Donnerstag, 24. Juni 1915
Liebesgabenzug für die türkische Armee. Das im Einvernehmen mit dem Deutschen Komitee für die Sammlungen zugunsten des Roten Halbmondes gegründete jüdische Hilfskomitee „Roter Halbmond“ hat im Kreise der deutschen Juden über 100.000 Mark aufgebracht. Die dafür angekauften Liebesgaben sind mit einem Sonderzuge nach Konstantinopel gebracht und den türkischen sowie auch den zusammen mit ihnen kämpfenden deutschen Soldaten und Seeleuten zugeführt worden. Das jüdische Hilfskomitee „Roter Halbmond“ bittet um weitere Gaben – Geld, Nahrungs- und Genußmittel, Wäsche usw. – an Kommerzienrat Gerson Simon, in Firma Jacob und Richter, Berlin SW. 19, Kommandantenstr. 85/86, mit der Bezeichnung „Für den Roten Halbmond“ bzw. an das Bankhaus Veit Selberg u. Co., Berlin W. 8, Französische Straße 49 (Postscheck-Konto: Berlin Nr. 4396 „Für Roter Halbmond“).
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Johannistag. Mit dem Johannistag hat das schaffende Jahr den Höhepunkt des Blühens erreicht, nun geht es zur Reife über. Bunteste Farbenpracht entzückt in den Gärten und die Rosen strömen den stärksten Duft aus. Auch in unseren Feldern und Fluren hat der ausgiebige Regen, der gestern über unsere Gegend niederging, wahre Wunder getan. Gierig nahm der ausgetrocknete Boden das segenspendende Naß in sich auf, und alles, was draußen grünt und blüht, erwachte wieder zu neuem, fruchtbringendem Leben. Die Ernte ist nun bald nicht mehr weit, und man darf hoffen, daß sie gut wird.
Bereitung von Backwaren. Laut einer Bekanntmachung in der heutigen Nummer unseres Blattes ist für den Umfang des Landkreises Bonn bis zum 1. Oktober 1915 die Arbeitszeit in den Bäckereien und Konditoreien von 6 Uhr morgens bis 6 Uhr abends festgesetzt worden.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Doktordiplome in deutscher Sprache. Bei der am kommenden Freitag in der philosophischen Fakultät stattfindenden Doktorpromotion werden zum ersten Male Diplome in deutscher (bisher lateinischer) Sprache verliehen werden.
Der Bonner Wehrbund marschierte am verflossenen Sonntag nach Köln in der Stärke von 114 Mann zur Besichtigung des Uebungsplatzes des Ersatz-Bataillons Pionier-Regiments Nr. 24. Um 9½ erfolgte der Abmarsch und wenige Minuten nach 3 Uhr waren die Jugendkompagnien am Ziele des Marsches, dem Uebungsplatze, der Mühlheim gegenüber liegt, angelangt. Nach kurzer Rast ging unter der vortrefflichen Führung des Herrn Hauptmann Meyer die Besichtigung des Uebungsplatzes vor sich. Alles, was auf dem Platze sehenswert war, wurde gezeigt und erklärt. Mit lebhafter Teilnahme folgte die Jungmannschaft den belehrenden Worten des Führers, zog, seiner Aufforderung folgend, durch die nach den neuesten Erfahrungen angelegten Schützengräben, sah sich die granatensicheren Unterstände an nebst den Unterkunftsstellen für die Offiziere, kletterte unermüdlich in die Minenschächte und stand fassungslos vor dem durch eine Minensprengung verwüsteten Schützengraben. Den Drahtverhau, die Wolfsgruben, das Fort mit seinen schwer zu überwindenden Hindernissen, die Verderben bringenden Sprengmittel verschiedenster Art, die Funkerstation , die Mittel zur Erzeugung flammenden Feuers, das den Gegner unwiderstehlich aus seiner Stellung vertreibt, wurde der Jungmannschaft gezeigt und sachlich erklärt. Sie erfuhr, daß zur Sprengung der Eisenteile oder Pfeiler einer Brücke die Verwendung der Zündmasse nur nach vorausgegangener mathematischer Berechnung der zu zerstörenden Teile erfolge und es drängte sich ihr die Ueberzeugung auf, daß eine Truppe, die zu Wasser und zu Lande eine so umfassende Ausbildung erhält, wahrlich eine Elitetruppe sein müsse. (....) Selbstverständlich wurde dem Führer der gebührende Dank ausgesprochen nach Beendigung der Besichtigung. Die Rückbeförderung der Jungmannschaft, die an körperlicher Ausdauer Vortreffliches leistete, da keine Einkehr stattfand, erfolgte mit der Eisenbahn mit dem Zuge 7.32 Uhr von Köln. Hoffentlich veranlaßt der Umstand, daß sich in den nächsten Tagen auch die Achtzehnjährigen und Siebzehnjährigen in die Stammrolle eintragen müssen, recht viele zum Eintritt in den Wehrbund. Die Art der Ausbildung fördert nicht nur das weitere sehr notwendige körperliche Ausreifen, sondern erleichtert ihnen auch, was für sie nicht ohne Vorteil ist für den Fall der Einberufung, das Verständnis der militärischen Formationen und damit die Erfüllung der Dienstpflicht.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)