Sonntag, 29. August 1915

   

Anzeige im General-Anzeiger vom 29. August 1915Spendet Wein für unsere Truppen. Man schreibt uns: Ein überreicher Herbst steht bevor, und wahrscheinlich wird der 1915er auch an Güte den Wein früherer Jahre reichlich übertreffen. Es wird, wenn nicht alle Anzeichen trügen, Mühe kosten, den neuen Wein zu bergen. Raum schaffen für den neuen, das wird jetzt die Losung sein müssen. Unter diesen Umständen wird umso eher die dringende Bitte Gehör finden, sich zu einem vaterländischen Opfer zu entschließen und von den älteren Weinen möglichst reiche Mengen für unsere braven Truppen zu spenden, die mit Leben und Gesundheit die größten Opfer für uns daheim Gebliebene bringen. Mittel zum Ankauf der begehrten Gaben stehen dem Roten Kreuze in ausreichender Menge nicht zur Verfügung. Wir vertrauen aber darauf, daß unsere Tapferen auf die Erquickung, die ihnen ein Schluck Wein nach langen Märschen, nach hartem Kampfe bietet, deshalb nicht zu verzichten brauchen, sondern daß diese bewährte rheinische Freigiebigkeit und Opferwilligkeit ihnen gerne zu solchem Labsal verhelfen werden. An alle, die dazu irgend imstande sind, ergeht daher die herzliche Bitte, dem Mahnruf, der in diesen Worten liegt, zu folgen. Spenden nimmt dankbar entgegen die Abnahmestelle freiwilliger Gaben Nr. 1 für das 8. Armeekorps in Koblenz.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

   

Anzeige im General-Anzeiger vom 29. August 1915Fünfpfennigstücke aus Eisen. Die Reichsfinanzverwaltung ist bekanntlich vom Bundesrat ermächtigt worden, eiserne Fünfpfennigstücke prägen zu lassen, und zwar, wie wir hinzufügen können, bis zum Betrage von 5 Millionen Mark. Demgemäß können also 100 Millionen eiserne Fünfpfennigstücke geprägt und in Umlauf gesetzt werden, wenn ein Bedürfnis dafür vorliegt, was sich heute noch nicht übersehen läßt. Die Stücke werden denselben Umfang erhalten wie die Nickel-Fünfpfennigstücke, aber dicker geprägt werden, damit sie dasselbe Gewicht bekommen wie diese. Auf diese Weise werden auch die Beutel gleicher Größe, in denen die Stücke in den Verkehr gelangen, dasselbe Gewicht aufweisen, einerlei ob sie aus eisernen oder aus Nickelstücken oder aus beiden bestehen. Spätestens nach zwei Jahren nach Beendigung des Krieges sollen die eisernen Stücke wieder aus dem Verkehr gezogen werden. Für die bestehenden Fünfpfennig-Automaten können die neuen Stücke, weil dicker, nicht benutzt werden, wenn die Einwürfe nicht entsprechend vergrößert werden. Für sie müssen also Nickelstücke weiter benutzt werden, Eine Prägung eiserner Zehnpfennigstücke ist nicht beabsichtigt.

Den Schaffnerinnen unserer Straßenbahn hat eine hiesige Dame, die nicht genannt werden will, je ein vaterländisches Abzeichen in Silber zum Geschenk gemacht. Im ganzen wurden 29 Broschen an die Schaffnerinnen verteilt.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

Anzeige im General-Anzeiger vom 29. August 1915

Godesberg, 27. Aug. Ein ergötzliches und wiederum erhebendes Bild bot gestern unsere Jugend, die schon während der ganzen Kriegszeit, namentlich in den jetzigen Herbstferien, an nicht anderes mehr denkt und nichts höher einschätzt, als die Betreibung von Kriegsspielen und soldatisches Exerzieren. Diese kleinen Kerlchen nötigen allen Zuschauern unwillkürlich das größte Interesse ab und zeigen unter sich eine staunenswerte Organisation. In jedem Ortsteile befinden sich derer mehrere Gruppen. Gestern abend nun hatten sich anläßlich der Siegesbotschaft über den Fall der Festung Brest-Litowsk die sämtlichen Ortskompagnien unter ihren einzelnen „Kommandanten“ punkt 8 Uhr auf dem Moltkeplatz eingefunden zur Veranstaltung eines Fackelzuges durch den Ort. Der Höchstkommandierende, ein Kerlchen von 10 Jahren, leitete das Ganze. An der Spitze des wohlgeordneten Zuges durch die Straßen des Ortes wurde eine Dreibundsfahne in den deutsch-österreichisch-türkischen Farben getragen, auf mehreren Fahrrädern saßen stolz achtjährige Knirpse, hintern folgten die kriegsmäßig ausgerüsteten einzelnen Kompagnien mit Fahnen, Kanonen, Krankenwagen, Tragbahren u. dergl. Es war eine Lust, dieses Bild anzusehen, und alles eilte vor die Häuser als Zuschauer. Die Zugschar zählte mehrere Hunderte von vier- bis zehnjährigen kleinen Zukunftshelden, die aus voller Kehle die Soldaten- und Vaterlandslieder gewichtig und begeistert sangen. Nach der musterhaft verlaufenen Ovation, die ohne jede Anleitung von Erwachsenen erfolgt war, endete der Zug gegen 9 Uhr wiederum auf dem Moltkeplatz, wo die Schar auf eine Aufforderung des Höchstkommandierenden hin ein brausendes Hoch auf unseren Kaiser ausbrachte und „Heil dir im Siegerkranz“ sang.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Von Nah und Fern.“)

