Samstag, 20. Mai 1916

    

Weil er Brotkorn an die Hühner verfüttert hatte, verurteilte die Strafkammer gestern einen Landwirt von Haus Alfter in Röttgen zu 500 M. Geldstrafe. Der Landwirt behauptete zwar, es handle sich bei der Frucht um Körner, die nach dem Dreschen unter der Dreschmaschine zusammengekehrt worden seien, und diese Behauptung wurde auch durch einen Zeugen wahrscheinlich gemacht, das Gericht war aber der Meinung, in der jetzigen Zeit müsse der Landwirt mit allem Brotgetreide sorgsam umgehen, der Angeklagte hätte verhüten müssen, daß beim Dreschen so große Mengen Brotfrucht für die Volksernährung verloren gingen, wie es geschehen sei, da er viele Monate lang damit habe seine Hühner füttern können. Derselbe Landwirt erhielt weitere 50 Mark Geldstrafe, weil er reines Weizenmehl, nach seiner Behauptung ausländisches, zu Brot verbacken hatte.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

    

Anzeige im General-Anzeiger vom 20. Mai 1916Weibliche Kellner gibt es jetzt auch auf den Schiffen der Köln-Düsseldorfer Dampfschiffahrtsgesellschaft.

Wegen Vergehens gegen das Nahrungsmittelgesetz standen gestern die Eheleute Metzgermeister Karl Zenz aus Godesberg vor der hiesigen Strafkammer. Sie wurden auf Grund der Ermittlungen und der Zeugenvernehmung völlig freigesprochen. Es ist dies für den Angeklagten umso erfreulicher, als gerade in diesen schweren Zeiten erwiesene Vergehen solcher Art hart geahndet werden.

Mit einem Stock hatte ein Arbeiter von hier abends an der Ecke der Kölnstraße und Maargasse einen an ihm vorbeigehenden Schreiner erheblich mißhandelt. Er behauptete vor der Strafkammer gestern, er sei von dem Schreiner angestoßen worden. Der Schreiner gab an, es sei möglich, daß er ohne es zu wollen, den Angeklagten berührt habe. Er habe gar keine Veranlassung gehabt, ihn zu stoßen. Das Urteil lautete auf zwei Wochen Gefängnis.

Um in das Heer eintreten zu können, hatte sich ein mit Zuchthaus bestrafter und aus dem Heere ausgestoßener Mensch unter Angabe eines falschen Namens zum Militär angemeldet. Er hatte dadurch bewirkt, daß die Listen unrichtig geführt wurden. Die Strafkammer verurteilte den Angeklagten, der vom persönlichen Erscheinen entbunden war, zu einer Gefängnisstrafe von einem Monat, die durch die erlittene Untersuchungshaft für verbüßt erklärt wurde. Es wurden in Betracht gezogen einerseits die Vorstrafen des Angeklagten, andererseits, daß er sich bei Begehung der Tat von einem anerkennenswerten Beweggrund habe leiten lassen.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

    

