Dienstag, 21. September 1915
Eine graphische Wanderausstellung der Vereinigung nordwestdeutscher Künstler hat die Museumsleitung des Obernier-Museums vom 15. September bis 15. Oktober in ihrem neuen Ausstellungsraum untergebracht. Es handelt sich hauptsächlich um Radierungen, daneben Lithographien, Holzschnitte und einige Linoleumschnitte. Um es vorwegzunehmen, die Fülle des Gebotenen ist so reich, daß zu einer auch nur annähernden Charakterisierung aller 44 Aussteller einfach der Raum mangelt. Es sind wohl meist ältere Arbeiten, die den Käufern vor allem, die nicht allein für die Kriegsanleihe ihr Gehöriges zeichnen, sondern daneben unseren Künstlern gedenken können, in jeder Weise entgegenkommen. Der Krieg selbst wird insoweit auf seine Rechnung gestellt, als man sichtlich bestrebt war, einer möglichen Gediegenheit und – Einfachheit den Platz zu räumen. Launen und Moden, selbst dem so beliebten Impressionismus, ist man nach Möglichkeit aus dem Weg gegangen. Und wie nahe einem die schlichte deutsche Innigkeit wieder gekommen ist, merkt man recht eigentlich an dem duftfeinen Frauenlober Heinrich Vogler (Worpswede). Ich greife allein seine „Lärche“ heraus, diese rein seelische Belebung einer Lenauschen Stimmung. Darin kommt ihm überraschend nahe Else Raydt (Stuttgart) mit ihren fein kolorierten (Schwindt’schen) Märchenbildern. Überhaupt ist das Träumerische, das der Märchenstimmung nah verwandte stille, heimelnde Interieur oftmals liebevoll behandelt, so in den Lübecker Bildern des Behrens-Ramberg (vergleiche sein „Heinehaus“). Oder in dem kleinen Meisterwerk eines „leise verklingenden“ Sonnenstrahls der Anna Feldhusen (Bremen) in „Letzter Sonnenstrahl“. Auch Greve-Lindau (Berlin-Steglitz) findet diese Stimmung im „Garten im Herbst“. Seine wundersam zarten Birkenstämmchen wiegen sich wie verwunschene Märchenprinzeßchen. Cläre Neuhaus (München) in „Alte Gasse“ und Else Ruest (Hannover) in dem gelungenen „Johanneshof“ vor allen verfolgen dieselbe Linie. Ordentlich zurechtsuchen muß man sich dagegen bei den Szenen aus dem „Russischen Ballett“ oder dem übertrieben äußerlich wirkenden „Schwanenbildern“ der Anna Pawlowa des Ernst Oppler (Berlin). „Kenner“ von Friedrich Mißfeldt fällt etwas aus der Linie als zum „Simplizissimus“ gehörend, aber vor dem Kriege. Felix Weckeiser (Hamburg) ist dagegen in seinen „Stromer- und Speckjäger“-Bildern höchst originell und plastisch. So weiß er seinen ganzen Humor gleichsam in einen drollig heruntergelassenen, schmierigen Rockzipfel zu legen. [...] Mit Kopfschütteln geht man dagegen an Prof. Franz Heins (Leipzig) „Höllenzwang“ vorbei, das (man verzeihe!) wie der Titeldruck zu dem „Tagebuch einer Verlorenen“ oder so etwas anmutet. [... Ueberhaupt sind die „Bildnisse“ diesmal recht gut und - - natürlich geraten. Hans Volkert (München) im allerliebsten „Tochter Gertraud“, oder in den reif-herben Porträts vom „Lehrer“, dem „Bildhauer“, der „Großmutter“. Man denkt unwillkürlich an Illustrationen zu Gottfried Keller. Modern und sicher aufgefasst sind das „Frauenbildnis“ von Friedrich Schaper (Hamburg), vor allem sein „Bildnis (J.P.Kaysch)“ – Illustrationen zum Leben. In die gleiche Reihe setze ich Hugo Friedrich Hartmanns „Sklavinnen“. Ein Buch aufgeschlagener Seelenstimmung ist dieser Bildausschnitt. Stumme Resignation neben zerknirschter Lust, dumpfes Hinbrüten neben lachendem „Komme was will!“ Höchst charakteristisch und nicht zuletzt urgemütlich ist die „Bauernvisite“ des Prof. Alex. Eckener (Stuttgart). Sein „Ochsengespann“, ein kleines „Segantini“-Meisterwerk, ist wohl neben Hans am Endes (Worpswede) „Torfkanal“ die rein künstlerische Ausbeutung der Ausstellung. – Die Säle waren bei unserem Rundgang viel besucht von Feldgrauen. Wir bemerkten einen schmucken bayrischen Schifahrer neben einem eifrig in seinem Katalog kritzelnden Infanteristen. Sechs Tage Dienst, und am Sonntag erholt man sich eben auf diese Art. Er mag auch gerade aus dem Schützengraben kommen auf Erholungsurlaub. Ja, ja, wir sind halt „Barbaren“. H.Z.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Prinzessin Adolf zu Schaumburg-Lippe stattete gestern den Verwundeten des Reserve-Lazaretts im Leoninum einen längeren Besuch ab. Am kommenden Sonntag wird Prinzessin Viktoria am Kölschen Boor zur Nagelung erwartet.
