Sonntag, 16. Mai 1915

  

Anzeige im General-Anzeiger vom 16. Mai 1915Vaterländische Abzeichen. Unsere Vaterländischen Vereinigungen haben beschlossen, auch hier in Bonn ein Abzeichen als Erinnerung an die schwere Zeit herstellen zu lassen. Dieses Abzeichen, das nach einem künstlerisch wohlgelungenen Entwurf aus Geschützbronze geprägt ist, wird als Brosche oder Anhänger in den Verkehr gebracht werden. Der Verkaufspreis wird 2 Mk. für ein Stück betragen. Auch sollen Silber-Prägestücke zum Preise von 5 Mark abgegeben werden. Der Reinertrag wird der Kriegsfürsorge zu Gute kommen.

Eine Vorratserhebung und Beschlagnahme von Gummibereifung (Decken, Schläuchen, Vollreifen) findet am 17. Mai statt. Die Inhaber oder Verwahrer von Gummivorräten sind verpflichtet, ihren Bestand und die Art auf besonderen Meldescheinen an die Kgl. Inspektion des Kraftfahrwesens Berlin-Schöneberg anzugeben.

Von der Strafkammer wurden gestern wieder eine Anzahl von Uebertretungen der Bundesratsverordnung bestraft. Es handelte sich um Bäcker und Kartoffelhändler, die die Bestimmungen nicht eingehalten hatten. Sie wurden zu Geldstrafen von 50, 60 und 100 M. verurteilt.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

  

Anzeige im General-Anzeiger vom 16. Mai 1915Zur Feier der 100jährigen Vereinigung der Rheinlande mit Preußen hatten am Samstag die städtischen Gebäude Flaggenschmuck angelegt. An sämtlichen Schulen fiel der Unterricht aus; es fanden am Morgen nur kurze Feiern statt, bei denen die Lehrpersonen auf die Bedeutung des Tages für die Rheinlande hinwiesen. Mehrere Schulen machten unter Leitung ihrer Lehrer Ausflüge in die Umgebung.

Zum 15. Mai. Der Maiumzug war in diesem Jahr bei Weitem nicht so groß als früher. Nur hier und das sah man Möbelwagen und kleinere Gefährte, die die Wohnungseinrichtungen von der alten in die „neue“ – natürlich bessere – Wohnung brachten. Der Hauptgrund ist wohl darin zu suchen, daß es den Transportgeschäften an handfesten Leuten fehlt, die den Umzug in sachkundiger Weise auszuführen vermögen. Unter diesen Umständen war es den Speditionsgeschäften nicht möglich, die sonst übliche Garantie für gute Ankunft der Möbel zu übernehmen. Einzelne Speditionsgeschäfte lehnten es dieserhalb ab, Umzüge innerhalb der Stadt auszuführen. Außerdem waren die Transportkosten erheblich größer als in früheren Jahren. Gar mancher, der glaubte, nicht mehr in der alten Wohnung bleiben zu können, ist heute froh, daß er diesmal von den „Umzugsfreuden“ verschont geblieben ist. Sagt doch ein altes Sprichwort: Dreimal umgezogen ist so gut – oder besser gesagt so schlimm – als einmal abgebrannt.

Die Verordnung über die Höchstpreise hatte ein Ackerer aus Ersdorf dadurch übertreten, daß er für 35 Zentner Kartoffeln, die er nach Bonn geliefert hatte, statt 3,05 Mk. für den Zentner 5,00 Mk. verlangt hatte. Die Strafkammer verurteilte ihn gestern dafür zu einer Geldstrafe von 100 Mk.

Wegen Vergehens gegen die Bäckereiverordnung hatte sich gestern eine ganze Anzahl Bäcker aus der Umgegend vor der Strafkammer zu verantworten. Einer hatte dem Schwarzbrot keinen Kartoffelzusatz gegeben, angeblich, weil er keine Kartoffeln erhalten könne, ein anderer hatte die Brote nicht zu dem vorgeschriebenen Gewicht von 4 Pfund, sondern nur zu 2 Pfund gebacken und von dem Datumstempel nur eine Ziffer auf ihnen angebracht. Ein dritter hatte ein falsches Datum auf die Brote gestempelt, wodurch sie älter erschienen, als sie wirklich waren. Das Gericht verurteilte sie zu Geldstrafen zwischen 50 und 60 Mark.

