Donnerstag, 19. August 1915

  

Der städtische Gemüseverkauf auf dem Markt und in dem Laden an der Sternstraße findet noch immer lebhaften Zuspruch, da die Preise für alle feilgehaltenen Gemüsearten und für Kartoffeln erheblich niedriger sind, als im privaten Handel. Sehr häufig kann man hören, daß die Händler ihre höheren Preise mit der Behauptung beschönigen, die städtischen Waren seien minderwertig. Das ist durchaus nicht der Fall. Die von der Stadt verkauften Kartoffeln sind, obwohl sie 1 bis 2 Pfg. das Pfund billiger sind, ausgereifter und dicker als durchweg die im privaten Handel angebotenen, und das städtische Gemüse kann auch jeden Vergleich aushalten. Außer Gemüse und Kartoffeln verkauft die Stadt jetzt auch Obst, Birnen zu 10 Pfg. und Aepfel zu 12 Pfg. das Pfund.

Anzeige im General-Anzeiger vom 19. August 1915Eine Bonner Lazarett-Zeitung wird jetzt vom Ausschuß für Kriegsbeschädigten-Fürsorge herausgegeben. Die Schriftleitung hat Herr Fortbildungsschuldirektor Bins, Satz und Druck werden von der Buchdruckerklasse der hiesigen gewerblichen Fortbildungsschule geliefert. Die neue Zeitung hat den Zweck, die in den hiesigen Lazaretten untergebrachten Verwundeten über alles für sie besonders Wissenswerte, namentlich über die Einrichtungen, die für sie getroffen sind, auf dem Laufenden zu halten. Die erste Nummer der Bonner Lazarett-Zeitung vom 15. August macht einen sehr gefälligen Eindruck. Satz und Druck sind tadellos. Aus dem Inhalt der 16 Großoktavseiten sei hervorgehoben: Erntegebet 1915 von Max Heidorn; Wie kann der Kriegsbeschädigte selbst dazu beitragen, arbeitsfähig zu werden? Von Dr. Richarz, leitendem Arzt des Vereinslazaretts Glückauf; Bleibe in deinem Berufe; Gruß an den Rhein von Landsturmmann Morhenn aus Bonn, zurzeit in Libramont; die Beschreibung einer Anzahl empfehlenswerter Spaziergänge in und bei Bonn usw. Es wird mitgeteilt, daß die Delegierten der hiesigen drei Reservelazarette, die Herren Karl Henry, Th. Schoppe und E. Tilger, geschäftliche und sonstige Angelegenheiten der Verwundeten vertraulich zu regeln bereits sind und daß die Schriftleitung in einem „Briefkasten“ Fragen der Kriegsbeschädigten beantworten will. Die Bonner vereinigten Frauenvereine laden zum Besuch ihres Nachmittagsheims für Verwundete, Koblenzer Straße 90, ein. Zum Schluß findet man die Ankündigung, daß die Bonner Vaterländischen Vereinigungen zur Belohnung der besten in den Lazaretten angefertigten Handarbeiten für eine demnächste Ausstellung 50 Mark bereitgestellt haben.

Der Sieg von Kowno. Eine frohe Siegesnachricht brachte der Telegraph gestern vormittag bald nach 10 Uhr: Die starke und wichtige russische Festung Kowno ist mit allen ihren Fort in deutschem Besitz. Unzähliges Material, darunter weit über 400 Geschütze, ist in die Hände der deutschen Sieger gefallen. Die Erstürmung dieser starken Festung bedeutet wieder einen guten Schritt vorwärts auf dem unaufhaltsamen Siegeszuge der verbündeten deutschen und österreichisch-ungarischen Truppen in Rußland und auf dem Wege zum endgültigen Siege und glücklichen Frieden. Die Freudenbotschaft wurde auch von den Kirchenglocken durch feierliches Geläut verkündet, und zu den vielen Fahnen, die schon zu Ehren des greisen Kaisers Franz Joseph herausgesteckt waren, gesellten sich schnell noch zahlreiche andere Fahnen in deutschen und österreichischen Farben.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

  

Der Sieg von Kowno. Und abermals flattern die Fahnen im Winde und hoch vom Münster und von den übrigen Türmen in Stadt und Land erklangen die Glocken zum Siegesgeläute. Nicht lauter Jubel erfüllte die Straßen, aber die stille Zuversicht, daß es im Osten den deutschen Waffen in Gemeinschaft mit der Tatkraft unseres Verbündeten beschieden sein wird, die russischen Heere gänzlich zu Boden zu ringen, stärkte sich beim Eintreffen der großen Siegesbotschaft von dem Fall der Festung Kowno. (...)

