Dienstag, 15. August 1916
Bonner Lebensmittelfragen.
Während vor acht Tagen noch über zu reichliche Kartoffelzufuhren und dadurch bedingtes Verderben der empfindlichen Frühkartoffeln zu klagen war, sind jetzt die Klagen entgegengesetzt: seit zehn Tagen hat die Stadt Bonn überhaupt keine Kartoffeln mehr bekommen. Bei der auf sieben Pfund für den Kopf herabgesetzten Verbrauchsmenge sind diese Woche genügend Kartoffeln vorhanden, so daß ein Andrang bei den Kartoffelverkaufsstellen unnütz ist, wenn aber die Provinzialkartoffelstelle in Magdeburg der Stadt Bonn auch in dieser Woche keine Kartoffeln sendet, so wird nächste Woche wieder eine Kartoffelnot eintreten, obwohl rings um Bonn Ueberfluß an Kartoffeln herrscht.
Wie schon mitgeteilt, wird nächste Woche eine Umfrage veranstaltet werden, wer sich seinen ganzen Winterbedarf bis 15. April einzukellern wünscht. Dabei kann angegeben werden, ob die Stadt Bonn unmittelbar oder ein hiesiger Kartoffelhändler, zu dem der Verbraucher etwa besonderes Vertrauen hat, die Kartoffeln liefern soll. Der Preis ist in beiden Fällen gleich. Ausgeschlossen ist es aber nach den von der Reichskartoffelstelle getroffenen Anordnungen, daß Bonner Haushaltungen wie in früheren Jahren von Landwirten der Umgegend Kartoffeln erhalten.
Die Kriegsküchen erfreuen sich steigender Beliebtheit, das beweist am schlagendsten die immer stärkere Inanspruchnahme. Es sind jetzt schon über 4100 Teilnehmer vorhanden. Um den bisherigen guten Speisezettel und das Eintopfgericht weiter beibehalten zu können, muß die Stadtverwaltung jedoch ganz erhebliche Zuschüsse zahlen. Es hat sich herausgestellt, daß außer den Unkosten für die Verwaltung, die Miete der Räumlichkeiten und für die Betriebsunterhaltung ein Mittagessendurchschnittlich etwa 55 Pfg. kostet. Das ist zu verstehen, wenn man sich ausrechnet, daß für ein Liter fast zwei Pfund Kartoffeln und bei Fleischgerichten 60 bis 80 Gramm Fleisch verbraucht werden, ohne die notwendigen Fettmengen. Da das Mittagessen nun fast durchweg ur mit 30 Pfg. bezahlt wird, so müssen aus dem Stadtsäckel bei etwa 4000 Teilnehmer und 30 Speisetagen monatlich rund 30.000 M. Zuschüsse gezahlt werden. Der aus der Bürgerschaft für die Kriegsküchen gespendete Betrag von rund 52.000 M. – eine Summe, die für die Stadt Bonn nicht gerade hoch anzusehen ist – soll in erster Linie dafür verwendet werden, um den Betrieb der Küchen und die Bereitung des Essens in einer über das gewöhnliche Maß hinaus besseren Weise auszuführen, andererseits kann die Stadt, die bereits an anderen Stellen der Kriegsfürsorge, namentlich bei der Ausgabe billiger Lebensmittel, schon sehr stark in Anspruch genommen ist, auf die Dauer nicht die Zuschüsse in dieser Höhe zahlen. Es erscheint auch nicht gerecht, daß in der jetzigen teuern Zeit ein so gut zubereitetes und reichliches Mittagessen für den billigen Preis von 30 Pfg. abgegeben wird. Das führt letzten Endes nur zur Verschwendung, und dem muß mit Rücksicht auf die Knappheit der Lebensmittel aufs entschiedenste entgegengetreten werden. Aus diesen Erwägungen hat der Lebensmittelausschuß beschlossen, vom 21. August ab den Preis für das Mittagessen auf 40 Pfg. zu erhöhen, und zwar für die Teilnehmer der Abteilungen A und B der Lebensmittelkarte, und auf 50 Pfg. für die Teilnehmer der Abteilung C. Das schließt natürlich einmal nicht aus, daß in Notfällen die Armenverwaltung eingreift, und außerdem ist darauf hinzuweisen, daß die Küchen in der Maargasse und Engeltalerstraße nach wie vor das Mittagessen für 20 Pfg. ausgeben. [...]