Die Spargelernte am Vorgebirge ist in diesem Jahr überaus gut und liefert von einem Tag zum anderen immer reichere Erträge. Auf den meisten Feldern muß täglich zwei- und dreimal gestochen werden. Daraus erklärt sich auch der plötzliche Preisabschlag. Es weiß sich hier niemand zu erinnern, daß der Spargel um diese Jahreszeit jemals zu einem so niedren Preis verkauft worden ist. – Zur Spargelzeit verlangt man, daß die Stangen schöne weiß und glattgeformte Köpfe haben; leider aber treten auch gekrümmte, schwache und hohle Pfeifen vielfach auf, was auf fehlerhafte Heranzucht der Samenpflanzen zurückzuführen ist.

Anzeige im General-Anzeiger vom 16. Mai 1915Einen Wettersturz schlimmster Art haben uns die Eisheiligen seit gestern nachträglich gebracht. Um 11 Uhr morgens ging noch ein warmes Lüftchen, das Thermometer zeigte 19 Grad im Schatten. Von da ab aber wurde es plötzlich kälter; um 2 Uhr waren 14, um 4 Uhr 10 und um 6 Uhr 8 Grad Wärme angezeigt. In der Nacht sank dann hier im Rheintale die Wärme auf 4 Grad. Auf den Höhen der Umgegend aber wurde der Gefrierpunkt erreicht. Dort hat es in der vergangenen Nacht so stark gefroren, daß man über frisch gepflügten Boden nicht einsank und stehendes Wasser Eis ansetzte. – Gleichzeitig mit dem starken Rückgang der Wärme fiel auch das Barometer auf 744 Millimeter; ein starker Sturm setzte ein, der die Gipfel der Bäume derart zerzauste, daß alles dürre Geäst herunterkam. Der Boden im Hofgarten war dicht bedeckt damit. – Die kalte nördliche Luftströmung hält auch heute noch an; die luftigen Sommerkleider sind verschwunden und die Ueberzieher sind wieder zu ihrem Recht gekommen.

Die Obstbaumblüte ist jetzt allenthalben abgeschlossen. Sie hat einen raschen und günstigen Verlauf genommen und vollzog sich bei hellem Sonnenschein, bei zeitweiligen Regenfällen und mäßig bewegter Luft. Dadurch wurden die Blüten einesteils vor dem Abfallen geschützt, andernteils aber von honigsuchenden Bienen und anderen Insekten so stark beflogen, daß die Befruchtung regelrecht und sicher vonstatten gehen konnte. Bei den Frühobstsorten läßt sich der Fruchtansatz schon erkennen. Die Obstbäume blühten am Vorgebirge so reich, daß man sagen darf: „Wenn von hundert Blüten nur fünf Frucht bringen, so werden wir diesmal ein Obstjahr zu verzeichnen haben, das das vorigjährige durch seinen Ertrag weit in den Schatten stellt.“

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

  Anzeige in der Deutschen Reichs-Zeitung vom 16. Mai 1915

Die gefürchteten Eisheiligen Pankratius, Servatius und Mamertus, welche nach dem Volksglauben vom 12. bis 14. Mai die Witterung beherrschen, und wegen ihrer oft so höchst verderblichen Nachtfröste „Die drei gestrengen Herren“ heißen, sind diesesmal glücklich vorübergegangen, ohne den mindesten Schaden angerichtet zu haben, und so werden wir voraussichtlich dieses Jahr ein Obstjahr haben, wie es wohl seit Menschengedenken nicht mehr zu verzeichnen war. Die Bäume und die Beerenobststräucher sind so über und über mit kräftigen schönen Blüten bedeckt, daß wenn auch nur die Hälfte davon Früchte ansetzt, die Bäume die Last nicht zu tragen vermögen. Das junge Gemüse steht üppig und schön im Felde, ebenso die Saat. Der Weinstock hat sich prächtig entwickelt und so kann sowohl der Landmann wie auch der Winzer und Gartenbesitzer und so können nicht minder die Konsumenten den kommenden Dingen in bezug auf die Nahrungsmittelversorgung mit Ruhe entgegensehen.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)