Dienstag, 28. November 1916
14.800 Weihnachtspakete für rheinische Truppen haben die hiesigen Vaterländischen Vereinigungen als Anteil der Stadt Bonn an den 110.000 Stück, die auf den ganzen Regierungsbezirk entfallen, zu liefern. 14.800 sauber und liebevoll herzurichten, ist gewiß keine Kleinigkeit, und da alles am 1. Dezember schon versandbereit sein muß, herrscht jetzt in den Geschäftsräumen der Vaterländischen Vereinigungen im zweiten Stock des Gebäudes der Diskontogesellschaft, wo der weitaus größte Teil hergerichtet wird, die regste Tätigkeit. 18 Soldaten und 22 Damen sind den ganzen Tag über bis zum späten Abend tätig, den wackeren Kämpfern an der Front eine kleine Weihnachtsfreude zu bereiten. Der Inhalt eines jeden Pakets hat den Wert von etwas über 4 Mark. In jede Pappschachtel kommen eine gefüllte Zigarrentasche mit aufgedruckter Widmung der Vaterländischen Vereinigungen, dazu noch eine Düte mit Zigarren, etwas Keks, Schreibpapier, Liederbuch, ein gedruckter Weihnachtsgruß und eine Karte für etwaige Mitteilungen an die Vaterländischen Vereinigungen, außerdem noch die verschiedensten anderen Sachen, Zigaretten, Zigarettendose, Pfeife mit Tabak und Feuerzeug, elektrische Taschenlampe, Hosenträger, Taschentuch, ein Karten- oder anderes Spiel, Mundharmonika, Kamm, Kleider- oder Zahnbürste, Spiegel, Nähzeug, Brieftasche, Taschenmesser oder dergl. Die Räume, in denen all diese Sachen untergebracht sind, gleichen, obwohl die Hälfte schon verpackt ist, dem Lager eines ansehnlichen Geschäfts. Der größte Teil der Gegenstände ist in Bonn gekauft worden, das Geld dafür, 60.000 Mark, haben zur Hälfte die Stadtverordneten bewilligt, die anderen 30.000 Mark bringen die Vaterländischen Vereinigungen auf. So soll, da auch in anderen Städten in ähnlicher Weise gearbeitet wird, jeder deutsche Land- und Marinesoldat sein Weihnachtspaket aus der Heimat erhalten. Dafür, daß die Gaben rechtzeitig ihren Empfänger erreichen, sorgen die Militärbehörden, die alles tun werden, um Verzögerungen zu vermeiden. Pakete für bestimmte Empfänger nach den Wünschen der Angehörigen können dabei natürlich nicht angefertigt werden. Die 14.800 Weihnachtspakete der Stadt Bonn müssen, wie schon erwähnt, am 1. Dezember fertiggestellt sein. Sie werden dann, in 150 bis 170 große Kisten verpackt, einen besonderen Eisenbahnwaggon füllen. Der Zug, der die Gaben zur Front führt, wird von den Stadtverordneten Kalt und Simon begleitet werden. Unseren tapferen Landsleuten mögen diese Gaben eine herzliche Weihnachtsfreude bereiten, und das Bewusstsein, zu dieser Freude beigetragen zu haben, mag für alle Helfer und Helferinnen der Vaterländischen Vereinigungen der schönste Lohn sein.
Ein Besuch in den Räumen der Vaterländischen Vereinigungen gibt auch einen kleinen Einblick in die sonstige gewaltige Tätigkeit. Da ist die Hauptkasse der Vereinigungen. An sie werden zu Weihnachten besonders große Anforderungen gestellt – auch die Kriegerwitwen und –waisen sollen wieder beschert werden -, deshalb seien alle Vaterlands- und Menschenfreunde an sie erinnert. Eine große Kartothek gibt Auskunft über alle Verwundeten, die in die hiesigen und in die Lazarette der Umgebung aufgenommen worden sind, und über ihren Verbleib. Die Goldankaufstelle ist schon von 2000 Einwohnern besucht worden und hat bereits eine ansehnliche Goldmenge dem Goldschatz der Reichsbank zuführen können, sie möchte dem Vaterland freilich noch viel mehr Gold vermitteln. Dann werden die verschiedensten alten und neuen Gegenstände hier gesammelt, Bücher, Kleidungsstücke, Wollsachen usw. Kurz, überall, wohin man sieht, wird hier für das Vaterland gearbeitet.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Verein Mädchenhort. „Wie heiße ich?“ ruft eine große, schöne Puppe, welche im Schaufenster eines Blumengeschäfts ausgestellt ist, allen Kindern Bonns zu. Der Wunsch, sie zu besitzen, läßt gewiß manches Kinderherz höher schlagen und veranlaßt hoffentlich Scharen von Großen und Kleinen, sich an dem lustigen und gewinnbringenden Rätselraten zu beteiligen. Denn der Verein „Mädchenhort“, der sich mit diesem „Preisrätsel“ an die Gebefreudigkeit seiner Bonner Mitbürger wendet, hat einen klingenden Erfolg seines Unternehmens dringend nötig. Seit Kriegsbeginn gewährt er über 100 Kindern täglich Aufenthalt und einer Anzahl von ihnen auch mittags Beköstigung. Die im Vergleich zur Friedenszeit bedeutend vermehrten Ausgaben haben naturgemäß an seinem bescheidenen Vermögen sehr gezehrt. Deshalb bedarf der „Mädchenhort“ mehr denn je der Hilfe gütiger Gönner. Durch die 50-Pfennig-Scherflein für ein Puppenlos hofft er es u. a. ermöglichen zu können, seinen Kindern eine Weihnachtsfreude zu machen und jedem von ihnen eine nützliche Gabe unter den Christbaum zu legen.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Zur Lebensmittelversorgung in Bonn.
