Samstag, 17. April 1915  

   

Anzeige im General-Anzeiger vom 17. April 1915Oberbürgermeister Spiritus, dessen Amtszeit am 17. Juli ds. Js. abläuft, ist in der gestrigen Sitzung der Stadtverordneten auf Lebenszeit wiedergewählt worden. Ein Sohn der Stadt Köln, wurde Herr Oberbürgermeister Spiritus im Jahre 1891 aus seiner Vaterstadt, wo er das Amt eines Beigeordneten bekleidete, zur Leitung der Stadt Bonn berufen. Während seiner Amtszeit sind die Aufgaben, die den modernen Städten zugewiesen sind, außerordentlich gewachsen. An der Spitze der städtischen Verwaltung hat der Oberbürgermeister für unsere Stadt fruchtbringend und neugestaltend gewirkt. Bonn hat in diesen vergangenen Jahrzehnten das schlichte Kleid der kleinen Mittelstadt abgestreift und schickt sich an, demnächst in die Reihe der deutschen Großstädte einzutreten. Für die Wandlung galt es auf dem Gebiete der Kommunalpolitik großes vorzubereiten. Wir können hier nur an einige wenige Marksteine dieses Entwicklungsganges erinnern, an die Eingemeindungen (1904) und an die städtische Verkehrspolitik, die uns den Bau der elektrischen Vorortbahnen und den Bau der Rheinbrücke (1898) brachte. Der Entwicklung der Stadt folgte der Ausbau der Straßen. Im Anschluß an den Bau der Rheinbrücke wurden die herrlichen Rheinpromenaden angelegt. Die, man kann wohl sagen, berühmt gewordenen gärtnerischen Anlagen in der Stadt gaben ihr das freundliche Bild einer Gartenstadt. Um nur eins hervorzuheben, welche köstliche Stätte ist aus dem einst so verwahrlosten Baumschulwäldchen geworden. Für die Errichtung des Kaiser-Wilhelm-Denkmals war der Herr Oberbürgermeister Spiritus als Vorsitzender des Denkmalausschusses tätig. Der Herr Oberbürgermeister hat sich in der langen Zeit seiner Amtsführung durch sein verbindliches und liebenswürdiges Wesen die Zuneigung unserer Bürgerschaft erworben. Er versteht es auch vorzüglich, die gerade in einer Stadt wie Bonn nicht leichten repräsentativen Pflichten wahrzunehmen und das gute Einvernehmen der städtischen Verwaltung mit den anderen in Bonn ansässigen Behörden, so mit den militärischen und vor allem mit den Universitätsbehörden zu pflegen und zu fördern.
   Die Wiederwahl des Herr Oberbürgermeisters fällt in eine schicksalsschwere Zeit, aber wir hoffen alle zuversichtlich, daß diese Zeit eine neue Herrlichkeit für unser geliebtes deutsches Vaterland heraufführen wird. Möge es unserem Oberbürgermeister vergönnt sein, in dieser neuen Zeit Deutschlands, von der wir alle soviel erwarten und erhoffen, noch viele Jahre zum Segen unserer Stadt zu wirken und sie auch weiterhin voranzuführen unter den ersten Städten des Rheinlandes.
   Oberbürgermeister Spiritus wurde am 24. Februar 1854 in Köln geboren. 1891 erfolgte seine Wahl zum Oberbürgermeister von Bonn. 1892 wurde er zum Mitglied des preußischen Herrenhauses auf Lebenszeit berufen. Im Provinziallandtag der Rheinprovinz ist Oberbürgermeister Spiritus Vorsitzender. Dem Verschönerungsverein für das Siebengebirge, dessen langjähriger Vorsitzender er war, gehört Oberbürgermeister Spiritus als Ehrenvorsitzender an.

