Freitag, 27. August 1915

    

Anzeige im General-Anzeiger vom 27. August 1915Brest-Litowsk gefallen! Die Siegesbotschaft von der Einnahme von Brest-Litowsk, der letzte russischen Festung in Polen, erweckte gestern nachmittag wieder allgemeine Freude. Bald nach dem Eintreffen der Siegesbotschaft läuteten die Kirchenglocken und auch die Fahnen wurden zu Ehren unserer tapferen deutschen und österreichisch-ungarischen Truppen wieder gehißt.

Ein neuer Rheindampfer. Die Köln-Düsseldorfer-Dampfschiffahrts-Gesellschaft läßt bei Gebrüder Sachsenberg in Köln-Deutz ein neues Personen- und Güterschiff nach Art der „Kronprinzessin Cecilie“ bauen. Der Rumpf liegt bereits im Köln-Mühlheimer Hafen, auch die Kessel sind dieser Tage eingesetzt worden.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

    

Brest-Litowsk. Zu einer wundersamen Symphonie klangen gestern nachmittag die Glocken der Bonner Kirchen zusammen. Sie läuteten zum Siege über Brest-Litowsk. Keine Meldung vom Kriegsschauplatz kam so überraschend, als der Bericht aus dem Großen Hauptquartier, daß das stärkste Bollwerk Russisch-Polens in die Hände der Verbündeten gelangt sei. Noch hatten wir nicht die Nachricht gehabt, daß irgend ein Fort, von der Einnahme von Befestigungen abgesehen, gefallen sei, da kam schon die Drahtmeldung, daß wir bereits in das Kernwerk der Festung eingedrungen und die Russen das riesige Bollwerk preisgegeben hätten. Ebenso überraschend wie bedeutungsvoll ist dieses Ereignis, das in Verbindung mit den starken Erfolgen auf den übrigen Kampfplätzen des Ostens uns mehr und mehr zu der Auffassung hinneigen läßt, daß die Kraft des russischen Bären gebrochen und mit dem Fall von Brest-Litowsk ein neuer bedeutender Kriegsabschnitt beginnt, de uns den endgültigen Sieg über unsere Gegner verbürgt.
  
Möge dem so sein, mögen die Flaggen, die heute wieder auf den Häusern unserer friedlich daliegenden alten lieben Bonns wehen, uns das Zukunftsbild deuten, daß die riesigen Leistungen der verbündeten Heere zum Segen des Vaterlandes und zur Wohlfahrt der gesamten Weltkultur vom vollen Siegespreis in dem großen Weltringen gekrönt werden.

Besichtigungen von Sehenswürdigkeiten durch Verwundete. Den vom Reservelazarettdelegierten Rentner C. Henry allwöchentlich für Donnerstags eingerichteten Besuchen von Sehenswürdigleiten der Stadt Bonn und Umgebung schloß sich gestern ein Ausflug nach Brühl an. Annähernd 800 Verwundete der hiesigen Lazarette besuchten das Brühler Schloß; ein Extrazug führte am Nachmittag dorthin. Nach einem Spaziergange durch den Park vereinte ein kühler Trunk die Soldaten in der Schlossbrauerei. Um ½ 8 langten die Teilnehmer hier wieder an.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

Anzeige im General-Anzeiger vom 27. August 1915Elektrische Bahn nach Dottendorf. Kaum ist die Linie eröffnet, so beginnen auch schon die Klagen, daß der Fahrpreis zu hoch sei und zwar deshalb, weil die Fahrt nach Rheindorf vom Friedrichsplatz aus nur 10 Pfg. koste, nach Dottendorf aber von der Pop­pelsdorfer Alle aus 15 Pfg. Dabei sei die Linie nach Rheindorf nur 50 Meter kürzer als die nach Dottendorf. Bekanntlich kosten drei Teilstrecken 10 Pfg. Jede Teilstrecke ist durch­schnittlich 850 Meter lang. Die Teilstrecke von der Husarenstraße bis Rheindorf, ist aber weil dort keine Haltestelle war, 1000 Meter lang. Und zudem muß doch irgendwo eine Grenze sein. Mit drei Teilstrecken ist die Pützstraße in Kessenich mehr als erreicht, sodaß der Fahrpreis von 15 Pfg. nach Dottendorf mit Recht erhoben wird.
   Berücksichtigt man nun, welche Wertsteigerung der Häuser und des Grundbesitzes in Dot­tendorf durch die Bahn eingetreten ist – daß irgend einer der Grundbesitzer von seinem beanspruchten Eigentum unentgeltlich etwas abgetreten hat, hat man nicht gehört – so muß man sagen, die Dottendorfer hätten eigentlich allen Anlaß, dafür zu danken, daß die Elektrische jetzt bis Dottendorf durchgeführt ist. Für die „armen“ Marktfrauen machen 5 Pfg. bei den heutigen Marktpreisen doch wahrhaftig nichts aus. Und die Beamten und Ar­beiter werden sich sicher nicht beklagen, daß sie im Abonnement etwas mehr bezahlen müssen.
   Dazu kommt, daß die elektrische Bahn für den Stadtsäckel ein Schmerzenskind ist, denn sie beansprucht jährlich noch immer bedeutende Zuschüsse. Ein alter Bonner.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)

     

Keine Erweiterung der Landsturmpflicht. Aus vielen Anfragen geht hervor, daß in weiten Kreisen die Meinung besteht, bei der Aenderung des Reichsmilitärgesetzes sei die Erweiterung der Landsturmpflicht über das 40. Lebensjahr hinaus beschlossen worden. Wie das Köln. Tagebl. erfährt, sind die hierüber verbreiteten Gerüchte unzutreffend. Ein solcher Beschluß ist vom Reichstag nicht gefaßt worden und liegt der gegenwärtigen Tagung nicht zur Beschlußfassung vor.

Unberechtigt hohe Pflaumenpreise. Vor einigen Tagen wollte ein Bonner Bürger in einem Orte auf der anderen Rheinseite Pflaumen kaufen. Als er sich nach dem Preis erkundigte, hieß es, der Zentner koste 15 Mark. Auf seine Verwunderung hin wurde gesagt, daß die Pflaumen sonst 5 – 6 Mk. gekostet hätten, es seien aber Händler gekommen, die höhere Preise geboten hätten. Sollte dies der Fall sein, so wäre es an der höchsten Zeit, diesen Preisverteuern doch endlich das Handwerk zu legen. Die Behörde hat Mittel genug dazu, auch ist es jetzt noch Zeit genug.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)