Montag, 29. März 1915  

  

Anzeige in der Deutschen Reichs-Zeitung vom 29. März 1915Der Palmsonntag, von dem man sonst erwartet, daß er ein warmer Frühlingssonntag ist, brachte gestern trotz des Sonnenscheins einen frischen Ostwind. Spaziergänger sah man nur wenige draußen. Die Stadt selbst bot auch nicht das lebhafte Bild, wie es in früheren Jahren der für die Geschäftsleute freie Sonntag mit sich brachte.

Die als Sanitätsmannschaften unter Vorbehalt entlassenen medizinischen Studierenden können nach dem Bestehen der ärztlichen Vorprüfung und nach dem Besuch von zwei klinischen Semestern auf ihren Antrag für den Mobilmachungsfall in Stellen von Unterärzten verwendet werden.

Rhabarberblätter als Gemüse. Aus dem Felde wird uns folgendes Rezept zugesandt: Es wird nur wenigen Hausfrauen bekannt sein, daß die Rhabarberstaude nicht nur die fleischigen Stiele als wohlschmeckenden, gesunden Nachtisch liefert, sonders daß auch die großen Blätter, nach der Entfernung der Rippen, wie Spinat gekocht, ein wohlschmeckendes Gemüse geben. Da in dieser Zeit alles nach Möglichkeit verwendet werden muß, sollte jede Hausfrau die sehr ergiebigen Rhabarberblätter in der angegebenen Weise verwenden.

 (Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

Deutsche Frühlingsmode
Das „Los von Paris" ist namentlich in der Mode zum Schlagwort geworden. In einer französi­chen Zeitung erschien vor kurzem ein Bild, auf dem unter dem Titel: „Dank dem aufgeklärten Patriotismus seiner Eleganten hat Deutschland endlich eine selbständige Mode ganz allein für sich geschaffen", grotesk-komische Damen in Uniformen und mit Helmen, Federbüschen und Stulpenstiefeln einherspazieren. Jawohl, Deutschland hat sich auch eine selbständige Mode, eine Mode ganz allein für sich zurecht gemacht, aber keine häßliche, unkleidsame und lächerliche, sondern eine sehr reizvolle, ansprechende und elegante.
   Den ganzen Winter hindurch haben die Damen mit großer Selbstverleugnung ihre Mußestun­den dem Anfertigen von Halstüchern, Pulswärmern und Westen gewidmet und seit 8 Mona­ten freiwillig auf alle Vergnügungen seligen Angedenkens verzichtet, um nur von den drau­ßen im Felde Stehenden zu sprechen und für sie zu arbeiten. Die Anzeige im General-Anzeiger vom 29. März 1915feinen Finger strickten und häkel­ten und dienten auf diese Weise dem Vaterlande. Das verdient doch eine Belohnung: Und der Frühling bringt sie. Die Freuen zeigen wieder ein ganz klein wenig Freude am hüb­schen An­ziehen. Schon sieht man überall auf den Verkaufstischen und bei den Schneiderin­nen die leichten Leinen, Batiste und feinen Spitzen liegen, und bei den Putzmacherinnen weiden sich die Augen an den blumenbesetzten Hüten. Wir werden eine neue, eine deutsche Mode in diesem Sommer bekommen. Vielleicht eine Schützengrabenmode? Ach nein! Aber beinahe könnte man es glauben, so kurz sind die Röcke und so hoch die Stiefel! Aber die Mode ist es sich schuldig, jede schmerzhafte Erinnerung aus ihrem Gesichtskreis zu verban­nen! Heute kämpfen wir noch, aber morgen rufen wir: „Sieg!"
   Die Kleider sind reizend und eigenartig mit ihren weiten Röcken, die die engen winterlichen verdrängt haben, ohne sich aber deswegen bis zur Krinoline zu versteigen. Immerhin haben manchen den liebenswürdigen Umfang von 4 bis 41/2 Metern. Die einen verlegen ihre Weite – Bäuerinnenröcken ähnlich – um die Taille herum, andere sichern sie sich durch mehr oder weniger breite Falten. Es gibt auch solche, bei denen die Weite von einem um den Oberkör­per fest herumgelegten Mieder ausgeht. Manche sind gerade, andere schräg geschnitten, was ihnen gestattet, tütenförmige Falten zu bilden, die zusammen mit Volants die größten Triumphe davontragen. Fast alle beschließen jedoch ihre Laufbahn dort, wo der hohe Stiefel die seinige beginnt.
   Dagegen verlängern sich die Aermel zusehends und fallen graziös auf die Hände herab. Die meisten Blusen lassen die Körperformen vorteilhaft zur Geltung kommen, manche ha­ben Kragen, andere jedoch bleiben dem dreieckigen Halsausschnitt getreu.
    Um die Harmonie dieser weiten, kurzen Kleider zu vervollständigen, werden schöne Seiden für die schwarzen Lackstiefel am Tage und die gekreuzten Kattune des Abends verwandt. Für Schneiderkleider gibt man Serge und Wolle den Vorzug. Immerhin braucht man sich mit dem Weitermachen der Kleider noch nicht allzusehr zu beeilen. Es gibt noch eine ganze Menge von Schneidern und Schneiderinnen, die den Saum der Röcke nur aus dem Grunde eng las­sen, um ihre Kundinnen am Fortlaufen zu verhindern. Denn es gibt nichts Häßlicheres als eine Frau, die zu große Schritte nimmt.
   Und die Hüte? Das ist ein sehr unterhaltendes Kapitel, wenn die kleinrandigen auch im allge­meinen Herrscher zu sein scheinen. Garniert wird nur wenig, denn der Reiz liegt hauptsäch­lich in den Farben, die sehr kühn sind. Viele Bänder, Schleifen, Schluppen, die sogar zum Schmuck der Hutnadeln verwandt werden. Bisweilen schlängeln sich auch zwei parallel lau­fende Kränze von Feldblumen um die hohe, runde Hutform herum: Primeln, Veilchen, Ane­monen, Reiher und Federn scheinen etwas vernachlässigt zu werden. Der Blumenschmuck ist billiger und schon aus diesem Grunde für die jetzige Zeit praktischer. 

