Donnerstag, 21. Oktober 1915

   

Anzeige im General-Anzeiger vom 21. Oktober 1915Zum 500jährigen Jubiläum der Hohenzollernherrschaft fällt heute der Unterricht an allen Schulen aus. Es werden nur kurze Schulfeiern abgehalten, die an einigen höheren Schulen gestern bereits stattfanden.
  
Das Städt. Gymnasium und Realgymnasium beging den Gedenktag der 500jährigen Hohenzollernherrschaft am gestrigen Mittwoch Mittag durch eine würdige Feier, bei der Direktor Dr. Riepmann die Festrede hielt.

Benagelung eines „Hindenburg-Schwertes“
In unserer städtischen Fortbildungsschule entsteht zurzeit ein Wahrzeichen unserer großen Zeit, das Zeugnis ablegt von der Begeisterung und dem Opfermut ihrer Schüler und Schülerinnen. Ein „Hindenburg-Schwert“, zwei Meter lang, von Herrn Schreinermeister Zervas, nach einem von der Schule entworfenen Plane angefertigt und gestiftet, wird mit Nägeln zu 50, 20 und 10 Pf. beschlagen. Die Nagelung vollzieht sich in feierlicher Weise, und beim Einschlagen entringt sich nicht selten der jugendlichen Brust ein „Gott mit uns“, „Deutschland über alles“, oder „Gott strafe England!“ Es sind bereits 300 Mark eingegangen. Das Geld soll dem großen Feldmarschall zur Verfügung gestellt werden. Das Schwert wird aber zum bleibenden Andenken im Festsaal der Schule Aufnahme finden.

Der Bonner Männergesangverein Apollo veranstaltet heute abend 9 Uhr am Kaiser-Wilhelm-Denkmal zum Hohenzollerngedenktage und zum Geburtstag unserer Kaiserin eine vaterländische Feier unter Mitwirkung der Musik-Kapelle des hiesigen Landsturm-Bataillons.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

   

Anzeige im General-Anzeiger vom 21. Oktober 1915Eintragungen in die Landsturmrolle. Nach einer Bekanntmachung in der heutigen Nummer unseres Blattes werden alle im Stadtkreise Bonn sich aufhaltenden Wehrpflichtigen, die in der Zeit vom 1. Januar 1898 bis einschließlich 31. Oktober 1898 geboren sind und sich bisher noch nicht zur Landsturmrolle angemeldet haben, aufgefordert, sich bis spätestens den 1. November ds. Js. im hiesigen Militärbureau, Rathausgasse 26, zur Eintragung in die Landsturmrolle zu melden. Mitzubringen sind Geburtsschein und sonstige Ausweise.

Die philosophische Fakultät unserer Universität hat Herrn Geheimrat Staender zu seinem 50jährigen Doktorjubiläum das Doktordiplom erneuert. Die Urkunde ist zum erstenmal in deutscher Sprache abgefaßt.

Metallablieferung. Bekanntlich ist die Frist zur freiwilligen Ablieferung der Gegenstände aus Kupfer, Messing und Reinnickel am 16. Oktober abgelaufen. Alle Gegenstände, soweit sie durch § 2 der Verordnung vom 31. Juli ds. Js. betroffen werden und nicht abgeliefert worden sind, sind nunmehr beschlagnahmt und unterliegen der Meldepflicht bis zum 16. November ds. Js. Die Anmeldung hat unter Benutzung des vorgeschriebenen Meldescheins an das Oberbürgermeisteramt zu erfolgen. Die Meldescheine sind auf den Polizei-Kommissariaten unentgeltlich in Empfang zu nehmen. Der Wortlaut der Bekanntmachung wird in unserer Freitagsnummer zum Abdruck gebracht.