Der Speisezettel für diese Woche lautet:
Montag: Grüne Bohnen mit Kartoffeln und Speck,
Dienstag: Graupen mit Mischobst,
Mittwoch: Erbsensuppe mit Hämmchen,
Donnerstag: „Himmel und Erde“ mit Specktunke,
Freitag: Nudeln mit geriebenem Käse,
Samstag: Kartoffelsuppe mit Einlauf und Mischgemüse,
Sonntag: Schweinepfeffer.
Die Milchversorgung wird in den nächsten Tagen durch eine neue Verordnung geregelt werden. Es soll dadurch vor allem die Versorgung der Säuglinge, der Kinder bis zum sechsten Lebensjahre sowie der hoffenden und stillenden Frauen unbedingt sichergestellt werden. Da in den nächsten Monaten mit einer weiteren Verringerung der Milchzufuhr leider bestimmt zu rechnen ist, wird die Stadtverwaltung selbst etwa 100 Milchkühe beschaffen und sie gegen sog. Abmelkverträge bei hiesigen Landwirten einstellen. Der Bonner Einwohnerschaft werden dadurch täglich etwa 800 Liter Milch zugeführt werden können. Zurzeit beträgt die Milchzufuhr insgesamt etwa 14.500 Liter täglich.
Die Obstpreise sind in Bonn, wie auch in anderen Städten, noch immer ungeheuer hoch. Helfen könnten nur Höchstpreise für das ganze Reich, Verordnungen der Stadtverwaltung würden nur eine Verödung des Marktes zur Folge haben. Die Stadt sucht jedoch durch einen eigenen Obsthandel die Preise so viel wie möglich zu drücken. Sie verkauft jetzt gute belgische Tomaten zu dem verhältnismäßig geringen Preise von 35 Pfg. das Pfund sowie aus Baden bezogene Pflaumen, ebenfalls sehr gute Ware, zu 13 Pfg., während sonst auf dem Markte 70 bis 80 Pfg. für das Pfund gleichwertiger Pflaumen gefordert werden. In den nächsten Tagen wird die Stadt auch eine größere Sendung Aepfel verkaufen.
Eine neue Kriegsmaßregel ist die Beschlagnahme und Zuteilung der Marmelade. Die Marmelade wird ähnlich wie Butter und Fett in Zukunft nur noch in bestimmten Wochenmengen abgegeben werden dürfen. Die in den Haushaltungen vorhandenen selbsteingekochten Vorräte werden aber nicht beschlagnahmt und können verbraucht werden.
In den nächsten Wochen wird mit einer Käseknappheit gerechnet werden müssen. Die Käselieferungen durch die Zentral-Einkaufsgesellschaft stocken seit einiger Zeit vollständig, da mit den verfügbaren Beständen in erster Linie das Heer versorgt werden muß. Das städtische Lebensmittelamt ist freilich bemüht, größere Mengen Käse zu beschaffen, ob es ihm gelingen wird, steht noch nicht fest.
