Dienstag, 1. Juni 1915

  

Anzeige im General-Anzeiger vom 1. Juni 1915Fremdtümelei. Wir erhalten folgende Zuschrift:
„Sehr geehrter Herr Redaktör! Vor einigen Tagen berichteten Sie in Ihrem Blatt, daß an die preußischen Provinzialregierungen eine Anweisung ergangen sei, mit besonderem Nachdruck auf die Beseitigung von fremdsprachigen Inschriften auf Geschäftsschildern usw. hinzuwirken. Ich möchte darauf aufmerksam machen, daß nicht nur Geschäftsleute, sondern auch die Behröden auf diesem Gebiet manches gesündigt haben. Bekannt sind die in mehreren Sprachen auf den preußischen Bahnhöfen angeschlagenen Warnungen vor Taschendieben. Auch die städtische Verwaltung in Bonn scheint eine Vorliebe für mehrsprachig abgefaßte Bekanntmachungen noch nicht ablegen zu wollen. Auf der Rückseite der Fahrscheine der Bonner Straßenbahnen findet sich folgende Anzeige: „Städtisches Verkehrsamt, Bureau Municipal de Rensiegnements, Municipal Enquiry Office, Stedelijk verkeerbüreau, Bonn, Poststr. 27“. Hoffentlich sorgt unsere Provinzregierung auch hier für Säuberung! Hochachtungsvoll Dr. ....“
   Wir geben diese Zuschrift wieder. Wir möchten aber darauf hinweisen, daß die Fahrscheine unsrer Straßenbahn wahrscheinlich schon lange vor der jetzigen Zeit bestellt und gedruckt worden sind. Daß unsere städtische Verwaltung auch jetzt noch eine Anzeige mit mehrsprachiger Bezeichnung ihres Verkehrsamtes auf die Fahrscheine ihrer Straßenbahn drucken läßt, glauben wir nicht. Die vorhandenen Bestände werden aber erst aufgebracht werden müssen. D. Red.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

  

Noch keine frischen Brötchen. Eine Antwort auf die Eingabe der hiesigen Behörde an den Regierungspräsidenten, in der um die Erlaubnis zum Backen von Brötchen nachgesucht wurde, ist bis jetzt noch nicht erfolgt. Die Freude vieler, zum 1. Juni auch hier in Bonn frische Brötchen zu bekommen, war also noch etwas verfrüht. Wir werden uns also noch einige Tage mit Kriegsbrot behelfen müssen.

Anzeige im General-Anzeiger vom 1. Juni 1915Anzeige im General-Anzeiger vom 1. Juni 1915Männerprozession auf den Kreuzberg. Im Anschluß an unseren gestrigen Bericht, der nicht in der ganzen Auflage zum Abdruck gelangte, wird uns von geschätzter Seite noch geschrieben: Ein Schauspiel, wie es Bonn Seit langem nicht mehr gesehen, bot sich Sonntag nachmittag unsern Augen dar. Dem Aufrufe des Zentral-Komitees zu einer Bittprozession auf die altehrwürdige Stätte der Kreuzverehrung waren mehrere Tausend katholischer Männer und Jünglinge, denen sich zahlreiche Krieger angeschlossen, aus allen Pfarreien gefolgt. In einem unabsehbar langen Zuge bewegte sich die Prozession von der Münsterkirche durch Poppelsdorf betend und singend zum Kreuzberge hinauf, wo die letzten Teilnehmer erste eine halbe Stunde später, als vorgesehen war, anlangten. Weithin war der Platz vor der heiligen Stiege mit Zuhörern besetzt, die in gespanntester Aufmerksamkeit den Ausführungen des Predigers P. Dositheus folgten, welcher den Gedanken darlegte: die religiöse Pflicht des katholischen Mannes in gegenwärtiger Zeit sei zu beten und zu büßen. Hinter unseren Millionenheeren, so ungefähr führte er aus, muß eine Riesenarmee von vielen Millionen Betern stehen. An diesem Gebetssturm muß jede katholische Mann sich beteiligen. Dies erfordert das Wohl des Vaterlandes und unserer tapferen Kämpfer; auf das Gebet haben ein Anrecht unsere braven Verwundeten und das große Heer der Trauernden. Büßen müssen wir für die Sünden unseres Volkes und für die eigenen besonders durch freudiges Ertragen der mit der Kriegslage gegebenen Opfer. Die begeisterte Ansprache schloß mit den Worten: Mit Gott haben wir zu den Waffen gegriffen, mit Gott sind wir hinausgezogen, mit Gott kämpfen unsere Feldherren und Soldaten den heißen Kampf um unseres Vaterlandes Existenz; mit Gottes Hilfe kehren unsere Truppen hoffentlich bald sieggekrönt zurück, und werden wir dann einen Frieden haben, den auf lange Zeit hinaus keines Feindes Neid mehr stört.
    Nach der Predigt wurde das vom Papste verfaßte Friedensgebet verrichtet, dann folgte der sakramentale Segen und hierauf zog die gewaltige Menschenmenge wieder zur Münsterkirche, wo sie um 6 Uhr anlangte. Es war eine großartige Demonstration katholischen Glaubens.

Anzeige im General-Anzeiger vom 1. Juni 1915Anzeige im General-Anzeiger vom 1. Juni 1915Zur Lederpreisfrage. Wie aus Köln mitgeteilt wird, soll der Preis für das Pfund Leder, der bisher 7 Mark betrug, heute nur 4,50 Mark betragen. Wenn diese Angaben zutreffend sind, werden wohl auch bald die Schuhwaren und die unerschwinglichen Reparaturen billiger werden.