Anzeige im General-Anzeiger vom 21. Oktober 1915Im Liberalen Bürgerverein sprach gestern abend Prof. Dr. F. A. Schmidt über Kriegsbe­schädigte und ihre Arbeitsfähigkeit. Redner umschrieb das neu geprägte Wort im Gegen­satz zum früheren Kriegsinvaliden, den man in seiner traurigsten Gestalt mit Stelzfuß als Orgelsdreher und Hausierer noch im Gedächtnis habe. Heute sei die ärztliche gewerbliche Fürsorge bestrebt, den Kriegsbeschädigten, wenn nur irgend möglich, wieder seinem Be­rufe zuzuführen. Dies würde erreicht durch die Kunst in der Herstellung und im Ersatz ver­loren gegangener Gliedmaßen. Lange Jahre nach dem Kriege werde uns noch die Sorge beschäftigen, was wir mit allen denen anfangen wollten, die mit verstümmelten Gliedern heimkehrten und die wir doch um der Allgemeinheit und mehr noch um der Kriegsbeschä­digten willen selbst doch beschäftigen müßten. Die Zahl der Verwundeten, die mit dem Le­ben davon kämen, sei sehr groß; 75 Prozent würden wieder felddienstfähig. Das verdank­ten wir dem verbesserten Lazarettwesen, dem hohen Stande der ärztlichen Wis­senschaft und besonders den Fortschritten der modernen Chirurgie. Der Hospital­brand, der früher ganze Lazarette geleert, weder die Leichtverwundeten noch die Pfleger ver­schont habe, sei heute unbekannt. Die neuzeitliche Wundbehandlung, der neuzeitliche so schonende Transport der Verwundeten, die Fürsorge im Lande gestatteten heutzutage Glieder zu er­halten, die früher verloren gewesen seien. Die Frage sei nun die: Was soll mit den Ver­stümmelten geschehen? Da müsse das verlorene Glied durch ein neues künstli­ches er­setzt werden. Und zwar müsse hier der frühere ästhetische Kunstarm dem Arbeits­arme weichen. Der Ersatz für das eingebüßte Glied müsse so vollständig sein, daß der Verstüm­melte in der Lage sei, seinen früheren Beruf wieder auszuüben. Der Kriegsbe­schädigte müsse in den Stand gesetzt werden, in den eignen Beruf zurückzukehren und darin sich seinen Unterhalt wieder verdienen zu können. Zu hoffen sei, daß der Friedens-Arbeitswille unserer Kriegsbeschädigten ebenso stark sei, wie der Wille zum Siege zum Durchhalten im Kriege gewesen. Aber auch die Arbeitgeber müßten den Kriegsbeschädig­ten das nötige Entgegenkommen zeigen, Geduld mit ihnen haben und ihnen Arbeitsmög­lichkeiten schaf­fen.
   Der Kriegsbeschädigte dürfe nicht zum Almosen- und Rentenempfänger allein herabge­drückt werden; er müsse stark durch eigne Kraft und eignen Verdienst bleiben, ein freier aufrechter Mann, der sich seines Wertes bewußt sei.
   Anzeige im General-Anzeiger vom 21. Oktober 1915Der Vortragende zeigte dann einige künstliche Arbeitsarme, die es dem Verstümmelten er­möglichen, durch geschickt angepaßtes „Werkzeug“ alle möglichen Vorrichtungen und Ar­beiten zu erledigen. Da war der künstliche Arm eines Truppenkapellmeisters, mit dem er den Takt schlagen kann; da war ein reiner Arbeitsarm, der hämmern, stoßen, sägen, der Gabel, Löffel und Messer halten konnte. Briefe zeigten, daß auch mit künstlichem Arm oder Hand noch ganz hübsche Schrift möglich ist.
   Der Vortragende will in nächster Zeit sein Thema in einem erweiterten Vortrag mit Lichtbil­dern einem größeren Publikum zugänglich machen.
   In der Generalversammlung des Vereins, die dem Vortrage vorausging, erstattete der Ge­schäftsführer Herr Mützel, den Jahresbericht, der der Kriegszeit entsprechend stille Arbeit und nur ein Fest zur Ehrung des Altreichskanzlers zu dessen hundertsten Geburtstag auf­wies. Auch der Schatzmeister, Bankdirektor Weber, sprach von einem Kriegsjahr in der Kassenführung; immerhin konnte er noch eine Einnahme von 1500 Mark nachweisen und einen Mitgliederstand von 761. Der Beirat wurde neugewählt und zum Schluß sprach der Vorsitzende über die diesjährigen Stadtverordneten-Wahlen, die, wie die vorjährigen, auch unter dem Zeichen des Burgfriedens gehalten werden sollen. Zur Kandidatenfrage wird einen Versammlung in der nächsten Woche Stellung nehmen.

Der B. M.-G.-Verein „Apollo“ veranstaltet heute Donnerstag abends 9 Uhr am Kaiser Wil­helm-Denkmal aus Anlaß des Hohenzollern-Gedenktages und des Geburtstages der Kaiserin eine patriotische Feier unter Mitwirkung der hiesigen Landsturm-Kapelle.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

   

Kaiserinspende. Am Freitag, den 22. Oktober, zum Geburtstage der Kaiserin, findet die Sammlung von eingekochtem Obst (Gelees, Marmelade, Mus) und Fruchtsäften statt. Diese „Kaiserinspende“ soll den Truppen im Felde und in den Lazaretten zugeführt werden. Annahmestellen sind: Lese, Diskontobank und Oberbergamt, Zimmer 43, 8 Uhr früh bis 8 Uhr abends.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)