Die neuen Lebensmittelkarten, die zum 27. August ausgegeben werden müssen, werden nicht mehr für vier Wochen, sondern für vier Monate gelten. Grundsätzlich wird dabei an der bisherigen Karteneinteilung nichts geändert, nur erhält jede Person eine ganze Karte für sich allein mit 16 Wochenabschnitten für die Zeit vom 27. August bis 16. Dezember. Wegen der langen Gültigkeitsdauer der Karten müssen die Haushaltungen natürlich noch mehr als bisher darauf bedacht sein, die Karten sorgfältig aufzubewahren.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Vaterländische Kampfspiele. Auf dem Spielplatz an der Cölnstraße mit seinen prächtigen Baumanlagen und seinem weiten, grünen Rasenplan fanden am Sonntag jene turnerischen und sportlichen Wettkämpfe statt, die man früher „Vaterländische Festspiele“ zu nennen pflegte. Der Ernst der Zeit, die unbeschreiblich harten Kämpfe unserer Helden draußen ließen die Bezeichnung „Vaterländische Kampfspiele“ als angebrachter erscheinen. Draußen vor dem Feinde steht schon ein großer Teil der Generation, die in Turnen, Spiel und Sport aufgewachsen ist, die, während sie diese Leibesübungen pflegte, kämpfen gelernt hat. – Lernt kämpfen! So rufen jene Feldgrauen unserer Jugend zu. Sie haben es ja erfahren, welch’ gute Vorbereitung der Wettkampf in den Leibesübungen für den Ernstkampf gegen Haß und Neid unserer Feinde war. Unsere Jugend ist aber auch bereit, ja, sie liebt es zu kämpfen. Sie verlangt nicht nur Vorstellen und Denken, nicht nur Schulung des Verstandes, auch Schulung des Charakters, Wollen und Handeln. Allen Gegnern vernünftiger Leibesübungen zum Trotz bewies dies auch unsere Bonner Jugend am Sonntag auf neue.
Unter der altbewährten Leitung unseres Turninspektors, Herrn Fritz Schröder, nahmen die Kämpfe vormittags und nachmittags in guter Ordnung einen schönen Verlauf. Den zahlreichen Zuschauern, welche ringsum stehend den leichtathletischen und turnerischen Uebungen sowie den Spielen mit großem Verständnis folgten, wurden recht beachtenswerte Leistungen vorgeführt. Man sah, daß unsere Bonner Jugend auch in den Leibesübungen auf der Höhe ist. Nach Beendigung der Wettkämpfe richtete Herr Sanitätsrat Dr. F. A. Schmidt das Wort an die ihn umstehenden Jungmannen. Unsere tapferen Soldaten stellte er ihnen als Vorbild hin. Er forderte sie auf, gleich bereit zu sein, wenn das Vaterland auch ihrer einmal bedürfe. Nach einem kräftigen dreifachen Hurra auf unserer geliebtes deutsches Vaterland verlas dann Herr Turninspektor Schröder die Sieger und überreichte ihnen den schlichten Eichenkranz. [...]
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Godesberg, 14. Aug. Gestern nachmittag wurde der am 7. August im Luftkampfe gefallene Leutnant Josef Nonn-Elven aus Godesberg, Leutnant im Feldart.-Regt. Nr. 59, z. Z. Feld-Flieger-Abt. 19, unter militärischen Ehren hier zu letzten Ruhe geleitet. Am Leichenzug beteiligten sich u. a. ein Kompagnie des Bonner Infanterie-Regiments 160, eine Abordnung seines 59er Artillerie-Regiments, Hunderte von Feldgrauen aus unseren Ortslazaretten, die militärischen und anderen Vereine Godesbergs, sowie eine ansehnliche Zahl aus der hiesigen Bürgerschaft. Von der elterlichen Wohnung in der Rüngsdorfer Heerstraße aus bewegte sich der Zug unter den Trauerweisen einer Musikkapelle hin nach dem Burgfriedhofe, wo Herr Pastor Dr. Heyes eine ergreifende Grabrede hielt. Drei Ehrensalven wurden dem Helden als letzter Gruß über die offene Gruft gesandt.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Von Nah und Fern.“)
Ein seltenes frohes Wiedersehen feierte vergangene Woche eine Familie (C. Bayard) in der Kaiserstraße. Drei Söhne trafen unvermutet, einer nachmittags, einer nachts und einer anderen Tages von der Marine und vom Landheer im Elternhause in Urlaub ein, worauf nach erfolgter Benachrichtigung eine Tochter, welche in einem auswärtigen Krankenhause tätig ist, ebenfalls eintraf. Leider mußten sie einen Bruder vermissen, den die Erde des Schlachtfeldes deckt.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)