Abfertigung in der Metallsammlung. Man schreibt uns: Es wird vielfach darüber geklagt, daß man oft stundenlang an der Sammelstelle warten muß, ehe man in der Lage ist, die für die Metallsammlung bestimmten Gegenstände abzuliefern. Nicht selten kommt es vor, daß einem nach längerer Wartezeit erklärt wird, die Annahme werde jetzt geschlossen und man solle am nächsten Tag wiederkommen. Diesen weiten Weg bis zum Städtischen Schlachthaus zweimal machen zu müssen, gehört wirklich nicht zu den Annehmlichkeiten, namentlich, wenn man mit einer Karre kommt, die bezahlt werden muß. Es wäre im Interesse der nationalen Sache wirklich dringend zu empfehlen, daß die Stadtverwaltung an mehreren Stellen in der Altstadt Kartenausgaben einrichtete und dann durch die Zeitung diejenigen Nummern veröffentlichte, die am folgenden Tage abgefertigt werden. Durch eine derartige Einrichtung würde das mehrmalige Hin- und Herlaufen, dazu noch oft mit schweren Lasten, vermieden werden.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Der Städtische Schlachthof hat gegenwärtig durch die in der alten Kühlhalle untergebrachten Metallsammlung großen Zulauf von Erwachsenen sowohl als auch von Kindern. Wiederholt habe ich festgestellt, daß Kinder im schulpflichtigen Alter zur Schlachthalle gingen und durch die geöffneten Türen zusahen, wie Vieh geschlachtet wurde. Dies müßte doch verhütet werden, denn ein solcher Anblick ist nichts für ein Kindergemüt. Es wäre rätlich, wenn irgendein Aufsichtsbeamter die Kinder von den Schlachthallen fortwiese. B.
Im Sinne des Deutschtums wäre es sehr zu begrüßen, wenn die vielen noch hängenden Plakate, wie z.B. Grand Marnier, Cusenier, Cinzano Vermouth Torino beseitigt würden. Man kämpft gegenwärtig gegen Fremdwörter wie Adieu, Saison usw., und man sollte sich daher auch gegen die Reklame für ausländische Erzeugnisse wenden. Also herunter mit solchen Plakaten. Das ist auch ein Sieg des Deutschtums. H.L.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Warnung. Trotz wiederholter Warnungen werden immer noch feuergefährliche Gegenstände, wie Streichhölzer, Benzin, Aether usw. mit der Feldpost verschickt. Als beklagenswerte Folge dieser verbotswidrigen Versendung ist wieder ein Brandunfall anzusehen, der in der Nacht vom 5. auf 6. September auf der Strecke Berlin-Thorn einen Eisenbahngüterwagen mit Feldpost für das Ostheer betroffen hat, wobei ungefähr 22.000 Päckchen verbrannt sind. Die Ursache des Brandes ist wahrscheinlich auf Entzündung von Streichhölzern zurückzuführen. Der Vorfall bildet eine neue ernste Mahnung, die Versendung von Streichhölzern oder andere leichtentzündlicher Gegenstände mit der Feldpost unbedingt zu unerlassen. Die Postverwaltung wird künftig jeden zu ihrer Kenntnis gelangenden Fall der verbotswidrigen Verschickung von Streichhölzern usw. in Feldpostsendungen den Gerichten zur Verfolgung auf Grund des § 367 5a des Strafgesetzbuches übergeben.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)