Samstag, 31. Juli 1915

  

Anzeige in der Deutschen Reichs-Zeitung vom 31. Juli 1915Opfertag. Man schreibt uns: Der Jahrestag der Mobilmachung, der 1. August, soll auch hier in Bonn dadurch hervorgehoben werden, daß er zu einem besonderen Opfertag gestaltet wird. Die Vaterländischen Vereinigungen werden daher am Sonntag, den 1. August, und am Montag, den 2. August, eine Haus- und Straßensammlung durch ihre bewährten Helferinnen, die mit amtlichen Ausweiskarten versehen sind, ausführen lassen und bei dieser Gelegenheit auch Postkarten und die Vaterländischen Abzeichen verkaufen. Die Sammlungen sind durch den Herrn Oberpräsidenten der Rheinprovinz genehmigt. Die Aufgaben, die unseren Vaterländischen Vereinigungen gestellt werden, wachsen mit der Kriegsdauer von Tag zu Tag und erfordern große Summen. Wir hoffen daher, daß auch den weiteren Bestrebungen der Bonner Kriegsfürsorge überall mit freudigem Herzen und mit offener Hand entgegengetreten wird. Vor allen Dingen bitten wir, die Helferinnen in ihrem oft recht schwierigen Amt durch Rat und Tat zu unterstützen. Es ist auch Ehrenpflicht aller Bonner Bürger und Bürgerinnen, an diesem bedeutungsvollen Tage die Vaterländischen Abzeichen, die als Kunststücke weit und breit bereits großen Ruf genießen, anzulegen und dadurch zu zeigen, daß sie daheim mit unseren braven Truppen fühlen.

In der Synagoge wird heute zum Jahrestage des Kriegsbeginns ein Dank- und Bittgottesdienst mit Predigt abgehalten.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

  

Auf sein Brotbuch hatte ein Invalide, dessen Tochter gestorben war, das für die Tochter zustehende Brot weiter bezogen. Das Amtsgericht hatte ihn dafür in eine Geldstrafe von 10 Mark genommen. Auf seinen Einspruch hin ermäßigte das Schöffengericht gestern die Strafe auf 3 Mark.

Bonner Wochenmarkt. Auf dem gestrigen Wochenmarkt waren viele Artikel im Preise heruntergegangen oder unverändert, aber nicht gestiegen. Bei großem Angebot fand die Ware aber nicht den gewünschten Absatz. In letzter Zeit klagen die Verkäufer im allgemeinen über schlechten Absatz ihrer Waren. Es mag dies eine natürliche Folge der teils zu hohen Preise sein. Vielleicht haben sich auch viele Familien geeinigt, unter keinen Umständen mehr Waren zu ungebührend hohen Preisen zu kaufen. An allen Verkaufsständen ist jetzt eine Tafel mit einem Preisverzeichnis der zu verkaufenden Waren aufgestellt, wodurch das Fragen nach den Preisen im allgemeinen fortfällt und der Verkehr auf dem Markt viel ruhiger geworden ist. (...)
   Auf dem Großmarkt auf dem Stiftsplatz war wieder großes Angebot und fanden die Waren flotten Absatz. Die Preise waren hier im Verhältnis dieselben wie auf dem Wochenmarkt. (...)

Das außerordentliche Kriegsgericht verhandelte gestern gegen mehrere junge Leute aus der Umgebung wegen der Anklage in verbotener Weise Waffen getragen zu haben. Drei von ihnen wurden zu je 1 Tag Gefängnis verurteilt, während zwei noch jugendliche Angeklagte mit einem Verweis davon kamen. Drei russische Erntearbeiter waren verbotswidrig im Kreise Rheinbach aus einer Bürgermeisterei in eine andere verzogen. Das außerordentliche Kriegsgericht verurteilte sie zu Gefängnisstrafen von 14 Tagen, 1 Woche und 1 Tag. An einem verbotenen Tage hatte ein Geschäftsfräulein aus Godesberg Schnaps verkauft. Sie wurde deshalb zu einem Tag Gefängnis verurteilt. Der Geschäftsinhaber konnte nachweisen, daß er dem Fräulein die erforderlichen Anweisungen erteilt hatte und wurde deshalb freigesprochen. (...)

