Donnerstag, 30. November 1916

          

Volks- und Viehzählung. Am morgigen 1. Dezember findet eine allgemeine Volks- und Viehzählung statt. Die Volkszählung hat den Zweck, die ortsanwesende Bevölkerung – das ist die Gesamtzahl der in der Nacht vom 30. November auf den 1. Dezember innerhalb der Stadt ständig oder vorübergehend anwesenden Personen – zu ermitteln. Dabei gilt als entscheidender Zeitpunkt die Mitternacht, so daß von den in dieser Nacht Geborenen oder Gestorbenen die vor Mitternacht Geborenen und nach Mitternacht Gestorbenen mitzuzählen sind. Die namentliche Aufzeichnung der anwesenden Personen erfolgt in Haushaltungslisten. Zur Eintragung sind die Haushaltungsvorstände oder in deren Abwesenheit ihre Vertreter verpflichtet. Für jede Haushaltung ist eine besondere Haushaltungsliste bestimmt. Als Haushaltung gelten die zu einer wohn- und hauswirtschaftlichen Gemeinschaft vereinigten Personen einschließlich der Zimmermieter ohne eigene Hauswirtschaft und Schlafgänger (gleichgültig, ob sie Beköstigung empfangen oder nicht) und einschließlich der zu Besuch oder aus anderen Gründen in der Haushaltung anwesenden Personen. Einzeln lebende Personen, die eine besondere Wohnung haben und eine eigene Hauswirtschaft führen, haben eine besondere Haushaltungsliste auszufüllen. Die Gäste von Gasthäusern und Herbergen, sowie die Insassen von Anstalten aller Art (Kasernen, Klöster, Erziehungs-, Versorgungs-, Kranken-, Strafanstalten, Gefängnissen usw.) sind besonders zu zählen. Die Bemannung und Fahrgäste eines Schiffes, die Bewohner eines Wagens und dergl. sind ebenso wie die Teilhaber einer regelmäßigen Haushaltung anzusehen. Einzutragen sind alle Personen ohne Ausnahme ob Inländer oder Ausländer, Militär- oder Zivilpersonen oder Kriegsgefangene. Für Personen, die sich in der Nacht vom 30. November auf den 1. Dezember in verschiedenen Wohnungen aufgehalten haben, gilt die eigene Wohnung oder, wenn nur fremde Wohnungen in Frage stehen, diejenige Wohnung, in der sie sich zuletzt aufgehalten hat, als Nachtquartier. Personen, die in der bezeichneten Nacht in keiner Wohnung übernachtet haben, wie Reisende, Wanderer, Posten usw. Eisenbahn- und Postbedienstete, über Nacht beschäftigte Arbeiter, Krankenpersonal, Wächter usw. werden in die Haushaltungsliste derjenigen Haushaltungen eingetragen, bei der sie am Vormittage des 1.12.16 zuerst ankommen. Bei allen vor dem 1.12.1899 geborenen männlichen Reichsdeutschen ist das gegenwärtige Militärverhältnis anzugeben und ob sie Militärpension oder Militärrente aus Anlaß des gegenwärtigen Krieges erhalten. Vor der Ausfüllung der Haushaltungslisten sind die Erläuterungen auf der ersten und der letzten Seite durchzulesen. Besondere Sorgfalt ist der Eintragung der Angaben über den Beruf zu widmen und dabei genau nach der Anleitung zu verfahren. Die Vollständigkeit und Richtigkeit der Angaben ist durch Unterschrift zu bescheinigen. Haushaltungslisten ohne Unterschrift gelten als nicht abgegeben. Die erforderlichen Haushaltungslisten werden durch Zähler oder durch Zählerinnen vor dem 30. November zugestellt und am Nachmittage des 1., 2. oder 3. Dezember wieder abgeholt. Die Zählpapiere sind bis zum 4. Dezember durch die Zähler an das Volkszählungsbureau Friedrichsplatz 1 (Sitzungszimmer der Städtischen Sparkasse, 1. Stock), wo auch jede gewünschte Auskunft erteilt wird, wieder abzugeben. Wer bis zum 30, November abends kein Formular erhalten hat, ist verpflichtet, sich ein solches am 1. Dezember auf dem Volkszählungsbureau abzuholen, es unverzüglich auszufüllen und wieder einzusenden. Ebenso hat derjenige, bei dem das zugestellte Formular bis zum 3. Dezember abends nicht abgeholt ist, es unverzüglich dem Volkszählungsbureau einzusenden.
  