Gummi-Sammlung. Wir machen unsere Leser auf den Aufruf im heutigen Anzeigenteil aufmerksam. Am Donnerstag den 22. April werden der Freiwillige Hilfsausschuß und das Pfadfinderkorps eine Haussammlung von alten Gummi-Reifen, Gummischuhen und Resten abhalten. Es wird gebeten, auch die kleinsten Reste zu sammeln und reichlich zum Wohle des Vaterlandes zu spenden.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachr ichten“)

    

Anzeige im General-Anzeiger vom 17. April 1915In der Bonner Sozialen Wohlfahrts-Vereinigung hielt gestern abend Herr Fortbildungsschuldirektor Vins einen überaus beachtenswerten Vortrag über die Frage: Was ist in Bonn zur Unterweisung und Beschäftigung Verwundeter schon geschehen und was kann noch geschehen? Ausgehend von dem Grundsatz, daß die Verwundeten immer Beschäftigung haben müßten, um sie aus der Gefahr der Untätigkeit herauszubringen, erwähnte Redner, was zur Unterhaltung und Belehrung der Verwundeten hier bisher geschehen sei. 114 Soldaten kämen regelmäßig zu den in der Fortbildungsschule eingerichteten fünf Kursen. Alle Arbeiten, die die Verwundeten herstellten, müßten zweckmäßig sein. In jedem Lazarett solle ein Arbeitsraum geschaffen werden. Redner verwies auf die von Verwundeten hergestellten Sachen, die z. Zt. In der Fürstenstraße ausgestellt sind. Was die Ausbildung der Verstümmelten angehe, so solle möglichst jeder bei seinem Beruf bleiben, oder, wenn eben angängig, zu einem Spezialarbeiter ausgebildet werden. Es sei ein Kursus für linkshändiges Schreiben eingerichtet worden, der schon sehr gute Ergebnisse zeige. Ferner beständen allgemeine Kurse ähnlich den Meisterkursen, Kurse für Kaufleute, ein Kursus für freihändiges Zeichnen und Malen, einer für Fachzeichnen, auch für Modellieren. Dazu sollten noch Vorträge kommen. Es komme darauf an, den Verwundeten wieder Freude an der Arbeit beizubringen, ihnen Energie einzuflößen. Die ganze Sache sei jetzt von einem Ausschuß organisiert worden. An den Vortrag schloß sich eine längere Diskussion, in der die meisten Redner und Rednerinnen den Vortragenden beistimmten.

Bismarck-Film. Das reisende „große patriotische Festspiel zum Besten des Bismarck-National-Denkmals“ hatte gestern abend im Bonner Bürgerverein so etwas wie öffentliche Generalprobe für seine drei hiesigen Gastspieltage. Es sollte zwar schon eine ganz normale Aufführung sein, aber weil erstens die Orchesterbeleuchtung versagte (derzufolge die Einlagen hastdunichtgesehen heruntergeschnurrt wurden, um die verpaßte Zeit einzuholen), und später ein Bismarck-Akt die Neigung zeigte, sich kopfstehend im Lichtbild zu produzieren (also der Operateur an der Maschine den Akt umwalzen oder anders einstellen mußte), wurde eine Generalprobe aus dem Abend. Sie ergab Bismarcks Leben: seine Kinder- und Jungmannsjahre (darunter burschikose Szenen aus der Göttinger Studentenzeit), dann seine Landjunkerzeit, folgend die staatsmännische Wirkung und endlich die ungewollten Ausruhjahre und Altern in Friedrichsruh. Doch liegt der Wert des Films nicht in der Szenenfolge, sondern in der Darstellung Bismarcks durch den Hofschauspieler Ludwig. Wie Bismarck in der Vorstellung der Nachwelt auf Grund bekannter Bildnisse lebt, wird er von Ludwig nachgeschaffen. Schauspielerisch am wertvollsten war dabei das große Auge mit dem kühlprüfenden Blick und der nachdenklichen Lidfalte darüber. Das ohne Theatralik zu geben, muß geschätzt werden, wie denn auch die sich ändernde Gesichtsmaske durch alle Lebensalter hindurch. – Unterm Lichtbilde spielte das Städtische Orchester die für diesen Film komponierte Musik von Prof. Hummel.