Fleischnot und Fleischpreise.
Der Fleischmangel herrscht nicht nur hier in Bonn, auch aus anderen Städten wird darüber geklagt. Und die Höchstpreise, die hier festgesetzt worden sind, ergeben sich, wie uns von eingeweihter Seite mitgeteilt worden ist, aus dem Durchschnitt der Preise, die für das vom Viehhandelsverband überwiesene und für das aus Dänemark bezogene Vieh bezahlt werden müssen. Aus Dänemark muß weit mehr Vieh bezogen werden, als der Verband überweisen kann. Daraus erklären sich die hiesigen Höchstpreise. Anderswo scheinen die Verwaltungen glücklicher gewesen zu sein. Was in Nachbargemeinden gezahlt wird, soll nicht einmal wiederholt werden. Aus Attenborn in Westfalen wird geschrieben, dem Bürgermeister sei es gelungen, Vorräte an Lebensmitteln für die Bürgerschaft bis tief in den Winter hinein anzusammeln, „die keineswegs zu den jetzigen hohen Preisen abgegeben zu werden brauchen“; die Lagerung sei eine derartige, daß ein Verderb ausgeschlossen sei. Das jetzt so beneidenswerte Städtchen erfreut sich im allgemeinen wohl nicht des „Wohlstandes“, der nach der Auffassung Maßgebender hier in Bonn noch herrschen soll. Für viele sind die jetzigen Preise aber mehr wie drückend; ungezählte sind überhaupt nicht mehr in der Lage, Fleisch kaufen zu können, dazu reichen die Mittel nicht, die in der jetzigen Zeit nicht reichlicher, sondern vielfach sogar geringer geworden sind. Der große Fleischmangel in Bonn ist vielen nicht ganz verständlich. Entweder, heißt es, ist vieles gehamstert worden oder es wird vieles verheimlicht, was vielleicht anderswo hin verschickt wird. Die tollsten Andeutungen werden gemacht und leider auch geglaubt, die man nicht widerlegen, an deren Wahrheit man sich aber auch nicht überzeugen kann. Eine gründliche und umfassende Bestandsaufnahme wäre wohl auch hier angebracht, nicht nur in den Geschäften, die Lebensmittel verkaufen, oder in den Metzgereien, die, nach den Erfahrungen in anderen Städten, auch hier dem schlimmsten Verdacht ausgesetzt sind, sondern auch bei den Privaten, die, wie geglaubt wird, mächtig eingehamstert haben sollen. Gewisse und gründliche Bestandsaufnahme, deren Ergebnis selbstverständlich veröffentlicht werden müßte, würde auch hier sehr bald allen bösen Gerüchten ein Ende machen. Aber die Verwaltung sollte sich im allgemeinen Interesse dieser doch keineswegs unberechtigten Forderung auch nicht länger widersetzen. Was in Köln und anderen großen Städten möglich war, wird doch auch hier durchführbar sein, sollte man meinen.
   Die Stadtverwaltung hat inzwischen, wie aus den öffentlichen Bekanntmachungen zu ersehen, auch hier die Fleischkarte eingeführt, die, wie sie in einer besonderen Zuschrift an die Presse auseinandersetzt, die Fleischversorgung regeln soll. Vorgesehen ist eine gleiche Fleischmenge für jeden Kopf der Bevölkerung, gleichviel ob arm, ob reich. Die wöchentlich jedem zustehende Verbrauchsmenge ist auf 250 Gramm festgesetzt, das macht, auf 10 Tage umgerechnet, eine Verbrauchsmenge von 360 Gr. (oder 36 Gramm für den Tag) aus. Das ist verzweifelt wenig, und die Hoffnung, die am Schlusse auf bessere Zeiten ausgesprochen wird, ein verdammt magerer Trost, besonders, wenn man hört, daß im benachbarten Köln die Verbrauchsmenge gerade doppelt so groß ist. Warum den[n] nicht auch hier, in Köln ist es hoch, so hört man vielfach murren. Wir sind ja überzeugt, daß die Stadtverwaltung und mit ihr alle Beteiligten ihre Pflicht erfüllt haben. Aber es ist schwer, jedem begreiflich zu machen, was durch die Einführung der Fleischkarte nunmehr gewonnen wird. Der Andrang vor den Geschäften wird nun wohl vermieden werden. [...]
   Warten wir ab, wie sich diese Einrichtung bewähren wird.
   Gut aber wäre es, wenn die Stadtverwaltung auch jetzt noch eine allgemeine Bestandsaufnahme anordnete, deren gewissenhafte Durchführung viele Unzufriedenheit ausräumen würde. So lange nicht behördlich festgestellt ist, daß hier keiner in Wohlleben schwelgt, während die Menge darbt, so lange wird das Murren nicht enden: auf der Coblenzerstraße und in anderen Quartieren der Besitzenden herrsche kein Mangel, dort könne noch jeder sich an Fleisch sättigen, was den anderen unmöglich sei. Wir wollen ja gerne glauben, daß es sich nur um böswillige Ausstreuungen handelt. Aber gut wäre es, wie gesagt, wenn es öffentlich festgestellt würde.

Ein trauriges Schauspiel
bot sich unseren Hausfrauen heute vormittag in der Sternstraße. Vor dem ehemaligen städtischen Verkaufslokal stand eine Karre hochbeladen mit Zwiebeln, die anscheinend für den üblichen Gebrauch nicht zu verwenden waren; sie waren zum großen Teil stark ausgeschlagen. Wie verlautet sollen mehrere Karren Zwiebeln dort verladen und unverdaut in ein besseres Jenseits befördert worden sein.
   Bei dem hohen Preis, den heutzutage die Zwiebeln aufweisen, wäre ein fahrlässiges Verderben dieses volkstümlichen Genußmittels sehr zu bedauern. Wir werden auf die Angelegenheit noch zurückkommen.

(Volksmund, Rubrik „Bonner Angelegenheiten“)