Bei der Volkszählung findet zugleich eine Viehzählung statt. Die Zählung erstreckt sich auf Pferde, (ohne Militärpferde) Rindvieh, Schafe, Schweine, Ziegen und Federvieh. Wer in der Nacht vom 30. November auf den 1. Dezember Vieh dieser Art in Gewahrsam hat, ist verpflichtet, es am 1. Dezember den Zählern anzugeben. Dabei ist es gleichgültig, wer der Eigentümer des Viehes ist. Auf längere Zeit eingestelltes Vieh wird wie eigenes behandelt. Am Zähltage vorübergehend abwesendes Vieh ist bei der Haushaltung zu zählen, zu der es gehört. Am 1. Dezember verkauftes Vieh ist stets beim Verkäufer, nicht beim Käufer zu zählen. Schlächter, Metzger und Händler haben auch das bei ihnen stehende oder im Laufe des Zähltages eintreffende und in der Nacht vom 30. November zum 1. Dezember unterwegs gewesene zum Schlachten oder Verkauf bestimmte Vieh anzugeben, sofern es nicht etwa erst am Zähltage gekauft wird. Das mit Eisenbahn in der Nacht zum 1. Dezember beförderte Vieh ist durch den Begleiter unverzüglich nach Entladung in Bonn auf dem Geschäftszimmer Friedrichsplatz 1 unter Angabe der Unterarten anzugeben. Viehherden sind dort zu zählen, wo sie sich auf Weiden oder in Fütterung, wenn auch vorübergehend, befinden, und zwar bei der Haushaltung desjenigen, in dessen Obhut oder Pflege sie stehen, auch wenn es nicht der Eigentümer ist. Viehbesitzer, die bei der Zählung übergangen sind, haben die Bestände ohne weitere Aufforderung unter Angabe der Zahl und Arten bis zum 3. Dezember auf dem Geschäftszimmer Friedrichsplatz 1, 1. Stock anzuzeigen.
   Für falsche Angaben wird bei der Volkszählung Geldstrafe bis zu 1500 Mark, bei der Viehzählung Gefängnisstrafe bis zu sechs Monaten oder Geldstrafe bis zu 10.000 M. angedroht.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

     

Unsinnige Gerüchte. Auf dem Lande ist zurzeit wieder allenthalben das Gerücht verbreitet, die Hausschlachtungen würden noch vor Weihnachten verboten. Infolgedessen hat ein großes Schweineschlachten eingesetzt und es wird jetzt manches Schwein zu früh abgeschlachtet. Die Gerüchteverbreiter sind anscheinend Händler, die die kleinen Züchter dadurch veranlassen wollen, ihnen die Schweine zu verkaufen. Man lasse sich durch solche Gerüchte nicht beirren; niemand denkt an ein Verbot der Hausschlachtungen.

Der Kleingeldmangel. Trotz der im Umlauf befindlichen großen Mengen an Kleinzahlungsmitteln in Silber-, Nickel-, Eisen- und Kupfermünzen, sowie Darlehenskassenscheinen zeigt sich stellenweise ein auffälliger Mangel an Kleingeld, der nach amtlicher Wahrnehmung seine Ursache in absichtlichen Hemmungen hat. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß verschiedentlich Kleingeld ohne jeden Anlaß mit Absicht zurückgehalten wird. Ein solches Verfahren verdient die schärfste Missbilligung, da es dem Zahlungsverkehr erhebliche Schwierigkeiten bringt. Muß einerseits dafür gesorgt werden, daß bei größeren und kleineren Sammlungen, bei denen viele kleine Beträge eingehen, die Sammler und Sammelstellen das erhaltene Kleingeld alsbald einwechseln und dem Verkehr wieder zuführen, so hat andererseits auch jeder Einzelne die unbedingte Pflicht, die kleinen Zahlungsmittel im vollem Umfange weiterzugeben. Erfahrungsgemäß können Hemmungen im Zahlungsverkehr leicht preissteigernd im Warenhandel wirken. Hiergegen würde allerdings mit allem Nachdruck eingeschritten werden. Um aber auch andere empfindliche Rückwirkungen zu verhindern, muß Jeder im eigensten Interesse den ungestörten Umlauf der kleinen Zahlungsmittel unterstützen und darauf achten, daß Kleingeld nicht gesperrt wird. Ersparnisse gehören zur Verhinderung von Verlusten in die Sparkassen und Banken, dort bringen sie Zinsen und sichern den Besitz.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

      

Der Revolver des Wachmannes. Vom Landgericht Bonn ist am 31. Juli der Vorarbeiter Jakob H. und dessen 15jähriger Sohn Matthias wegen fahrlässiger Tötung zu je einem Monat Gefängnis verurteilt worden. Der Vater war als Aushilfsmann für eine Abteilung russischer Kriegsgefangener tätig und führte einen geladenen Revolver bei sich. Als er am Ostersonntag, den 23. April 1916, nachhause kam, legte er den Revolver in einen im Wohnzimmer stehenden Geldschrank und zwar in Manneshöhe in eine Ecke. In diesem Schrank lagen auch Unterhaltungsbücher. Der Revolver war gesichert, der Schrank blieb unverschlossen. Um 2 Uhr, als der Angeklagte H. sen. im Nebenzimmer schlief, war dessen Sohn Matthias nachhause gekommen. Er kam mit einem 18 Jahre alten Freunde B. in das Wohnzimmer, suchte nach einem Buche und fand dabei den Revolver, den er herausnahm. Die Mutter sagte, er solle ihn fortlegen, aber er tat es nicht und spielte sitzend mit der Waffe weiter, wobei er sie unbewusst entsicherte. B. wollte ihm nun den Revolver wegnehmen. Dabei entlud sich dieser und der Schuß traf B. so unglücklich, daß er tot zu Boden sank. Das Gericht hat nicht nur den Sohn, sondern auch den Vater für den Erfolg verantwortlich gemacht, weil der Vater, obwohl er wußte, daß sein Sohn nachhause kam, den Revolver an einer leicht zugänglichen Stelle verwahrte. In der vom Vater eingelegten Revision wurde der Nachweis versucht, daß seine Handlungsweise nicht eine Ursache für den eintretenden Erfolg gesetzt habe. Das Reichsgericht verwarf jedoch heute das Rechtsmittel als unbegründet.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)