Freitag, 1. Februar 1918
Eine Reise an die Ostfront, die er vor Weihnachten, also noch vor dem Waffenstillstand, zum Besuch einer rheinischen Division unternommen hat, schilderte Herr Bankdirektor Weber gestern abend in einem fesselnden Lichtbildervortrage im vollbesetzten Saale des Bonner Bürgervereins. Auf der Fahrt durch Ostpreußen konnte er sehen, daß an dem Wiederaufbau des von den Russen zerstörten Ostpreußens schon eifrig gearbeitet worden ist. Mitau und Riga machten schon äußerlich infolge ihrer Sauberkeit und Ordnung den Eindruck deutscher Städte, dieser Eindruck vertiefte sich bei einem Rundgang in ihnen und bei dem Verkehr mit den Bewohnern. Von Riga ging es zur Kampffront bis in die vorderste Stellung, wo alle Bewohner eines Unterstandes zufällig aus der Bonner Gegend waren und sich natürlich über den Besuch und die mitgebrachten Liebesgaben aus der Heimat doppelt freuten. Direktor Weber erzählte von der grimmigen Kälte, der Nässe in den Unterständen und all den anderen Leiden, die ohne Murren ertragen werden, denen gegenüber unsere kleinen täglichen Sorgen überhaupt nichts bedeuten können. Auf der Rückfahrt wurde noch Libau besucht, das ebenso wie Riga und Mitau den Wunsch hat, so eng wie möglich an Deutschland angeschlossen zu werden. Der Redner hob zum Schluß noch einmal das stille Heldentum hervor, mit dem unsere Truppen an der Front die Unbilden der Witterung und das Trommelfeuer des Feindes ertragen. Es sei deshalb unverzeihlich, daß bei uns daheim so viel geklagt, gehetzt und gar gestreikt werde. Wenn wir nur noch kurze Zeit aushalten, dann wird der Friede kommen, der uns die Sicherheiten für unsere Zukunft bringt und die Vorbedingungen für die hemmungslose Entfaltung unserer schaffenden Kräfte verbürgt. Die Zuhörer dankten mit reichem Beifall für die fesselnden Ausführungen und die schönen Lichtbilder.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Zur Nervosität disponierte Kriegsteilnehmer. In der Zeitschrift „Die Kriegsbeschädigten-Fürsorge in der Rheinprovinz“ veröffentlicht Prof. Dr. A. H. Hübner, Oberarzt der gl. Nervenklinik in Bonn, eine Darstellung über die Kriegsbeschädigtenfürsorge bei Neurotikern. Der Verfasser gibt den Fürsorgestellen Anleitungen über die Behandlung der neurotisch Erkrankten. Am Schlusse seiner Darstellung vertritt Prof Hübner gegenüber den zur Nervosität disponierten neurotisch gewordenen Kriegsteilnehmer folgenden Standpunkt: „Man muß bei den Neurotikern, ob sie eine Kriegsdienstbeschädigung erhalten haben oder nicht, doch sagen, daß ein großer Teil nachweisbar zur Nervosität disponiert war. Wenn die Betreffenden dann, wie das neuerdings der Fall sein wird, ohne eine Dienstbeschädigung erlitten zu haben, einfach weil sie auf die Einstellung oder den Dienst schon mit neurotischen Erscheinungen reagierten, der Kriegsbeschädigtenfürsorge überwiesen werden, dann wird es Aufgabe der Fürsorgestelle sein, derartige Kranke von Rentenansprüchen abzuhalten und sie entsprechend aufzuklären, denn man kann vom Staat nicht verlangen, daß er die pathologische Anlage der Betreffenden auch noch mit einer Rente belohnt. Wenn auch solche Neurotiker jetzt den Fürsorgestellen überwiesen werden können, so zeugt diese Maßnahme von außerordentlichem Wohlwollen. Sie darf aber nicht dazu führen, daß der Patient Ansprüche stellt, zu deren Erhebung er nicht berechtigt ist.“
Es wäre wertvoll, auch die Urteile anderer bedeutender Nervenärzte über diese wichtige Frage zu hören. H.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Die Brotentnahme am Samstag und Sonntag für die kommende Woche bleibt, vielfachen Wünschen der Bürgerschaft entsprechend, auf Anordnung des Lebensmittelamtes weiterhin gestattet.
Deutscher Sprachverein. In der zahlreich, auch von Feldgrauen besuchten Hauptversammlung begrüßte der zeitige Vorsitzende, Pfarrer Dr. Richter, die Anwesenden im neuen Jahre, das nach dem gewaltigen Völkerringen hoffentlich den ehrenvollen Frieden bringen werde. [...] Es wurde ein Antrag an die städtische Verwaltung gestellt, nach dem Vorgange anderer Städte im kommenden Winter die Verdeutschung zahlreicher, noch üblicher Fremdwörter beim Theaterwesen in Erwägung zu ziehen. [...] Ende Mai soll eine fünfte (letzte) Kriegstagung hier in Bonn zusammentreten. Verdeutschungstafeln und Werbeblätter wurden an 25 hiesige und auswärtige Zeitungen, Druckereien und größere Geschäfte übersandt. [...]
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)