Die Folgen einer Bierreise. Das Landgericht Bonn hat am 30. Januar d. J. den Friseur Math. Tr. Und die Mitangeklagten Joh. Und P. wegen gefährlicher Körperverletzung, Beleidigung und groben Unfugs verurteilt, und zwar Tr. zu einer Gesamtstrafe von 1 Jahr Gefängnis und 6 Wochen Haft. Am 28. November v. J. saßen die drei Angeklagten abends in einer Gastwirtschaft und gingen von hier aus in eine Weinstube, wo sie eine Zeche von 4,20 Mk. machten. Wegen des Bezahlens kam es zwischen ihnen und dem Wirt zum Streit. Als zwei Italiener dem Wirte zu Hilfe kamen, entstand eine Schlägerei, bei der der eine Italiener von J. und P. mit Aschbechern auf den Kopf geschlagen wurde, so daß er eine klaffende Wunde erhielt. Von diesem Lokal aus gingen die Angeklagten in früher Morgenstunde in ein Café, wo ein Dienstmädchen gerade mit Aufräumen beschäftigt war. Als sie nichts zu trinken bekamen, skandalierten sie, zerschlugen zwei Vasen und vergriffen sich tätlich an dem Mädchen. Auf der Straße belästigten sie alsdann ein Milchmädchen, warfen ihm einige Kannen um und Tr. Versetzte ihm sogar einen Fußtritt. Gegen das Urteil hatte nur der Angeklagte Tr. Revision eingelegt mit der Begründung, die Feststellungen dafür, daß er sich dem Italiener gegenüber einer gefährlichen Körperverletzung schuldig gemacht habe, reichten nicht aus, um seine Verurteilung zu rechtfertigen. Ebenso sei in dem zweiten Falle nicht erwiesen, daß er geschlagen. Das Reichsgericht hielt die Revision in diesen beiden Fällen für begründet; es hob deshalb heute das Urteil in diesen beiden Punkten, sowie hinsichtlich der Gesamtstrafe auf und verwies die Sache insoweit an die Vorinstanz zurück. Im übrigen verwarf es die Revision als unbegründet.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

    

Anzeige im General-Anzeiger vom 17. April 1915Die Baumblüte. Bleibt es jetzt noch einige Tage so sonnig und warm wie gestern, dann werden wir etwa Ende der nächsten Woche im Vorgebirge, in den Ortschaften um Godesberg und im “Ländchen“ tausende Obstbäume im rosig-weißen Blütenmeer schimmern sehen. An den bevorzugten Orten der Baumblüte trifft man bereits Vorbereitungen für den Besuch der Großstädter, und die Restaurants und Kaffeehauswirtschaften werden hoffentlich auch in diesem ernsten Kriegsjahr nicht ganz leer ausgehen. Sicherlich werden auch Eisenbahn und Rhein-Dampfschiff-Gesellschaften Vorkehrungen treffen. Wahrscheinlich werden wir in diesem Jahr eine ganz besonders schöne Baumblüte bekommen.

Sanitätshunde. Dem Herrn Amtsrichter Mundorf aus Bonn, der als Führer eines Sanitätshundes im Felde steht, ist das Friedrich August-Kreuz 2. Klasse verliehen und er ist gleichzeitig zum Gefreiten befördert worden. Von dem Rittmeister seiner Sanitätskompagnie ist nachstehendes Zeugnis über die Bonner Führer bei der hiesigen Meldestelle hier eingegangen:
   „Der Ersatz der Hundeführer der Meldestelle Bonn ist, wie ich dieser Meldestelle zu meiner Freude schon mitteilen konnte, besonders gut. Die Führer sind intelligent und in der Erfüllung ihrer Obliegenheiten peinlich genau. Insbesondere lassen sie es sich am Herzen liegen, ihre Hunde auf der Höhe der vorzüglichen Dressur zu erhalten. Drei der Führer gehören den gebildeten Ständen an und ich konnte sie von dem für die Führer von mir eingeführten Unterrichte in der französischen Sprache und im Kartenlesen befreien.“

