Samstag, 1. Mai 1915

  

Anzeige im General-Anzeiger vom 1. Mai 1915Kriegs-Koch-Kurse. Angeregt durch das Beispiel anderer Städte wurden auch hier in Bonn durch den Ausschuß für hauswirtschaftliche Kriegshilfe schon im Februar ds. Js. Koch-Kurse eingerichtet. Dieselben bezwecken, Frauen, besonders minderbemittelten, Anleitung und Belehrung zu geben, wie sie in dieser wirtschaftlich schweren Zeit mit kleinen Mitteln wohlschmeckende, gesunde und genügend ernährende Mahlzeiten bereiten können; auch wurde hierbei besonderen Wert auf die Benutzung der Kochkurse gelegt. Die von tüchtigen Hauswirtschaftslehrerinnen geleiteten Kurse umfassen 12 Abende, die auf vier Wochen verteilt, 20 – 22 Frauen oder Töchtern Gelegenheit zur Teilnahme geben. Die bereiteten Gerichte werden nach der Arbeit gemeinsam als Abendbrot verzehrt und hierfür 15 Pfg. entrichtet. Der Ausschuß kann bei diesem Unternehmen auf ein gutes Ergebnis zurücksehen, der 5. Lehrgang konnte in diesen Tagen beginnen.

Im Metropoltheater sind neu eingetroffen interessante Aufnahmen von: Kaiser Wilhelm, Prinz Heinrich und der Kronprinz bei Exzellenz von Mudra im Lager. Außerdem wird noch ein vorzügliches Programm gezeigt.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

 

Anzeige im General-Anzeiger vom 1. Mai 1915Der Mai ist gekommen. „Der Mai ist gekommen, die Bäume schlagen aus!“ Wir alle haben es einmal aus Herzensgrund gesungen und Kindheits- und Jugenderinnerungen verknüpfen sich mit diesem köstlichen Frühlings- und Wanderlied. Da die frische Weise zum Volkslied geworden ist, kennen nur wenige den Komponisten. Es war ein aus Osnabrück gebürtiger Student der Theologie namens Justus Wilhelm Lyra, der im Jahre 1882 als Pfarrer zu Gehrden in der Provinz Hannover starb. Er studierte in Bonn und gehörte der Burschenschaft Alemannia an, die an ihrem Kneiphause zum Gedächtnis bekanntlich die Büste Lyras aufgestellt hat. Einer seiner Bonner Studienfreunde, A. Andrae, erzählt in seinen Lebenserinnerungen mit Entzücken von den musikalischen Abenden, die der junge Liederkomponist auf seiner schlichten Bude in Bonn zu veranstalten pflegte. Lyra bewohnte im Sommer ein kleines Hinterstübchen, dessen eine Wand von einem großen alten Flügel eingenommen wurde. Eines Abends fanden sich so viele junge Musikfreunde dort ein, daß die vier Studenten, die das Gesangsquartett bildeten, und auch eine Anzahl der Gäste aus dem Fenster auf das benachbarte Dach stiegen, wo die Kunstübung (...) bis Mitternacht fortgesetzt wurde. Nach und nach öffneten sich ringsum alle Fensterläden, Lichtglanz drang aus den Stübchen, und eine andächtige Zuhörerschaft ließ es an dankbaren Beifallsbezeugungen nicht fehlen. In dieser glücklichen Bonner Zeit gab Lyra auch ein kleines Buch „Deutsche Lieder nebst ihren Anzeige im General-Anzeiger vom 1. Mai 1915Melodien“ heraus, das schnell Verbreitung fand. Es enthielt manche seiner eigenen, später so bekanntgewordenen Lieder wie eben unser „Der Mai ist gekommen“, ferner „Zwischen Frankreich und dem Böhmerwald“, „Mag der Wind im Segel beben“, „Wo solch ein Feuer noch gedeiht“ oder Goethes „Es war einmal ein König“. Seinen Namen aber setzte der bescheidene junge Tonkünstler nicht darüber. Man findet ihn nur wie beiläufig erwähnt im – Druckfehlerverzeichnis. Dort heißt es: „Die neuen Melodien Nr. so und so sind von S. W. Lyra“. Später hat er sich ganz der geistlichen Musik gewidmet, und von seinen Kompositionen, für die sich ein Verleger erst nach seinem Tode fand, erschien schnell die zweite Auflage. Sein äußerer Lebenslauf war, wie er im Kriegsjahr 1870 einem Freunde schrieb, „eine Bahn mit Hindernissen“. Er war 45 Jahre alt geworden, als die Behörde ihn ins Amt berief. Von der Stelle, die ihm zuteil wurde, sagt er: „Sie bietet keinen Ueberfluß, und ihre Dotation ist nicht zu messen nach dem Maßstabe, den man in Pommern und namentlich z.B. auf der Insel Rügen anzulegen pflegt; aber sie bringt mich auch nicht in die Versuchung, den Pfarrer über der Ackerwirtschaft zu vergessen.“
   Gern sangen die Alemannen aus frischen Burschenkehlen zur Begrüßung des Wonnemonds das Lied ihres Alten Herrn. Diesesmal sind sie jedoch meist draußen im Felde, im Kampfe für’s Vaterland, und die Walpurgisnacht, die sie mit vielen anderen Verbindungen sonst auf der Godesburg zu verleben pflegten, findet sie bis auf wenige, die auch noch hinaus wollen zu Kampf und Sieg, im ernsten Ringen mit dem Feinde. Und gar mancher junge Mund ist schon verstummt, der sonst im Chorus die schöne Weise mitgesungen hätte. Aber für Anzeige im General-Anzeiger vom 1. Mai 1915alle ist doch der Mai gekommen – die sichere frohe Hoffnung, daß die Feinde ringsum niedergerungen werden. Und dazu ist die Melodie unserer Mörser, die jetzt auch vor Dünkirchen klingen, just die richtige Weise.

