Donnerstag, 16. November 1916
Die Sammelstelle für Zinngegenstände und Fahrradbereifungen befindet sich Kirschallee 23 im früheren Geschäftsraume der Zahlstelle Bonn-West; sie ist bis auf weiteres Montags, Dienstags und Mittwochs vormittags von 9 bis 12 Uhr und nachmittags von 3½ bis 6 Uhr geöffnet. Die Besitzer der beschlagnahmten Zinngegenstände und Fahrradbereifungen werden benachrichtigt, wann sie die Gegenstände abzuliefern haben, freiwillig gegen Zahlung von 6 M. für das Kilogramm. Zur Verfügung gestellte Zinngegenstände können nach Belieben abgeliefert werden. Unentgeltlich zur Verfügung gestellte Gegenstände werden auch abgeholt, wenn die Sammelstelle benachrichtigt wird.
Steckrüben. Es wird nochmals darauf hingewiesen, daß die Ausfuhr von Rüben aller Art aus dem Stadtbezirk verboten ist. Der Handel mit Steckrüben (Erdkohlrabi) liegt von heute ab der Provinzialkartoffelstelle ob und ist von dieser der Rheinischen A- und Verkaufsgesellschaft Raiffeisenscher Genossenschaften in Koblenz übertragen worden. Die Ausfuhr kann nur mit schriftlicher Genehmigung des Oberbürgermeisters geschehen und diese wird nur an die Aufkäufer von Raiffeisen erteilt.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Der Hansabund hatte gestern abend zu einer Versammlung eingeladen, in der Obermeister Kniest aus Kassel einen Vortrag mit Lichtbildern hielt über die zeitgemäße Frage: „Wie können Kriegsbeschädigte wieder arbeitsfähig gemacht werden?“ Der Vortragende, der längere Zeit eine Ausbildungsschule für Kriegsbeschädigte leitete, konnte mit sehr zweckdienlichen Ratschlägen aus seinen Erfahrungen aufwarten: Im Allgemeinen muß jeder Kriegsbeschädigte wieder seinem Beruf zugeführt werden. Der Staat wie die Gesellschaft haben gar nicht genug Beamtenstellen zu vergeben, um alle Kriegsbeschädigten damit zu versorgen. Dann kann unser Vaterland aber auch nicht auf die Arbeitskräfte der so zahlreichen Kriegsbeschädigten bei dem starken Abgang von Toten aus allen Berufen verzichten. Der Staat hat auch nicht so viel Geld, um alle als Rentner freizustellen. Daher müssen die Kriegsbeschädigten wieder arbeiten, auf allen Gebieten, möglichst in ihrem Berufe. Es geht gar nicht anders.
Es hat sich nun herausgestellt, daß die Einfügung von Kriegsbeschädigten in voll arbeitende Betriebe nicht gut tut. Die Leute müssen erst unter ihresgleichen in besonders eingerichteten Lehrkursen wieder an Arbeit gewöhnt werden. Sie müssen dort ihre Kräfte erproben und stählen und Geschicklichkeit sich erwerben, um in den vollen Arbeitsbetrieb eintreten zu können als – fast volle Arbeiter. Da ist nun sehr erfreulich zu sehen, wie die Kriegsbeschädigten aller Art wieder aufleben, an zu arbeiten fangen, Freude an der Arbeit finden und zuletzt mehr oder weniger geschickt arbeiten. Alles und jedes; sogar Voll-Blinde haben in Munitionsfabriken gezeigt, daß sie mit gutem Willen noch Tüchtiges zu leisten vermögen. Guter Wille muß vorhanden sein; etwas gelinder Zwang nützt in Gestalt von Dienstweisung und Testierung seitens der Lazarette für die Lehrarbeitsstunden. Freundliche Unterweisung, gut ratende Arbeitskameraden helfen mit. So kommen die Kriegsbeschädigten wieder zur Arbeit, zu einem passenden Berufe, gar zum alten Beruf. Gute Ersatzglieder sind ihnen dabei getreue Gehilfen, aber nicht in allen Fällen erforderlich.
Was Kriegsbeschädigte leisten, wie sie arbeiten und wie ihnen auch sonst noch geholfen wird, zeigten dann eine Anzahl vorzüglicher Lichtbilder in überraschender Weise. Schade um den gediegen aus praktischer Arbeit herausgemachten Vortrag, daß ihm nicht ein besserer Besuch beschert war.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Täglich ein Dutzend Verfügungen! Die „Zeitschrift für Nahrungsmittel“ berichtet die interessante Tatsache, daß seit Kriegsbeginn bereits 400 Bundesratsverordnungen, ferner mehr als 3000 Regierungsverordnungen veröffentlicht worden sind. Dazu kommen noch die unzähligen Erlasse seitens der Kommunen, Kreise, Provinzen und anderen Behörden. Es ergeben sich durchschnittlich zwölf Verfügungen für den Tag. Niemand dürfte daran zweifeln, daß es nicht ganz leicht ist, auch nur einen Teil dieser Fälle genau zu kennen.
Wichtig für Schuhmacher! Durch die Bemühungen der Handwerkskammer gibt das „Bekleidungsamt“ in Coblenz, soweit der Vorrat reicht, Sohlleder-Stanzabfälle und Rinderlederabfälle in verschiedenen Sorten an Schuhmacherbetriebe ab. Jedoch nicht an einzelne Meister, sondern entweder an Fach-Innungen, oder nach Bürgermeistereien zusammengeschlossene Schuhmacher. Letztere haben einen Kollegen mit dem Ankauf des vorher bestellten Quantums zu beauftragen, welcher sich mir einer von dem zuständigen Bürgermeisteramt ausgefertigten Bescheinigung in Coblenz legitimieren muß. Einzelanfragen bleiben beim Bekleidungsamt unberücksichtigt; bei dem großen Ledermangel sollte von dieser Gelegenheit allgemein Gebrauch gemacht werden.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)