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

   

Anzeige im General-Anzeiger vom 31. Juli 1915Unter Strom gesetzt wird am 2. August die Oberleitung der Neubaustrecke der städtischen Straßenbahnen nach dem Stadtteil Dottendorf, von der Bergstraße bis zum Endpunkt an der Junkerstraße.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)

Wenn der arme Mann, der sich über die Teuerung des Gemüses auf dem Markte so sehr beklagt, nur mal morgens oder vormittags auf den Stiftsmarkt ginge, so könnte er oft vieles Gemüse, was och ganz gut zu gebrauchen ist, unentgeltlich bekommen, was manchmal rumliegt; außerdem kann man oft für 10 Pfg. für eine ganze Familie eine Mahlzeit zu kochen, kaufen. Es ist zwar kein Pfund Fett und Zubehör, auch keine 2 Pfund Wurst dabei. Wäre nichts teurer, als das Gemüse, brauchte man sich auch gar nicht zu beklagen. Was die Runkelrübenblätter anbetrifft, sind die ein sehr gutes Gemüse und ersetzt den Spinat. Wenn der arme Mann das noch nicht weiß, wäre es besser, sich in solche Sachen nicht zu mischen, jede vernünftige Hausfrau weiß das. Die Schweine bekommen auch Brot-und Fleischabfälle, mögen auch Bier, ob Schnaps, weiß ich nicht. Wenn die Landleute sich ihre Mühe und Arbeit mit einem solch hohen Lohne, wie man jetzt den Arbeitern bezahlen muß, die den Tag 4 bis 5 Mark bezahlt erhalten, und nur ein paar Stunden arbeiten, vielleicht 10 oder 11 Stunden, und jeder Tag hat 24 Stunden, berechneten, würden sie viel höhere Preise bezeihen müssen. Die Landleute arbeiten von morgens 4 Uhr bis abends so lange sie sehen können und erhalten ihre Mühe und Arbeit nie vergütet. Bekämen sie den Tag 4 bis 5 Mark Lohn oder solche hohes Monatsgehalt, wie die Städter, würden sie sich freuen. Ich habe noch nie gesehen, daß Jemand auf dem Lande so schnell reich wurde, wie in der Stadt, da kenne ich eine Unmenge Leute mit den hohen Gehältern oder Geschäften, die zufällig gut gingen, daß sie rasch vermögend wurden. Wenn die Landleute von Haus aus nicht vermögend sind, so bleiben sie in der Regel arm, trotz der sauren Arbeit. Wenn der arme Mann, der jedenfalls doch auch einen guten Lohn bezieht, mit demselben so sparsam umgeht, wie die Landleute mit ihren Pfennigen, so kann er bequem Gemüse satt kaufen und wäre auch längst kein armer Mann mehr.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Stimmen aus dem Leserkreis“)

   

Lebensmittelwucher.
(...) Wir haben hier in Bonn eine vielleicht weniger große Not, als manche Großstadt. Aber hier hungert das Proletarierkind genau wie dort und wenn einem die große Not aus den hohlen Kinderaugen in den schmalen, blassen Gesichtern anschaut, dann ist man wirklich ratlos, wie hier durchgreifend geholfen werden kann. Der Einzelne ist nicht mehr imstande dazu. Hier muß ganz energisch vorgegangen, dem Lebensmittelwucher ganz gründlich ein Ende gemacht werden. Wie sollen unsere Feldgrauen vor dem Feinde bestehen, wenn sie ihre Lieben zu Hause hungernd und darbend wissen! Einer schrieb mir, er fürchte nicht den Feind, der vor ihm hinträte; aber der innere, der seine Lieben zum Hungern und Darben bringe, mache ihn zagen. Der Brief ist ein betrübendes Dokument aus großer Zeit, den ich mir aufheben werde für später, wenn die Plünderer des armen Volkes wieder in „Patriotismus“ machen wollen. Wir müssen und werden durchhalten. Aber selbstverständlich nur unter der Voraussetzung, daß alle von gleichem Opfersinn beseelt bleiben und die Raffgier einzelner nicht die Zügel schießen läßt. Urban.

(Volksmund, Rubrik „Bonner Angelegenheiten“)