Anzeige im General-Anzeiger vom 19. August 1915Keine Männerkleidung zu Vogelscheuchen. Da in letzter Zeit aus Gefangenenlagern der Provinz Schlesien mehrfach Gefangene entflohen, sind die Landwirte und Gartenbesitzer ersucht worden, keine Männerkleidung für Vogelscheuchen zu verwenden, um den flüchtenden Gefangenen die Möglichkeit zu nehmen, ihre Uniform mit Zivilkleidung zu vertauschen. Es wird empfohlen, die Vogelscheuchen in den Feldern, Gärten usw. mit Frauensachen und Lumpen zu bekleiden.

Die Verwundeten der Beethovenhalle hielten gestern im Garten der Halle ein Volksfest ab, dessen Kern, wie es sich deutschen Kriegern geziemt, ein Schießfest bildete. Und wie üblich, Rheinländer hatten sicher die Mehrheit im Festausschuß, herrschte ein recht bewegtes, fröhlich munteres Treiben auf dem Festplatz. Das Fest war auf breitester Grundlage aufgebaut; nichts fehlte, was auf den großen Schützenfesten, wie etwa dem Deutzer, anzutreffen ist, mit Ausnahme alles dessen, was mit Braten und Backen zusammenhängt. Das entschuldigt der Krieg. (...)
   Dann war auch ein Schützengraben da, den Russen, Franzosen und Engländer und ein kohlrabenschwarzer Mohr mit Maschinengewehr, einer Rassel und reichlichem Schießen verteidigten. Beworfen wurde der Schützengraben mit Handgranaten, und wenn der Mohr (er war lebendig) nicht getroffen wurde, streckte er seine blutrote Zunge heraus. Das soll auch draußen vorkommen.
   Zum Volks- und Schützenfest gehört auch ein Festzug, und der zog auch durch den Garten und zwischen Buden her. Voran die Landsturmkapelle mit Meister John an der Spitze; ihr folgten ein halbes Dutzend Vereine mit ihren Bannern und Anführern mit gezogenem Pallasch. Sie erwiesen dem Chefarzt des Lazaretts, Herrn Sanitätsrat Professor Dr. F. A. Schmidt, die gehörige Ehrerbietung, zogen zweimal vorbei und bildeten dann einen Kreis. In ihrem Zuge aber hatten sie ein festlich geschmücktes Wägelchen mitgeführt und in diesem saß ein festlich geschmückter Herold. Der sprach dann kurz aber treffend zu den Festgenossen: Wie vor Jahr und Tag der Kaiser sein Volk aufgeboten zu Wasser und zu Land gegen die hinterlistigen, übermächtigen Feinde. Freudig seien alle hinaus in den Krieg gezogen, den Lieben daheim zum Trost ein Wiedersehen bietend. Nicht alle aber hätten Heimat und Ihrige wiedergesehen. Die Versammelten hätten, wenn auch verwundet, das Glück des Wiedersehens gehabt. Nun harrten sie hier ihrer Genesung und Wiederherstellung. Die hätten sie der Kunst der Aerzte und der aufopferungsvollen Pflege der Schwestern zu danken. Sollte nun doch noch einmal der Ruf an die Gesundgewordenen zu erneutem Auszug gegen den Feind ergehen, so würden alle freudig folgen. Dem Kaiser und obersten Kriegsherrn erklang dann ein donnerndes Hoch. Der so einfach schlichte Sprecher war der Gefreite Buchholz von Beuel, der beim Kampf um Sedan in den vorigen Augusttagen ein Bein verlor.
   Nach einer Kaffeepause ging das frohe Leben und Treiben wieder seinen Gang. Jetzt trat sogar eine Mordgeschichte auf den Plan und ein Tanzbär schritt durch den Garten. Schüsse knallten, das Maschinengewehr ratterte, Puppen flogen, das Drehrad kreischte, die Ausrufer lockten, und dazwischen klangen die lustigen Weisen unsrer Landsturmkapelle. (...)
   Den Höhepunkt erreichte das wohlgelungene Fest, als der Schützenkönig ausgerufen wurde. Für die Zielsicherheit unserer Feldartilleristen zeugt es, daß ein Kriegsbeschädigter vom Reserve-Feldartillerie-Regt. 59 (2. Batterie), Johann Sterzenbach, die Würde des Schützenkönigs errang. Sterzenbach, der im Feldzug ein Bein verlor und sich einstweilen bis zu seiner Genesung noch auf Krücken bewegen muß, schoß mit drei Schuß 35 Ringe, was nach dem Urteil von Sachkennern eine außerordentliche Leistung bedeutet.
   Der Verlauf des Volksfestes läßt den Wunsch rege werden, die schöne Feier, die gestern nur vor geladenen Gästen vor sich ging, auch der Bürgerschaft allgemein zugängig zu machen. Wir schlagne deshalb eine Wiederholung des Schützenfestes vor. Vielleicht ist hierfür der kommende Sonntag der geeignetste Tag.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

  

Die Pilgerzüge, die gestern morgen 7 ½ und 8 Uhr von Bonn und Godesberg nach Kevelaer fahren, wiesen eine sehr starke Beteiligung auf. Von der hiesigen Eisenbahnstation wurden etwa 1500 Fahrkarten ausgegeben.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)