Dienstag, 23. März 1915
Die Stadtverordneten bewilligten in ihrer gestrigen Sitzung ohne Debatte einige Vorlagen, wie die Verminderung der Bäume in der Bismarckstraße, Gewährung eines Zuschusses zur Quartierverpflegungsentschädigung usw. Als wichtigster Punkt stand die Festsetzung des Haushaltsplanes auf der Tagesordnung. Da zeigte sich eine im Stadtverordnetenkollegium seltene Einmütigkeit. Nach den begründenden Ausführungen des Herrn Oberbürgermeisters beantragte Herr Stadtv. Dr. Krantz, der Etat möge in seiner Gesamtheit ohne weitere Debatte angenommen werden. Herr Stadtv. Henry schloß sich dem Antrage an. Dem Ernste der Zeit entsprechend verzichteten die Stadtverordneten auf kleinliche Ausstellungen. Einstimmig wurde der Etat in seiner Gesamtheit angenommen.
Freiwilliger Hilfsausschuß. (Fortsetzung.) Der Redner bezeichnete dann als neue Aufgaben des Freiwilligen Hilfsausschusses die Sammlung von Liebesgaben für unsere Ostarmee, für die Provinz Ostpreußen, für welche besonders Kleider und Hausgerät erwünscht seien, die Absendung von Osterliebesgaben für unsere Bonner Soldaten in der Champagne, die sich in den letzten Kämpfen in der Champagne in so hervorragender Weise ausgezeichnet hatten, schließlich eine Sendung von Liebesgaben für unsere verbündeten Truppen in den Karpathen. Bei Spendung von Liebesgaben mögen die Bürger aber auch nicht des Lesestoffes vergessen. Um diese Aufgaben durchführen zu können, bedarf der Hilfsausschuß großer Betriebsmittel. Dr. Krantz schlug zur Erlangung dieser Mittel vor, an zwei Tagen in der Woche in Bonn eine Geldsammlung zu veranstalten, außerdem am Bahnhof eine Geldsammelstelle zu errichten. Ferner empfahl er, Gefäße aus Kupfer, Messing, Zinn, Bronze, die im Haushalt entbehrlich sind, dem Hilfsausschuß zur Verfügung zu stellen. (...)
Am Schluß seiner Ausführungen betonte der Redner als die wichtigste Aufgabe des Hilfsausschusses, den Geist des Pflichtbewußtseins und der opferfreudigen Hilfe immer wieder aufs neue anzuregen. In dieser ernsten, vaterländischen Zeit hat ein jeder die Pflicht, nicht nur bei bescheidener und anspruchsloserer Lebensführung seines bürgerlichen Berufes mit besonderer Treue sich zu widmen, sondern er muß auch mitwirken an dem großen Werke. Auch für uns, die wir zurückgeblieben sind, heißt es, handeln und nicht bloß reden. Wir dürfen nicht ruhen und nicht rasten, denn es ist keine Zeit der Ruhe, sondern der Unruhe. Wir müssen immer bereit sein, zu helfen und nochmals zu helfen, um den Mut unserer tapferen Soldaten durch Zuversicht und unerschütterliche Treue zu heben und zu halten. (...)
Dann ergriff Herr Rechtsanwalt Henry das Wort zu seinem Vortrage über „Lille vor vier Monaten und heute“. Die Bonner Verbands- und Erfrischungsstelle Prinzeß Viktoria hat sich in den vier Monaten durchaus bewährt und allseitige Anerkennung gefunden. Die durchschnittliche Ausgabe der Portionen beläuft sich auf 4–5000 täglich. An einem Tage wurden sogar 9000 Portionen ausgeteilt. In Lille selbst hat sich wieder der normale Verkehr eingestellt. Der Vortrag wurde durch gut getroffene Photographien unterstützt.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
An der großen Samariterübung, welche am Sonntag im Kottenforst von der Freiwilligen Sanitätskolonne, dem Pfadfinderkorps Bonn, dem Verein für Sanitätshunde, den Sanitätern des Herrn Grafen Döhnhoff und dem Pfadfinderinnenkorps Bonn veranstaltet wurde, nahm unter reger Anteilnahme eines zahlreichen Publikums über 200 Personen und mehrere Fuhrwerke teil. Nach einem flotten Marsch fand als erste Uebung das Absuchen der teils recht sumpfigen und mit Unterholz bewachsenen Steppe hinter Röttgen nach Verwundeten, die Errichtung eines Feldlazaretts und das Verladen auf Wagen statt. Dann gings zum Tomberg, wo sich ein vergnügtes Lagerleben entwickelte und ein großes Kriegsspiel mit Sanitätsübungen stattfand, das außerordentlich interessante Bilder bot. Gegen 10 Uhr rückten die letzten Teilnehmer wieder in Bonn ein.
Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Daß unsere Truppen im Felde nicht immer zu hungern brauchen, geht aus dem Feldpostbrief eines Bonner Jägers hervor, der an den Kämpfen vor Warschau teilnimmt. Er schreibt: „...Heute mittag gabs Hühnersuppe mit Kartoffelpurre, jetzt zum Kaffee essen wir russisches Brot, Wurst, Eier, Schinken, Honig. Wenn Ihr mich beim Futtern sehen könntet, kriegtet Ihr Respekt“.
Das ist so Kriegers Los: Heute Entbehrungen aller Art, morgen Ueberfluß an Speise, Trank und Kleidung.
Merkt es euch! Ein Krieger schreibt von der Front: „Wie schwer wird daheim die Einschränkung des Brot- und Mehlverbrauches empfunden. Und wie viel wird gejammert deswegen! Herrgott, jeden Einzelnen möchte ich das an den Schultern nehmen und ihm sagen: Mensch, sei doch zufrieden! Wie wäre es heute, wenn unsere Sache krumm gegangen wäre? – Komm’ herüber, sieh dir die Leute an, die die ganzen Schrecken des Krieges durchzukosten haben, denen Haus und Hof, Hab und Gut zu einem Trümmerhaufen geschossen wird von der Artillerie der beiden Gegner. Und dann gehe heim und – jammere weiter, wenn du es vermagst! – Ein Feldgrauer.“
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)