Dienstag, 27. April 1915
Die Bonner Liedertafel hat es sich seit Kriegsbeginn zur Aufgabe gestellt, die in den hiesigen Lazaretten untergebrachten verwundeten Krieger durch Chor- und sonstige Vorträge zu unterhalten und aufzuheitern. Obschon jetzt weit über 100 Sänger des Vereins unter der Fahne stehen, verfügt er noch über ein ganz vorzüglich geschultes Stimmenmaterial und die Auswahl der Darbietungen ist so vortrefflich und abwechselungsreich, daß es für die Verwundeten jedes Mal einen Festtag bedeutet, wenn unsere Liedertäfler erscheinen. Am verflossenen Sonntag konnte der Verein bereits auf die zweiundvierzigste derartige Veranstaltung zurückblicken, die diesesmal ausnahmsweise wieder unter der Direktion des ebenfalls zur Fahne einberufenen Dirigenten Herrn Musikdirektors Werth stand. Die verwundeten Krieger füllten den weiten Saal des als Lazarett eingerichteten Collegiums Albertinum bis zum letzten Eckchen und lauschten andächtig und erfreut den Darbietungen des Chores, unter denen die innigen Volkslieder wohl den größten Eindruck hervorriefen, während der frischgesungene Straußsche Walzer „An der schönen blauen Donau“ allgemein eine heitere Stimmung weckte. Außer solistischen Darbietungen wurden als angenehme Abwechslung, gleich vortrefflich wie die Liedervorträge, prächtige Lichtbilder aus den Alpen vorgeführt. So verlief diese Veranstaltung gleich den vielen vorhergegangenen sehr eindrucksvoll und lang anhaltender Beifall der dankbaren Zuhörer belohnte die Sängerschar, denen es in späteren Zeiten eine schöne Erinnerung an die jetzige große Zeit bleiben möge, auch für ihren Teil mitgeholfen zu haben, die Wunden des Krieges zu lindern.
Im Metropoltheater wird von heute an das dreiaktige Schauspiel „Ohne Vaterland“ mit der berühmten Tänzerin Rita Sachetto in der Hauptrolle im Film gezeigt; dann eingroßes Kriminaldrama aus der Hochfinanz „Bosko der Abenteurer“. Außerdem enthält der Spielplan noch die Kriegsberichte in Bildern und ein Lustspiel „Die vierte Dame“.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten")
Der städtische Kartoffelverkauf hatte sich in den letzten Tagen eines großen Zuspruchs zu erfreuen. Außer an dem Lager Ecke Thoma- und Bachstraße werden in dieser Woche auch in den Kellerräumen des städt. Gymnasiums an der Brückenstraße Kartoffeln verkauft. Gestern wurden an den beiden Stellen insgesamt etwa 160 Zentner abgegeben und zwar in Mengen von 50 Pfund. Große Familien mit sieben oder mehr Personen erhalten einen ganzen Zentner. In der kommenden Woche wird noch eine dritte Verkaufsstelle eröffnet und zwar in der Heerstraßenschule.
Der Bonner Beethoven-Chor veranstaltete am Sonntag nachmittag im Römersaal in Grau-Rheindorf ein Konzert zum Besten der Fortsetzung der Kriegsversicherung der aus dem Dorf eingezogenen Krieger. Das gut besuchte Konzert wurde mit einem Hoch auf Kaiser und Reich eröffnet. Die vorgetragenen Chöre ernteten besonderen Beifall. Als Sopransolistin trug Frl. M. Römer sehr zur Verschönerung des Nachmittags bei. Ebenso gefiel die Dame im Duett mit ihrem Bruder. Der Dirigent Herr Kölzer erntete mit seinen humoristischen Einlagen großen Beifall. Herr Pfarrer Peters, der mit seinem Vikar erschienen war, dankte im Namen der ganzen Gemeinde für das Liebeswerk zu Gunsten der Rheindorfer Krieger.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Falsche Friedensprophezeiungen. Man schreibt uns:
Am 14. Dezember vorigen Jahres veröffentlichte eine hiesige Zeitung folgenden Artikel:
„In allem Ernste veröffentlicht der „Figaro“ die Voraussage eines italienischen Grafen namens Ugo Baschieri, der wissen will, daß der Friede am 27. April kommenden Jahres geschlossen werden wird. Um zu beweisen, daß Baschieri bedeutende Ereignisse vorhersagen kann, erinnert das Boulevardblatt daran, daß dieser seinerzeit das Erdbeben von Santiago de Chile voraussagte, das sich dann tatsächlich an dem angegebenen Tage und zwar zur angegebenen Stunde abspielte.“
Heute ist der 27. April. Aber der Friede ist noch nicht in Aussicht. Deutlicher als an diesem Beispiel des „berühmten“ Baschieri läßt sich der Wert, oder besser gesagt, der Unfug der Friedensprophezeiungen nicht an den Pranger stellen.
Eine Kriegsgedächtnis-Sammlung aus der Kriegszeit, die an die vorhandenen Kriegsammlungen von 1813/15 und 1870/71 im Arndt-Museum in Godesberg/Friesdorf angegliedert werden soll, beabsichtigt ein Ausschuß von Schriftstellern, Dichtern und Gelehrten zu gründen. Die Sammlung wird alle erdenklichen Erinnerungen an diesen Krieg umfassen: Kriegs-Zeitungen, -Zeitschriften, -Lieder, -Bekanntmachungen, -Depeschen, -Flugschriften, -Karten, -Bilder, –Aufzeichnungen. Männer wie Fritz Bley, Defregger, Gustav Falk, Humperdinck, (...), Richard von Kralik, Johannes Trojan und andere unterzeichnen den uns vorliegenden Aufruf. Alle Einsendungen werden an das Museum erbeten.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten")