Samstag, 30. Oktober 1915
Ein Ehrentag der Bonner 160er. Der heutige 30. Oktober ist ein Ehrentag des Bonner 2. Bataillons des Infanterie-Regiments Nr. 160. Das Bataillon nahm vor einem Jahre mit an den Stellungskämpfen in der Champagne teil. Am 30. Oktober lagen die Gräben des Bataillons von 8 Uhr vormittags bis zum Dunkelwerden ununterbrochen im schärfsten Artilleriefeuer der Geschütze jedes Kalibers. Dieses Feuer diente dazu, die Stellung sturmreif zu machen; denn andern Tages erfolgte, abermals nach längerer heftiger Artillerievorbereitung, ein Infanterieangriff, der aber in unserem Feuer vollständig zusammenbrach. Trotz der schweren Beschießung waren die Verluste des Bataillons gering. 7 Mann erhielten das Eiserne Kreuz 2. Klasse, ein Vizefeldwebel des Bataillons das Eiserne Kreuz 1. Klasse.
Eine städtische Fruchtsammelstelle ist auf dem städtischen Grundstück Lennéstraße 29 eingerichtet worden. Mittwochs und Samstags, nachmittags von 3 bis 5 Uhr, werden dort vor allem Roßkastanien, Eicheln, Bucheln, Vogelbeeren, Linden- und Akazienfrüchte, Sonnenblumen-, Kürbis- und Traubenkerne entgegengenommen.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Wegen Mangels an Fett und der Knappheit des Erdöls ersucht der Oberbürgermeister, im laufenden Jahre den frommen Gebrauch der Gräberschmückung mit Kerzen und Lampen am Allerseelentage im vaterländischen Interesse zu unterlassen.
Die fleischlosen Tage. Eine wichtige Anordnung in der Ernährungsfrage des deutschen Volkes nach österreichischem Muster, die wir jüngst schon angekündigt hatten, die Einführung von fleischlosen Tagen, steht zum 1. November bevor. Danach dürfen Dienstags und Freitags Fleischwaren und Fleischspeisen nicht gewerbsmäßig an Verbraucher verabfolgt werden. Montags und Donnerstags dürfen in Wirtschaften aller Art Fleisch, Wild, Geflügel, Fisch und sonstige Speisen, die mit Fett oder Speck gebraten, gebacken oder geschmort sind, sowie zerlassenes Fett nicht verabreicht werden. Samstags darf kein Schweinefleisch verabreicht werden. Ein Verbot des Genusses von Fleisch und der Verwendung von Fett an den bezeichneten Tagen in Einzelhaushaltungen ist zunächst nicht ausgesprochen.
Wegen Vergehens gegen die Bundesrats-Verordnung hatte sich eine Frau aus Bonn gestern vor dem Schöffengericht zu verantworten, die ihr Brotbuch einer anderen Frau geliehen hatte, damit diese Brot für sich darauf holen konnte. Sie war durch einen Strafbefehl mit 5 Mark Strafe belegt worden und hatte dagegen Einspruch erhoben. In der gestrigen Sitzung zog sie auf Zureden des Vorsitzenden, da sie die Tat an sich zugab, aber nicht gewußt haben wollte, daß das strafbar sei, den Einspruch zurück.
Das außerordentliche Kriegsgericht verurteilte am Donnerstag einen Schreinergesellen aus Luxemburg, der arbeitsuchend nach Godesberg gekommen war, ohne sich sofort polizeilich anzumelden, zu 3 Tagen Gefängnis, die durch die erlittene Untersuchungshaft für verbüßt erklärt wurden. – (...) Drei russische Saisonarbeiter standen unter der Anklage, sich ohne Erlaubnis aus ihrem Polizeibezirk entfernt zu haben. Einer von ihnen, dem sein Dienstherr gesagt hatte, er solle sich wegscheren, wurde freigesprochen. Der andere wurde zu zehn Tagen Gefängnis verurteilt, während der dritte mit einem Verweis davon kam.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Zur Stadtverordnetenwahl. Die Zentrumswähler der Altstadt hielten gestern abend eine Versammlung ab, in der als Kandidaten für die kommenden Stadtverordnetenwahlen die bisherigen Stadtverordneten Jos. Kalt, Geheimrat Olbertz, Jul. Wallasch und anstelle des bisherigen Stadtv. Wirts Prof. Dr. Theod. Brinkmann aufgestellt wurden. Die Versammlung leitete der stellvertretende Vorsitzende, Herr Reichstagsabgeordneter Chrysant. Er gab Mitteilung davon, daß man die Wahlen im Burgfrieden vornehmen werde, deshalb stelle man in der 2. Klasse keine Kandidaten auf. (...) Dann sprach Stadtv. Kalt über „Die Kriegsfürsorge der Stadt Bonn“. Er berührte zunächst die Kartoffelversorgung. In den nächsten Tagen würden städtische Kartoffeln aus dem Westen bei einem Händler für 4 Mark der Zentner zu haben sein. Für Anfuhr kämen 20 Pfg. hinzu. Unterstützungsbedürftige erhielten gegen Gutschein den Zentner zu 3,50 Mark. 200 Waggon ständen zur Verfügung, weitere 30 würden als Reserve eingekellert. Für die weitere Fleischversorgung sei gesorgt. (...) Magerer Speck werde 2 Mark, fetter Speck 2,20 Mk. kosten. Jeder erhalte pro Woche 3 Pfund. Der Mehlpreis werde wohl herabgehen und damit der Brotpreis. (...) An ärmere Leute seien 79.000 Brote billig abgegeben worden. Ueber 127.000 Portionen Lebensmittel seien abgegeben worden. Ausgegeben seien dafür 389.672 Mark. An bar und für Lebensmittel habe die Stadt insgesamt 4.622.190 Mark ausgegeben. (...)
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Den Kartoffelbedarf hat die Stadt Bonn für die Kriegerfamilien und die minderbemittelte Bevölkerung bis zur neuen Ernte vollständig sichergestellt. Es werden gegen Gutschein Kartoffeln abgegeben zum Preise von 3,50 M. für den Zentner an alle Kriegerfamilien, welche die Reichsunterstützung beziehen sowie an alle Personen, welche von der Armenverwaltung unterstützt werden, ferner an Arbeiterfamilien und an Angestellte und Beamte der Stadt Bonn sowie an solche in Privatbetrieben, deren Jahreseinkommen den Betrag von 3.000 M. nicht übersteigt. Darüber hinaus können an sonstige minderbemittelte Personen Ausweise erteilt werden, welche den Inhaber berechtigen, die Kartoffeln von den städtischen Lagern zum Selbstkostenpreis, der im Voraus festgesetzt wird und voraussichtlich den Betrag von 4 Mk. für den Zentner nicht übersteigen wird, zu entnehmen. Nähere Bekanntmachung darüber, wo und wann die Ausgabe der Gutscheine und Ausweise sowie der Kartoffeln stattfindet, wird in den nächsten Tagen erfolgen.
(Volksmund, Rubrik „Bonner Angelegenheiten“)