Sonntag, 5. September 1915

  

Anzeige im General-Anzeiger vom 5. September 1915Der Ausschuß zur Regelung der Brot- und Mehlversorgung hat in seiner gestrigen Sitzung die in der Stadt Bonn zu gewährende Wochenkopfmenge an Brot vom 16. September ab auf 3 ¾ Pfund (bisher 3 ½ Pfund) festgesetzt, nachdem die zu verbrauchende Mehlmenge seitens der Reichsgetreidestelle erhöht worden ist. Entsprechend dem Mehrgewicht wird sich natürlich auch der Preis des Fein- und Schwarzbrotes um 5 Pfg. erhöhen. Jeder körperlich schwer arbeitenden Person darf außerdem noch ¼ des 3 ¾ pfündigen (bisher 3 ½ pfündigen) Brotes wöchentlich mehr verabfolgt werden.
   Ferner wurde beschlossen, die neuen Brotbücher für die Zeit vom 26. September 1915 bis Ende September 1916 am Sonntag den 26. September d. J., in noch näher anzugebenden Ausgabestellen zu verabfolgen. Die Aushändigung des neuen Brotbuches erfolgt nur gegen Rückgabe des bisherigen Buches. (...)

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

   

Das außerordentliche Kriegsgericht verhandelte gestern unter dem Vorsitz des Herrn Landgerichts-Direktors Douqué gegen die Tagelöhnerin Witwe Ludwig Höfer, Agnes geb. Geißhecker, 48 Jahre alt, aus Lengsdorf, wegen Mordes. Am 12. Juli ds. Js. kam die Angeklagte in ein Haus in der Nachbarschaft ihrer Wohnung und sagte, die Ehefrau Gottfried Schönfeld aus Lengsdorf, bei der sie im Hause wohne, liege tot in ihrer Küche. Diese Nachricht überbrachte sie auch dem Ehemann der Toten. An ihrer Bluse bemerkte man sofort Blutspritzer, ebenso an ihrem Gesicht und ihrer Schürze. Der Ehemann entdeckte auch sofort, daß ihm über 300 Mark aus einem Vertikow gestohlen waren. Die Leiche der Ermordeten wies nicht weniger als 23 Verletzungen auf, die mit einem Beil beigebracht waren, das der Angeklagten gehörte und sich in ihrer Wohnung später versteckt vorfand. Auch wurden ein Paar blutbefleckte Pantoffeln auf ihrem Speicher versteckt aufgefunden und in ihrem Holzstall fand man versteckt das Geld bis auf eine kleine Summe, die später in ihrem Bett entdeckt wurde.
   Die Angeklagte, eine dunkelblonde, mittelgroße Persönlichkeit, mit ziemlich energischem Gesichtsausdruck, leugnete die Tat. Sie habe der Verstorbenen nichts getan. Sie habe auch nicht gewußt, wo sie ihr Geld gehabt habe. Bei dieser Ausrede blieb sie, obwohl ihr Offizial-Verteidiger, Herr Justizrat Dr. Abs ihr ernstlich zugeredet hatte, die Anzeige im General-Anzeiger vom 5. September 1915Wahrheit zu bekennen. Die Zeugenvernehmung ergab, daß die Angeklagte wegen Diebstahls dreimal vorbestraft ist. Sie hatte ein Verhältnis mit einem Soldaten, der sie in seinen Briefen wiederholt gedrängt hatte, ihm Geld zu schicken. Sie bezog nur 25 Mark Pension und man war allgemein der Ansicht, daß sie auf unredliche Weise Geld erwerben müsse, um leben zu können. Als sie nach der Tat auf die Blutflecken an ihrer Schürze aufmerksam gemacht wurde, wusch sie die Schürze aus, wurde aber von dem Polizeibeamten Amzehnhoff daran gehindert, das blutige Wasser wegzugießen. Das Beil hatte sie inzwischen gereinigt. Sie behauptete, ihr Liebhaber habe es gebraucht, um Kaninchen damit zu schlachten. Durch eine sachverständige Untersuchung wurde aber festgestellt, daß sich dort, wo der Stiel in das Eisen eingefügt war, Menschenblut befand.
   Der Berichterstatter beantragte gegen die Angeklagte die Todesstrafe. Man könnte auf den ersten Augenblick geneigt sein, anzunehmen, daß ein Verbrechen gegen § 214 (Totschlag bei Begehung eines Verbrechens) vorliege. Das sei aber nach dem ganzen Tatbestand ausgeschlossen. Frau Schönfeld habe kurz vor ihrem Tod Gemüse aus dem Garten geholt und sei mit dessen Reinigung beschäftigt gewesen. Wollte man annehmen, daß die Angeklagte von ihr beim Diebstahl überrascht worden sei, so sei es unerklärlich, daß sie das Gemüse schon zum Teil gereinigt habe. Justizrat Dr. Abs war der Ansicht, daß ein Verbrechen gegen § 214 vorliege. Das außerordentliche Kriegsgericht verurteilte die Angeklagte zum Tode und zum Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte. Die Angeklagte hörte das Urteil größter Gleichgültigkeit an.

Fußballwettspiel. Sonntag Nachmittag findet auf dem Sportplatz an der Rich.-Wagner-Str. ein Fußballwettspiel der 1. Mannschaft des Bonner Fußball-Vereins gegen die 1. Militär-Mannschaft des Inf.-Regt. 16 in Mülheim a. Rhein statt. Die spielstarke Militärmannschaft, die bereits gegen mehrere tüchtige Mannschaften Westdeutschlands mit Erfolg gespielt hat, wird den Einheimischen eine schwere Nuß zu knacken geben.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)