Gegenwärtig nimmt wohl die Frage der Milchversorgung in Bonn am meisten die Beachtung der Einwohnerschaft in Anspruch. Wenn auch hier eine Einschränkung erfolgt, so geschieht dies nur zum Wohle der Kinder, Kranken und Altersschwachen. Die neue Regelung der Milchversorgung tritt am 1. Dezember in Kraft. Die einzelnen Bestimmungen werden in einer Bekanntmachung im Anzeigenteil einer der nächsten Nummern unserer Zeitung bekanntgegeben werden. Es dürfte vielleicht angebracht sein, nochmals darauf hinzuweisen, daß vom 1. Dezember d. J. ab Milch nur noch gegen Milchkarten abgegeben werden darf, und daß gegen den Verstoß harte Strafen angedroht werden. Wer versorgungsberechtigt ist und noch nicht im Besitze einer Milchkarte sich befindet, sorge schnell für die Anmeldung in der Milchversorgungsstelle im Gebäude der Universität am Hof neben dem Geschäft von Etscheid. Die Ausgabe der Milchkarten selbst erfolgt am Mittwoch, Donnerstag und Freitag dieser Woche, nach Buchstaben geordnet.
Außer dieser Verordnung wird demnächst eine Verordnung erscheinen über Höchstpreise für Milch. Die Preisfestsetzung konnte noch nicht erfolgen, da die Verhandlungen zwischen den Provinzen Hannover, Westfalen und der Rheinprovinz in dieser Frage noch nicht zu einem Ergebnis gekommen sind. Der Kleinhandelshöchstpreis für Vollmilch in Bonn wird auf 40 Pfg. festgesetzt werden, unter der Voraussetzung, daß die Milch in die Häuser gebracht wird. Der Preis für Milch frei Gehöft des Erzeugers wird auf 32 Pfg., frei Bahnstation des Empfängers auf 34 Pfg. oder für Milch, die durch den Erzeuger frei Verkaufsstelle oder frei Verkaufsstelle des Großhändlers geliefert wird, 36 Pfg.
Für sterilisierte Säuglingsmilch wird ein besonderer Preis festgesetzt werden. Auch für Magermilch wird ein Höchstpreis angeordnet werden und zwar werden 18 Pfg. für das Liter festgesetzt werden. Der Preis ist so gering, weil man darauf hinwirken will, möglichst viel Vollmilch zu erhalten. Buttermilch wird ohne Karte abgegeben werden können.
Die Abgabe von Milch erfolgt nach Kundenlisten. Diese erhält der Milchhändler vom Lebensmittelamte überwiesen, und er hat nur nach dieser Liste zu liefern.
Das Lebensmittelamt hat in der Milchversorgung alles getan, was in seinen Kräften lag, wenn nun, wie es bei einer so umfangreichen und schwierigen Arbeit gar nicht anders ausbleiben kann, sich Fehler herausstellen sollten, so ist von dem guten Verständnis der Einwohnerschaft zu erwarten, daß sie sich in solchen Fällen vertrauensvoll an das Lebensmittelamt wenden, das die nötige Abhilfe schaffen wird. So ist z. B. dafür gesorgt, daß wenn ein Milchmangel für den einen oder den anderen Säugling eintreten sollte, an der städtischen Milchversorgungsstelle Am Hof die erforderliche Milch abgeholt werden kann. Das Verfügungsrecht über kondensierte Milch ist ebenfalls der Stadt vorbehalten.
Eine kleine Einschränkung wird auch die Zuckermenge erfahren. Die von der Reichszuckerstelle der Stadt für die Bevölkerung überwiesene Zuckermenge ist um 20 Prozent herabgesetzt worden. Die Zuckerration wird daher vom 1. Januar von 750 Gramm auf 700 Gramm für die Person und den Monat herabgesetzt werden müssen.
Die Kriegsküchen erfreuen sich einer stets wachsenden Teilnehmerzahl; sie ist weiter gestiegen und zwar auf 3700. Mit 920 Teilnehmern steht die Universitätskriegsküche an zweiter Stelle, nur Poppelsdorf hat mehr, nämlich 930 Teilnehmer. Für den Studentenspeisesaal sind 391 Karten gelöst worden.
Die neuen Lebensmittelkarten werden voraussichtlich am 10. Dezember ausgegeben werden.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)