(Bonner Zeitung)

 

Anzeige im General-Anzeiger vom 29. März 1915Scharfer kalter Märzwind stritt gestern mit warmem Sonnenschein um die Herrschaft des Tages. Wo der Wind, der aus Nordosten kam, einen faßte, erschauderte man vor Kälte bis ins Mark. Wo die Sonne im Windschutz strahlte, war es mollig warm. In der Nacht, auch schon in den vorhergehenden Nächten, fror es wie mitten im Winter. Die Fenster zeigten in Ostlage Eisblumen. Ein selten klarer Tag war gestern. Vom Kreuzberg aus sah man Köln mit allen seinen Türmen, mächtig überragt von seinem Dom, und auf diesem sogar, auf der First des Kirchenschiffes den Dachreiter; eine Seltenheit.
   Der Kreuzberg war gestern das Ziel vieler frommer Beter, die am Palmsonntag, als den letzten Fastensonntag hierhergekommen, um ihre Andacht zu verrichten. Bis spät in den Abend zogen kleinere und größere Gruppen betend den Berg hinan und zur Wallfahrtskirche. Dem Ernst der Zeit entsprechend fehlten die Fastenbrezeln sowie alle Verkaufsstände.
   Der geschäftsoffene Sonntag hatte gestern viele Käufer nach Bonn geführt. Vom frühen Morgen schon an zogen aus der Umgegend die Menschen in überfüllten Zügen und kleinen und großen Trupps in die Stadt, um am Nachmittag mit Paketen geladen heimzukehren. Die Abendzüge waren derart besetzt, daß die Zugbeamten die Heimreisenden kaum unterzubringen vermochten.