Ursachen der Teuerung. Ein Gang ins Freie ist belehrend. Er bietet Gelegenheit, manches zu sehen und Stoff zum Nachdenken. Jüngst kam ich an einem Kartoffelfeld vor­bei. Es war eine Spätsorte und das Laub noch ganz grün. Man war aber schon jetzt am Ausmachen. Der Pflug hatte bereits die Hälfte gewaltsam aus ihrer dunklen Wohnung ans ungewohnte Licht befördert; und nun lagen die erst halb zur Entwicklung gekommenen ar­men Schlachtopfer an der Oberfläche. Was der Krieg auf den Schlachtfeldern mit den jun­gen Menschenleben macht, das vollbringt er hier an den Kartoffeln und zwar mit Hülfe der­selben Hand, die sie gepflanzt. Ein Bild grausamer vorzeitiger Zerstörung. Eine Grau­samkeit, die übrigens heute einem jeden Marktbesucher auch noch aus unzähligen Körben voll Aepfeln entgegengrinst. Und das Motiv dieser ruchlosen, jeder Vernunft hohnspre­chenden Handlungsweise? Die Habsucht, welche Nächstenliebe und Gottvertrauen im Herzen des Menschen zerstört. Man berechnet sich heute für einen Zentner unreifer Frucht denselben Preis, wie im Spätherbst für zwei Zentner reifer Frucht. Daß aber von zwei Zentnern doppelt so viel Menschen ernährt werden können, daß ferner die unreife Frucht, wenn nicht, wie bei Obst, eine große Menge Zucker zugesetzt wird, lange nicht so nahrhaft, zudem auch gar nicht aufbewahrungsfähig ist und infolgedessen die Kalamität einer Teuerung nicht gehoben, sondern verschlimmert wird, dahin fehlt den habsüchtigen Menschen jedes Gefühl.
   Wenn solche Krebsschäden in landwirtschaftlichen Kreisen keinen Abscheu hervorrufen und zur Ergreifung von Vorbeugungsmitteln Veranlassung geben, dann dürfte das wohl als höchst bedauerlich empfunden werden müssen. Rektor Joh. Lambertz

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)

   

Anzeige in der Deutschen Reichs-Zeitung vom 29. August 1915Bringt das Gold zur Reichsbank. Obgleich feststeht, daß sich noch hunderte von Millionen Mark an Goldmünzen in den Händen des Publikums befinden, haben die Rückflüsse in die Kassen der Reichsbank in den letzten Monaten ganz erheblich nachgelassen. Es ergeht daher von neuem die dringende Aufforderung, vorhandene Goldmünzen – und sei es nur eine 10-Mark oder ein 20-Mark-Stück – sobald als möglich bei der Reichsbank umzutauschen. Niemand möge denken, daß es auf seine Goldmünzen nicht ankomme; jedes einzelne Stück ist von Wichtigkeit. Auch diejenigen, welche Goldmünzen einsammeln, werden gebeten, in ihrer Tätigkeit nicht zu erlahmen und nicht eher zu ruhen, als bis die letzte Goldmünze aus ihrem Versteck herausgeholt und der Allgemeinheit nutzbar gemacht ist. Angesichts der herrlichen Waffentaten unserer tapferen Streiter, muß es für alle zu Hause Gebliebenen eine Ehrenpflicht sein, hinter der Front an der finanziellen Rüstung des Vaterlandes mitzuarbeiten, wozu auch die Ablieferung der Goldmünzen an die Reichsbank gehört. Jeder suche daher auf diese Weise im Eifer für des Reiches Wohl den Helden draußen im Felde gleichzukommen.

Noch kein Wegziehen der Schwalben! Man konnte während der letzten Tage vielfach beobachten, wie ganze Scharen Schwalben auf Telephon- oder Telegraphendrähten sich ansammelten und zwitschernd hin und her flogen. In der Zoologie Unkundige deuteten daraus, daß die leichten Segler der Lüfte sich schon zu ihrem Zig nach Süden (Afrika) rüsteten. Dem ist aber nicht so, denn bekanntlich verlässt die Schwalbe erst Ende September unseren Breitengrad, um in wärmerem Klima zu überwintern, und zwar ist meistens der Michaelistag der Tag ihrer Abreise. Höchstens wenn sich abnorm früher und kalter Winter einstellt, so ziehen sie schon gegen den 21. September weg. Der berühmte Naturforscher Brehm setzt auch die Zeit ihrer Abreise auf Ende September. Gemüter, welche aus obigem Gebahren der Schwalben ihren Wegzug oder den nahenden Winter befürchten, mögen sich deshalb beruhigen. Diese Ansammlungen auf den Telegraphendrähten sind nur Flugübungen, welche die alten Schwalben mit ihrer jungen Brut machen.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)