Donnerstag, 9. September 1915

   

Anzeige in der Deutschen Reichs-Zeitung vom 9. September 1915Alle als dauernd dienstunfähig aus dem Militärverhältnis entlassenen, militärisch ausgebildeten Personen aus dem Stadt- und Landkreise Bonn müssen sich am übermorgigen Samstag beim Bezirkskommando zur Landsturmrolle anmelden. Wir verweisen auf die Bekanntmachung des Bezirkskommandos in dieser Nummer.

Unsere jüdischen Mitbürger feiern heute und morgen ihr Neujahrsfest. Sie beginnen das 5776. Jahr ihrer Zeitrechnung.

Zwei infizierte Versuchskaninchen sind aus dem Stalle eines hiesigen Instituts gestohlen worden. Da der Genuß ihres Fleisches unbedingt zu Erkrankungen führen würde, seien die Diebe und ihre etwaigen Angehörigen hiermit gewarnt.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

  

Anzeige in der Deutschen Reichs-Zeitung vom 9. September 1915Vorboten des Herbstes. In diesem Jahre haben sich die Morgennebel früher als sonst eingestellt. In den frühen Morgenstunden ist der Nebel oft derart dicht, daß der Fuhrverkehr, namentlich vor der Stadt, nur mit größter Vorsicht aufrecht erhalten werden kann. Auf dem Rhein wogen die wallenden Nebelschwaden so dicht, daß der Frachtverkehr erst in den späten Morgenstunden einsetzen kann. Solche Nebeltage bringen, besonders wenn sie starker Tau mit ihnen verbunden ist, in der Regel tagsüber schönes Wetter.

Deutscher Gruß. In Gerolstein in der Eifel steht über der Tür eines Gastzimmers folgender beherzigenswerter Spruch:
„Gehst, Fremder, du zu dieser Tür hinaus,
Sprich nie den welschen Gruß ‚Adieu’ mehr aus;
Sag: ‚Lebewohl’, ‚Grüß Gott’, ‚Auf Wiedersehn’!
Nur so darfst du als Deutscher von uns gehen!“

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

  

Anzeige in der Deutschen Reichs-Zeitung vom 9. September 1915Die Hühnerjagd ist eröffnet und verspricht, wie man allgemein hört, einen guten Ertrag. Die Vermehrung des Wildes ist wohl darauf zurückzuführen, daß viele Jäger beim Militär sind, und dadurch der Abschuß stockte. Aber auch die schöne warme Witterung hat das ihrige dazu beigetragen, weil dadurch auch die jungen Hasen gut aufgekommen sind. Ebenso ist die Jagd auf Wachteln und schottische Moorhühner eröffnet.

Gefährdung von Eisenbahnzügen. Die Königliche Eisenbahnverwaltung in Köln hat darauf aufmerksam gemacht, daß in letzter Zeit häufiger auf fahrende Züge geworfen und auch geschossen worden ist. Die Königliche Regierung ersucht deshalb die Lehrer und Lehrerinnen, die Kinder vor diesem Unfuge nachdrücklich zu verwarnen.

Das Ende der großen Ferien. Die großen Ferien sind zu Ende. Donnerstag, den 9. d. Mts. beginnt für die schulpflichtige Jugend wieder die Zeit der Arbeit. Es gilt aus der Zeit der Ungebundenheit und des sommerlichen Träumens, sich zurückzufinden im Alltag mit seinen nicht immer leichten Ansprüchen. Die Knaben und Mädchen, die nun wochenlang kaum etwas anderes getan haben, als das, was ihnen Vergnügen bereitete, müssen sich wieder an regelmäßige Arbeit, an Pünktlichkeit und Ordnung gewöhnen. Man darf nicht mehr den ganzen Tag im Freien herumtollen, spielend und sorglos dahinleben, ohne an das Morgen zu denken. Die Aufgabe ist es wieder, für den kommenden Tag vorzubereiten, Vergessenes nachzuholen und Schularbeiten zu machen. Reisen wurden während der Kriegsferien nicht so viel wie sonst gemacht. Dagegen wurden hübsche Ausflüge in die prächtige Umgebung unternommen.

Anzeige in der Deutschen Reichs-Zeitung vom 9. September 1915Wahrsageunfug. In den Zeitungen wird neuerdings wiederholt und häufiger als früher über das Ueberhandnehmen des Wahrsageunfugs geklagt. Nun ist zwar erfreulicherweise den Wahrsagerinnen schon lange die Möglichkeit genommen, ihre angebliche Kunst öf­fentlich anzupreisen. Doch finden sie anscheinend noch immer dunkle Wege und Hinterp­förtchen, durch die sie ihre leichtgläubige Kundschaft heranlocken. Besonders häufig fin­det man un­ter ihren Kunden Frauen und Bräute von Kriegern, in der grotesken aber leider oft festen Überzeugung, daß der abgestandene Kaffeesatz oder die abgegriffene Spielkar­te eine Deutung über das Schicksal ihrer Lieben im Felde geben könne. Freilich hat die Er­fahrung gelehrt, daß es meist gegen Windmühlen kämpfen heißt, wenn man hartnäckigen Aber­glauben besiegen will. Am schlimmsten ist die unerfreuliche Tatsache, daß vielfach auch Damen der höheren Stände, statt Vorkämpferinnen gegen diesen Unfug zu sein, selbst der Unsitte fröhnen, sich wahrsagen zu lassen. Dem Staate kann es aber nicht gleichgültig sein, wenn nicht unbeträchtliche Teile des Vermögens in die Hände skrupello­ser Ausbeute­rinnen übergehen, wie es die Wahrsagerinnen meistens sind, und so nützli­chen Zwecken gerade jetzt im Kriege entzogen werden, ganz abgesehen von der morai­schen Verwerf­lichkeit und ethischen Widersinnigkeit des ganzen Treibens. Möchte daher in der Bevölke­rung jeder, der im Besitze gesunden Menschenverstandes ist, die Behörden bei der Unter­drückung dieses Treibens unterstützen, indem er ihnen Mitteilung macht, wenn er Beweise für den Betrieb der Wahrsagerei beibringen kann, der in der Regel nichts anderes ist als Betrug.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)