Zusammensetzung des Einheitsbrotes. Nach einer Bekanntmachung des hiesigen Landrats wird mit der Zustimmung des Regierungspräsidenten bestimmt, daß bis auf Weiteres Feinbrot aus 10 Teilen Weizenmehl, 20 Teilen Roggendoppelschrot und 10 Teilen Kartoffelmehl bereitet wird. Schwarzbrot ist bis auf Weiteres aus 80 Teilen Roggenschrot, 10 Teilen Weizenmehl oder Weizenschrot und 10 Teilen Kartoffelmehl herzustellen. (Siehe Bekanntmachung im Anzeigenteil)

Ein Nichtrauchertag. Die Raucher von Breslau beabsichtigen, am 6. Mai, dem Geburtstag unseres Kronprinzen, einen allgemeinen Nichtrauchertag zum Besten unserer tapferen Truppen im Felde einzurichten. Jeder Raucher, ob arm oder reich, soll seinen Tagesverbrauch an Tabak, Zigarren oder Zigaretten gewissenhaft berechnen und das Geld für den 6. Mai bereit halten. Die Tabakindustrie wird durch diesen Nichtrauchertag keine Einbuße erleiden, da in erster Linie wiederum Rauchwaren für unsere Truppen eingekauft werden sollen. Die Breslauer Raucher hoffen, daß alle übrigen deutschen Städte dem Plane zustimmen werden und auch ihrerseits am 6. Mai einen solchen Nichtrauchertag veranstalten. Man hofft auf diese Weise einige Millionen Mark zum Besten unserer im Felde stehenden Soldaten aufzubringen.

Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

 

Anzeige in der Deutschen Reichs-Zeitung vom 29. März 1915Der Hauptvorstand vom Eifelverein hielt gestern Mittag im Bonner Bürgerverein eine Sitzung an, die der stellvertr. Vorsitzende Dr. Andreae leitete. Die Versammlung genehmigte nachträglich die Zeichnung von 50.000 M. auf die Kriegsanleihe. Der Rechnungsabschluß wurde in der vorgelegten Form genehmigt. Das Vereinsvermögen beträgt 59.000 M. Dann wurde Bericht erstattet über die einzelnen Gebiete der Vereinstätigkeit. Von der geplanten Herausgabe eines Eifelführers in französischer Sprache wurde Abstand genommen. Die Sommerfrischen sollen auch im kommenden Jahr offen gehalten werden. Die Instandsetzung der Oberburg in Manderscheid, die 6 ½ tausend Mark kostet und für die gestern ein Vorstandsmitglied 1500 M. zur Verfügung stellte, soll sofort in Angriff genommen werden. Die Hauptversammlung soll am Sonntag nach Pfingsten in Wittlich abgehalten werden. Folgender Antrag der Ortsgruppe Bonn:
   „Die zum Militärdienst eingezogenen Vereinsmitglieder sind von den Ortsgruppen allgemein für das laufende Jahr von der Zahlung der Vereinsbeiträge freizustellen. Für diese Mitglieder sind von den Ortsgruppen Beiträge an den Hauptverein nicht zu entrichten“ wurde in dem Sinne angenommen, daß es jeder Ortsgruppe überlassen bleibt, die Mitglieder von der Zahlung der Beiträge zu befreien.

Weil er „geschwefelte“ Leberwurst verkauft hatte, ist ein Metzger von hier im Januar von der Strafkammer zu einer Geldstrafe von 10 Mark verurteilt worden. Das Nahrungsmittelamt stellte auf 100 Gramm Wurst 7 bis 8 Milligramm schweflige Säure fest. Der Angeklagte legte gegen das Urteil Berufung ein, weil er die Säure der Wurst nicht „zugesetzt“, sondern nur Schwefeldämpfe beim Räuchern verwendet habe, wie das bei den Bonner Metzgern seit über 10 Jahren üblich sei. Das Reichsgericht verwarf die Berufung mit der Begründung, jeder Schwefelsäurezusatz zur Wurst sei strafbar, gleichviel, ob die Säure durch das Räuchern oder auf andere Weise in die Wurst eingedrungen sei. Daß das Schwefeln bei den Bonner Metzgern üblich sei, schütze den Angeklagten nicht vor Strafe.

 (Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)