Eine verabscheuungswürdige Handlungsweise nannte der Vorsitzende des Schöffengerichts gestern das Vergehen zweier junger Mädchen, die für das Rote Kreuz angeblich Bilder verkauft und dabei über 300 Mark gesammelt, aber nicht abgeliefert hatten. Sie hatten das Geld eingestandenermaßen in ihrer Haushaltung verbraucht. Trotzdem die beiden jungen Mädchen noch nicht bestraft waren, erkannte das Gericht gegen sie auf eine Gefängnisstrafe von je einem Monat. Weil sie ohne Gewerbeschein Bestellungen aufgesucht hatten, wurde jede von ihnen außerdem noch zu 5 Mark Geldstrafe verurteilt.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

 

Die Bestellung der Felder ist nunmehr beendet. Die Getreidefelder prangen bereits in saftigem Grün und viele Gemüsearten sind in ihrem Wachstum schon erheblich vorgeschritten. Bald werden die ersten Salatpflänzchen (Hofsalat) und die ersten Rübstiel geerntet werden können. Die Kartoffeln konnten infolge der anhaltend nassen Witterung und unserer meist schweren Bodenverhältnisse erst spät – fast einen Monat zu spät – gepflanzt werden. Die Reife wird ja zur bestimmten Zeit eintreten, aber die Früchte werden, wenn sie alsdann gleich geerntet werden, klein sein. Nichtfachleute, die recht früh Kartoffeln gepflanzt haben, werden teilweise Enttäuschung erleben. Haben sie die Saat zu tief gepflanzt, so kann sie infolge des nassen Wetters verfault sein, wurde sie nicht tief genug gelegt, so kann sie infolge der Nachtfröste erfroren, auch die Keime können durch Nachtfrost zerstört worden sein.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)

 

Anzeige in der Deutschen Reichs-Zeitung vom 1. Mai 1915Briefe, die Unheil stiften, werden jetzt leider viel ins Feld geschickt. Frauen und sonstige Anverwandte unserer Krieger halten sich für verpflichtet, dem draußen Kämpfenden ein möglichst „getreues“ Bild der häuslichen Verhältnisse zu liefern. Manche sind gar nicht imstande, ihre eigenen Verhältnisse richtig einschätzen und beurteilen zu können; andern fehlt die Fähigkeit, richtig wiederzugeben, was eigentlich ist. Sie alle aber wollen schreiben. Und schreiben nun darauf los. Einige, was sie gehört oder irgendwo gelesen, andere auch, wie ihre blühende Phantasie sich eine schreckhafte Entwicklung ausdenkt. Wirklichkeitsschilderungen sind schwerer, als die meisten ahnen. Jeder glaubt auch noch etwas „retouchieren“ zu müssen, wenn er die Lage daheim darstellt. Welches Unheil mit solchen Briefen angerichtet wird, ahnt wohl selten einer. Der Empfänger denkt sich selbstverständlich noch alles schlimmer, als der unfähige Briefsteller angibt, was auf den Gemütszustand des Heimgesuchten auch nicht günstig einwirken kann. Schlimmer freilich es noch, wenn solche Briefe in die Hände unserer Feinde gelangen, wie vielfach geschehen ist. Sie werden dann in ihrem Wahne bestärkt, unsere Widerstandskraft sei erschöpft und müsse nun bald zusammenbrechen. Das ermuntert sie zu immer weiterem Durchhalten. Unsere Not ist wohl groß, aber nicht unüberwindlich, unser Volk hat schlimmere Zeiten durchlebt, als die jetzigen. Etwas mehr Mut und Zuversicht dürfen unsere Kämpfer draußen, die täglich den Tod vor Augen haben, auch von den Daheimgebliebenen verlangen. Besonders die deutsche Frau sollte sich auf die Tugenden der bedeutendsten Frauen ihres Volkes besinnen und dem Mann mit gutem Beispiel vorangehen. Ich habe Briefe gelesen von Arbeiterfrauen, die von ganz anderem Geiste getragen waren, die nicht klagten, sondern den im Felde Weilenden noch aufzurichten suchten, nicht durch phrasenhaften Zuspruch, sondern lediglich durch die schlichte Darlegung ihrer Bestrebungen zur Erhaltung der Familie, ihres Bemühens, dem Heimkehrenden ein Willkomm in seinem Heim bieten zu können Das sind Briefe, die den F(???) stärken und dem Feinde Achtung abgewinnen, wenn sie ihm in die Hände fallen. Die andern dagegen sollten einfach verboten werden. Urban.

(Volksmund, Rubrik „Bonner Angelegenheiten“)