Höchstpreise und Provisionen. Nach dem Gesetze über die Höchstpreise vom 4. August 1914 ist derjenige mit Gefängnis bis zu einem Jahre oder mit Geldstrafe bis zu 10000 Mark zu bestrafen, der die festgesetzten Höchstpreise überschreitet, und der einen anderen zum Abschluß eines solchen Vertrages auffordert oder sich zu einem solchen Vertrage erbietet. Wie bekannt geworden ist, werden öfters die Bestimmungen des Gesetzes dadurch zu umgehen versucht, daß neben dem eigentlichen Preise noch eine „Provision“ verlangt wird. Dieses Verfahren ist ebenso strafbar und zieht gerichtliche Verfolgung nach sich.

Anzeige im General-Anzeiger vom 17. April 1915Abschuß von feldernden Tauben. An die Landwirte ergeht die Mahnung, die gebotene Gelegenheit, in der Zeit vom 15. bis 24. ds. Mts. die Feldtauben abzuschießen oder einzufangen, nicht unbenutzt vorübergehen zu lassen. In dieser Zeit ist bekanntlich eine Brieftaubensperre für alle Militärbrieftauben und die dem Militär zur Verfügung gestellten Tauben verhängt, damit die Feldflüchter, welche den Saatfeldern so großen Schaden zufügen, beseitigt werden könnnen. Es sind dies meist Tauben, die in Dörfern gehalten werden und fast ausschließlich von dem leben, was ihnen die Aecker bieten, Bei derselben Gelegenheit sei auch darauf hingewiesen, daß es geboten erscheint, dem Spatzenvolk mehr Aufmerksamkeit zuzuwenden, das bei der Aussaat und vor der Ernte, beim Reifen des Getreides sowie beim Einbringen desselben der Landwirtschaft großen Schaden zufügt.

Hebt alle Gummireste auf, besonders alte Fahrrad-Gummireifen, Schläuche, Gummischuhe, überhaupt alles, was aus Gummi hergestellt ist. Am Donnerstag 22. April werden die bewährten Hilfskräfte des freiwilligen Hilfsausschusses für Truppen, und das Pfadfinderkorps von Haus zu Haus gehen und das Gesammelte abholen; auch werden Schulkinder in ihren elterlichen Wohnungen sammeln. Wir hoffen, daß die Bürgerschaft Bonns, wie das auch an anderen Orten geschehen ist, sie reichlich mit Gaben bedenken wird.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)

     

Anzeige im General-Anzeiger vom 17. April 1915Oberbürgermeister Spiritus ist in der gestrigen Stadtverordnetenversammlung mit 25 von 27 abgegebenen Stimmen wieder gewählt worden. Alsdann entschied sich die große Mehrheit durch Handaufheben für seine Wahl auf Lebenszeit. Der größte Teil der Zentrumsfraktion hat also sein anfängliches Widerstreben oder Zaudern aufgegeben und hat sich im entscheidenden Augenblick mutig der Mehrheit angeschlossen, was hinterher leicht mit dem „Burgfrieden“ erklärt und begründet werden kann.

Sein Silberjubiläum konnte der Geschäftsführer der Deutschen Reichszeitung Johannes Tinner am 14. ds. Mts. begehen. Mit seltenem Arbeitseifer hat Herr Tinner sich dem Hauptmann´schen Unternehmen gewidmet, von der Pike auf hat er alle Stadien der Buchdruckerkunst durchgemacht und sich die Wertschätzung seines Chefs, sowie Achtung und Beliebtheit bei den zahlreichen Angestellten erworben. Bei einer kleinen, der heutigen Zeit angepaßten Feier, wurde der vielen Verdienste Tinners gedacht. Eine geschmackvoll ausgeführte Glückwunschadresse seitens der Angestellten und eine wertvolle Uhr als Geschenk des Chefs der Firma wurden dem Jubilar neben zahlreichen Blumenspenden überreicht.

(Volksmund, Rubrik „Bonner Angelegenheiten“)