Montag, 6. November 1916

     

Fortschrittliche Volkspartei. Der Gemeinde- und Wirtschaftsausschuß des Bezirksverbandes Rheinland der Fortschrittlichen Volkspartei hat die Reichstagsfraktion der Fortschrittlichen Volkspartei telegraphisch ersucht, wegen der Notlage im industriellen Westen auf das allerentschiedenste dafür einzutreten, daß die Verteilung der für die menschliche Ernährung ausreichenden Kartoffelmenge unverzüglich und vor der Versorgung des Viehes und der Brennereien vorgenommen wird unter Heranziehung aller verfügbaren Menschenkräfte, Schulen und Militär. – Obwohl der Reichstag schon vertagt ist, haben die Parteiführer Gelegenheit, sowohl in den Besprechungen mit dem Reichskanzler als auch in regelmäßigen Aussprachen im Kriegsernährungsamt sowie im Haushaltsausschuß die Meinung des dichtbewohnten gefährdeten Westens zum Ausdruck zu bringen.

Das Reformationsfest wurde gestern in den evangelischen Kirchen begangen. In einer besonderen Reformationsfeier abends 6 Uhr in der Kirche am Kaiserplatz wurden zwischen den Gesängen der Gemeinde Bibelstellen, verschiedene Mahnworte Martin Luthers und eine Würdigung Luthers und seines Werkes von Ernst Moritz Arndt verlesen. Dann sprach Pfarrer Kremers über das Lutherwort: Für meine Deutschen bin ich geboren, ihnen will ich dienen. Er erwähnte dabei auch die Aufrichtung des Königreiches Polen und wünschte, daß der neue Staat wachsen möge. Aber in erster Linie sei unser Blut doch nicht vergossen worden, um die Polen freizumachen. Von hoher und höchster Stelle sollte endlich einmal festgestellt werden, daß wir für das Deutschtum kämpfen. Die 30 Millionen Menschen im Auslande würden ihr Deutschtum nicht festhalten können und uns verloren gehen, wenn der Krieg nicht siegreich durchgeführt werde. Zum Schluß sang die Gemeinde unter dem Geläut der Glocken das Lutherlied Ein’ feste Burg ist unser Gott.

Deutscher Sprachverein. Am morgigen Dienstag wird der hiesige Sprachverein seine Winterarbeit wieder beginnen. Abends ½ 7 Uhr wird Herr Professor Tesch aus Köln, der bekannte begabte Vorkämpfer und Redner für unsere vaterländische Sache, einen Vortrag halten über Volksseele und Sprache. Die Versammlungen des Sprachvereins finden in diesem Winter an Dienstagabenden im Gasthof zum Kronprinzen, Bahnhofstraße 42, statt. Auch Gäste sind freundlich willkommen.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

    

In „Groß-Bonn“ feiern gegenwärtig die Drei Raimonds mit ihren musikalischen Leistungen auf den verschiedensten Blasinstrumenten große Erfolge. Es handelt sich um drei Künstler – zwei Damen und einen Herrn – die sowohl das Waldhorn, wie das Piston und die Fanfare mit gleicher Meisterschaft blasen. Ein Tausendkünstler in seinem Fach ist Herr Raimond; er verwandelt das Trio in ein Quartett, denn er bläst bei sämtlichen Vorführungen zwei Instrumente zu gleicher Zeit. Er bringt es sogar fertig, die Wirbeltrommel zu – blasen. Recht humorvoll wirkt die Posaune von Jericho Dieses etwa 10 Meter lange Instrument wird von Herrn Raimond mit solcher Lungenkraft bedient, daß auf der Bühne Tische und Stühle, sogar die Brüstung durch den Luftdruck umfallen. – Eine weitere hervorragende Nummer sind die Vorführungen des Herms-Trios, das auf dem Gebiete der Gymnastik das Menschenmöglichste bietet. In tollem Wirbel purzeln die Künstler auf der Bühne umher, fangen sich im Fluge mit großer Sicherheit auf und unterhalten sich im nächsten Augenblick untereinander, als ob nichts geschehen sei. Auch der Schalk am Zeichenbrett, Fräulein Kascha Bernsoe, weiß durch ihre blitzschnell hingeworfenen humorvollen binten Bilder das Publikum zu lebhaftem Beifall hinzureißen. Die Vorträge einer Operetten-Diva und eines Humoristen finden gleichfalls ein dankbares Publikum.

Viehzählung. Am 1. Dezember 1916 findet im Deutschen Reiche eine kleine Viehzählung statt, die sich auf Pferde, Rindvieh, Schafe, Ziegen und Federvieh erstreckt. Der erste Dezember ist schon längere Jahre hintereinander als Stichtag für Viehbestandsaufnahme benutzt worden. Die durch den Krieg bedingten Aenderungen der Wirtschaftslage, insbesondere die Schwierigkeiten der Volksernährung, lassen eine öftere Vornahme von Viehzählungen dringend erforderlich erscheinen.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

     

Eine ehrende Anerkennung unserer Lehrer. Ein den ganzen Lehrerstand ehrendes Wort hat bei einer Truppenbesichtigung im Westen der kommandierende General eines Armeekorps gesprochen. Er unterhielt sich mit vielen Soldaten und hörte, daß auch ein Lehrer darunter sei. Zu diesem gewandt, sagte er: Es freut mich, daß Sie hier sind; denn gerade die Lehrer bringen den guten Geist in die Truppe.

Treibjagd. Bei der von Bonner Herren im Endenbach bei Oberpleis veranstalteten Hubertusjagd wurden 30 Stück erlegt und zwar 16 Hasen, 7 Kaninchen, 4 Fasanen, 2 Rehe und 1 Wildkatze.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)