser wie im vorigen; denn im vorigen Jahre mußte die Brotration gekürzt werden, wir hatten für die fehlenden Kartoffeln nur ganz ungenügenden Kohlrübenersatz. Im nächsten Wirtschaftjahr wird es dagegen bestimmt besser werden. Die schlimmste Zeit haben wir hinter uns, auch wenn der Krieg noch in das neue Wirtschaftsjahr hinein andauern sollte; denn wir sind nach unserem Frieden im Osten nicht mehr eingekreist.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)

   

Anzeige im General-Anzeiger vom 22. April 1918Die Fleischversorgung in Bonn. Die Ungleichheit in der Verteilung der Fleischmengen, wie sie in letzter Zeit immer schärfer in den einzelnen Städten unseres gemeinsamen Vaterlandes zutage tritt, hat bekanntlich in der vergangenen Woche in Bonn zu der unleidlichen Tatsache geführt, daß wir mit 80 Gramm für den Kopf abgespeist werden mußten, während u. a. die lieben Frankfurter ein volles Pfund bekamen und auch weiterhin noch erhalten werden. [...] Inzwischen hören wir, daß auch in Wiesbaden und Düsseldorf noch 200 Gramm zur Verteilung gelangen, und Berlin wohl auf seinem halben Pfund bestehen wird.
  
Von unserer Nachbarstadt Köln erfahren wir, daß diese sich in der Fleischfrage auch weit besser steht als Bonn. Wie wir der amtlichen Bekanntmachung des Kölner Oberbürgermeisters vom 18. April entnehmen, ist der Kölner Bürgerschaft sogar für den Monat Mai bereits eine Fleischmenge von einem halben Pfund gesichert. [...]
   Da von den Ortsverwaltungen der kleineren Städte gegen diese offensichtliche Benachteiligung offenbar schwer anzukämpfen ist, sucht das Bonner Lebensmittelamt zunächst auf andere Weise einen gewissen Ausgleich zu schaffen. Wie Beigeordneter Piehl heute amtlich bekannt gibt, wird „mit Rücksicht auf die geringe Fleischzuteilung in der vergangenen Woche“ am morgigen Mittwoch Speck zur Verteilung gelangen, und zwar soll jede berechtigte Person 50 (fünfzig) Gramm erhalten. Das ist zwar kein Ausgleich gegenüber der Fleischmenge, die in den genannten Großstädten zur Verteilung gelangt, man erkennt aber aus dieser Anweisung aus dem „Speckkämmerchen“, daß unsere Stadtverwaltung ehrlich bemüht ist, die an die Oeffentlichkeit tretenden berechtigten Wünsche der Bürgerschaft nach bestem Vermögen zu befriedigen.
   Die Reichsfleischstelle wird es aber der Bonner Bürgerschaft nicht verargen können, wenn sie trotz dieses schmerzlindernden Speckstückchens auf ihrem Schein beharrt und für alle deutschen Städte, die gleichmäßig zum Durchhalten verpflichtet sind, auch eine gleichmäßige Verteilung der jeweiligen Fleischvorräte fordert, soweit sich dieses verkehrstechnisch und aus sonstigen sachlichen Gründen irgendwie durchführen läßt.

Rauchverbot für Jugendliche. Die Verordnung des Gouverneurs vom 27. November 1916 betreffend Jugendfürsorge tritt, soweit sie das Rauchen Jugendlicher betrifft, außer Kraft, weil an ihrer Stelle die Polizeiverordnung des Oberpräsidenten der Rheinprovinz vom 21 Februar 1918 jugendlichen Personen das Rauchen verbietet.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

   

Schulfrei. Die Volksschulen haben am heutigen Dienstag wegen des glänzenden Ergebnisses der achten Kriegsanleihe schulfrei. Das Königliche Gymnasium hatte am Samstag bereits des Kriegsanleihenergebnisses wegen den Unterricht ausfallen lassen. Die Schülerinnen des städtischen Lyzeums und der mit ihm verbundenen Studienanstalt haben zur achten Kriegsanleihe durch eigene Zeichnungen und Werbungen 720.775 Mark aufgebracht. Als Anerkennung ihrer wertvollen vaterländischen Arbeit erhalten die Schülerinnen am heutigen Dienstag einen schulfreien Tag.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)