Freitag, 16. Juni 1916
Der Westerwaldklub Bonn nagelt Sonntag nachmittag 2 Uhr an der Arndt-Eiche eine Adlerfeder und fährt dann um 3 Uhr vom Friedrichsplatz mit der Vorgebirgsbahn nach Waldorf, um von dort nach Alfter zu wandern.
Der Höchstpreis für Speise- und Backöl wird in einer in dieser Zeitung veröffentlichten Verordnung des Oberbürgermeisters auf 6 Mark das Liter festgesetzt. Für Oel, das durch die Kriegsabrechnungsstelle deutscher Oelmühlen vermittelt wird, gilt der festgesetzte Verkaufspreis als Höchstpreis.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Die Richtpreise für Gemüse, die gestern in Kraft getreten sind, äußerten heute ihre Wirkung auf unseren Märkten. Sie war wenig erfreulich. Was gestern hier und da versteckt angedroht wurde, war zur Tatsache geworden. Der Streik der Gemüsebauern. Freilich, es war nur ein Teilstreik. Nicht alle hatten der gestern ausgegebenen Parole Folge geleistet und hatten den Markt gemieden.
Die Mengen von Gemüsen, die heute angefahren waren, waren aber so gering, daß der größte Teil der Käufer mit leeren Körben heimziehen mußte. Dabei war Hauptmarkttag. An den beiden Haupttagen in der Woche konnten der Stiftsplatz wie der alte Markt das Gemüse und Obst sonst kaum aufnehmen. Heute herrschte gähnende Leere, besonders auf dem Hauptumschlagsmarkte, dem Stiftsplatze.
Ueberall standen an der Stelle, wo sonst Berge von Gemüse sich erhoben, aufgeregte Gruppen von Käufern, die diese seltsame Erscheinung besprachen, laut klagten, daß nichts zu erhalten sei und mehr oder minder Kritik an der Festsetzung der Richtpreise und an den Verordnungen überhaupt übten.
An anderen Stellen wurde indes das aufgefahrene Gemüse leicht und nach kurzem Hin und Her erhandelt und verpackt. Das war der Großhandel für auswärts. Die alten Verbindungen halten sicher.
Wo nur ein Wagen und aus welcher Richtung er nur auftauchen mochte, sofort stürmte der Haufe von leer ausgegangenen Käufern auf ihn zu, und schien geneigt, eine Schlacht wegen seines Gutes zu liefern.
Die Polizeibeamten hatten Mühe und Sorge, daß die Ware überhaupt auf den Platz kam. Eine im Handel ergraute Frau meint: Sie sollten vor die Stadt gehen, da wird heute mehr verkauft, wie auf dem Markte.
Wie abschreckend die Richtpreise wirken müssen, wenn sie nicht für größere Bezirke streng durchgeführt werden, wurde von Kundigen einer staunenden Zuhörerschaft klar gemacht. In Mondorf wird der Rhabarber an Ort und Stelle mit 10 Mark der Zentner aufgekauft, während er auf dem hiesigen Markte nur mit 6 Mark gehandelt werden daraf.
In Bezug auf Gemüse setzt eine heut in Kraft tretende Verordnung für den Landkreis Bonn diesem seltsamen Zustand wenigstens für das Vorgebirge ein Ziel.
Im Uebrigen spielte sich der Handel im Kleinen und Großen in aller Ruhe ab. Viele Landleute erkannten selbst an, daß die Preise für Gemüse denn doch ein bißchen stark gewesen. Für Erdbeeren meinten sie, die ein Luxusartikel seien, der zum Leben nicht unbedingt erforderlich, wären die teueren Preise ja nicht so schlimm.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Höchstpreise für Milch. Heute morgen steckt uns der Milchjunge einen Zettel durch die Türe, auf dem geschrieben stand, daß nunmehr die Landmilch 40 Pfennige pro Liter kosten solle. Bis dahin zahlten wir 36 Pfg. pro Liter. Noch im Winter 1914/15 kostete dieselbe 18 Pfennige. Demnach ist die Milch in den letzten 18 Monaten rund 110 Proz. Gestiegen. Für ärmere Leute war aber bisher das bißchen Milch noch die einzige Rettung, womit sie ihren Kindern helfen konnten. Fleisch kann ein kleiner Beamter oder Arbeiter nicht mehr kaufen. Die Eier kosten jetzt 30 Pfg. pro Stück und auch sie sind demnach für uns ausgeschaltet. Nun soll uns auch noch die Milch genommen werden. –
In Trier sind längst Höchstpreise dafür festgesetzt, dort kostet die Milch 28 Pfennige pro Liter. Aus Stolp bekomme ich Nachricht, daß dort der Höchstpreis auf 16 Pfennige gesetzt ist. Warum kann denn für Bonn dies nicht auch geschehen? Es ist ja nicht gesagt, daß gerade Stolp und Trier maßgebend für Bonn sein soll. Die Höchstpreise für hier können ja den Umständen nach etwas höher gesetzt werden, aber sie müßten kommen.
Vorgestern war ich auf dem Lande und fragte einige Bauern, was sie denn von den Händlern für die Milch bekämen! 25 Pfennige, bekam ich zur Antwort! Der Bauer sagt, der Händler verdient alles, und der Händler meint, der Bauer steckt sich die Taschen voll. Wer hier recht oder unrecht hat, soll uns gleich bleiben. Jedenfalls stehen die hohen Preise in gar keinem Verhältnis zu der gegenwärtigen Lage. Futter ist doch in diesem Jahre in solchen Mengen gewachsen, daß die Rinder bis an den Bauch im Grase stehen. Wenn man aber einwenden möchte: Ja, das Vieh ist so teuer! Ihr lieben Bauern, habt Ihr denn Eure Kühe erst während der Kriegszeit angeschafft? Wie es scheint, hat sich in allen Schichten der Bevölkerung eine dermaßen große Sucht nach Geld und Reichtum eingeschlichen, daß dadurch alle Schranken des Erlaubten überschritten werden. Auch hier müßten die Behörden unverzüglich einschreiten, denn die Milch ist und bleibt doch das unentbehrliche Nahrungsmittel für die Kinder. Der Staat sollte doch ein Interesse daran haben, daß gerade unsere Jugend und die Kinder gesund und kräftig bleiben, damit ein tüchtiger Nachwuchs gesichert wird. Einer für Viele.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Erntehilfe. Das Freiwillige Regiment Düsseldorf zur Vorbereitung zum Heeresdienst, Abteilung 3, Landsturm und Ersatz-Reserve, 5. Komp. stellt zur unentgeltlichen Beschäftigung bei der diesjährigen Ernte für die Dauer von 6-10 Wochen mehrere hundert Mann Jugendlicher zur Verfügung. Die Knaben haben sich bei den Erntearbeiten, die sie im vergangenen Jahre in der Provinz Schleswig-Holstein ausgeführt haben, durchaus bewährt. Geeignete Landwirte des Landkreises Bonn, bei denen für Unterkunft und Verpflegung in einwandfreier Weise Vorsorge getroffen werden kann, können ihre Wünsche auf Einstellung derartiger Knaben in ihrem Betriebe während der Erntezeit unter Angabe der Zahl dem Landratsamte in Bonn melden. Dieses wird dann die Meldungen in geeigneten Fällen an das Freiwillige Regiment weitergeben.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)