Ueber den Mehl- und Brotverbrauch im Landkreis Bonn hat der Kreisausschuß eine Verordnung erlassen, in der der Preis für die Backwaren wie folgt festgesetzt wird: 60 Pfg. für ein Schwarzbrot von 3 ½ Pfund, 75 Pfg. für ein Feinbrot von demselben Gewicht und 6 Pfg. für ein Kleinbrot (Röggelchen) im Gewicht von 100 Gramm. 16 Kleinbrote gelten als ein ganzes Schwarz- oder Feinbrot.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

Anzeige im General-Anzeiger vom 1. Juni 1915Ueberlastung der Bonner Aerzte. Seit dem Ausbruch des Krieges kann man die Beobachtung machen, daß einzelne hiesige Aerzte, namentlich diejenigen mit Ortskrankenkassenpraxis, beruflich überlastet sind. Viele Bonner Aerzte sind draußen im Felde tätig und von den zurückgebliebenen Kollegen haben verschiedene vertretungsweise die Praxis der an der Front befindlichen Aerzte übernommen. Außerdem sind verschiedene dieser Bonner Aerzte auch noch in den Lazaretten tätig, sodaß es vorkommt, daß einzelne Aerzte Privatpraxis, Ortskrankenkassenpraxis und Lazarettpraxis ausüben und auch durch die Verminderung der Zahl der augenblicklich in Bonn tätigen Aerzte noch Zuwachs an Krankenmaterial haben. Bei den Kranken macht sich diese Sachlage in verschiedener Weise geltend. Sie müssen entweder in den Wartezimmern unendlich lange warten, bis sich ihnen die Pforten des Sprechzimmers öffnen, und gar mancher versäumt dadurch seine kostbare Zeit. Die Kranken, die im Hause zu behandeln sind, können nicht immer zur richtigen Zeit den Arzt haben. Es kommt vor, daß sie sich mit telephonischen Anweisungen auch in solchen Fällen begnügen müssen, wo sie den Arzt gerne am Krankenbett sähen.
   Damit sich dieser Zustand nicht mehr und mehr zu einer Kalamität auswächst, sei an den Bonner Aerzteverein die Bitte gerichtet, der Angelegenheit sein näheres Augenmerk zu schenken und die Frage nach der Seite zu prüfen, ob nicht etwa durch eine bessere Art der Kräfteverteilung, also auf organisatorischem Wege, eine Besserung der Bonner Aerzteverhältnisse zu erzielen wäre. Rein materielle Interessen müßten dann allerdings zu Gunsten des Gesamtwohles der Bonner Bürgerschaft in den Hintergrund treten. Auch übersteigt es ja die Kraft eines gewissenhaften Arztes, Ortskrankenkassenpraxis, Privatpraxis und Lazarettpraxis zu gleicher Zeit auszuüben, da doch auch in Kriegszeiten der Tag nur 24 Stunden hat und jeder Kranke beanspruchen kann, mit Ruhe, Sorgfalt und Ueberlegung behandelt zu werden. Ein Mitglied der Ortskrankenkasse.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)

  

Anzeige in der Deutschen Reichs-Zeitung vom 1. Juni 1915Liebesgaben für die Karpathenarmee. Die Vaterländischen Vereinigungen veranstalten – wie aus dem Anzeigenteil hervorgeht – eine Sammlung von Liebesgaben, die sie nach den Kriegsschauplätzen Galiziens und der Bukowina senden werden. Da auf diesen Kriegsschauplätzen besonders viele Söhne Rheinlands, auch viele Bonner, kämpfen, so hoffen wir, daß die Bürger mit weitem Herzen und offenen Händen diesem Aufrufe Folge leisten werden. Außer Geldspenden, die zum Ankauf von Liebesgaben verwendet werden, sind besonders leinene Hemden, Taschentücher, Handtücher, Socken, Seife, Keks, Schokolade usw. notwendig. Die Sammelstelle in der Rheinisch-Westfälischen Diskonto-Gesellschaft am Münsterplatz nimmt die Gaben bis zum 7. d. M. an. Da mit dem Etappenoberkommando der österreichisch-ungarischen Armee die Sendung vereinbart ist, so ist Gewähr dafür gegeben, daß sie an die Stelle geleitet wird, wo wirkliche Not herrscht.
   Seit Monaten verfolgen wir mit äußerster Spannung die Kämpfe in den Karpathen. Wir wissen alle, daß auf den dortigen Kriegsschauplätzen fast übermenschliche Anforderungen an unsere braven Helden gestellt werden. Eine Ehrenpflicht bleibt es daher für uns und eine Dankesschuld, daß wir mit allen Mitteln diese Liebesgabensendung unterstützen. Auch wird die Büchsensammlung der freiwilligen Helferinnen eine ganze Woche lang ausschließlich der Liebesgabensendung gelten. Der Opfersinn unserer Bonner Bürger kann sich hier als besonders wohltuend erweisen. Es ist Gelegenheit gegeben, durch die Zusendung von geschmackvoll zusammengestellten Paketen, denen einige freundliche Zeilen beigefügt sind, den freigebigen Ruf unserer schönen Stadt Bonn in ferne Lande zu tragen. Es dürfen diesen Paketen nur keine leicht verderblichen Sachen beigegeben sein.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)