Sonntag, 31. Januar 1915

 

Anzeige in der Deutschen Reichs-Zeitung vom 31. Januar 1915Getreide- und Mehlvorräte am 1. Februar 1915. Wer in der Nacht vom 31. Januar zum 1. Februar 1915 Vorräte von Weizen (auch Dinkel und Spelz), Roggen, allein oder mit ande­rer Frucht gemischt, und Hafer, sämtlich auch ungedroschen, Weizen-, Roggen-, Hafer- und Gerstenmehl in seinem Gewahrsam hat, ist verpflichtet, diese Vorräte in das von Zäh­lern übergebene Anzeigeformular einzutragen. Von der Anmeldung sind befreit:
a) Vorräte an gedroschenem Getreide oder an Mehl, die zwei Zentner insgesamt nicht übersteigen. Wer weniger als diese Menge in Gewahrsam hat, hat die am Schlusse der An­zeige vorgesehene Erklärung zu unterschreiben.
b) Vorräte, die sich im Eigentume der Kriegs-Getreide-Gesellschaft m.b.H. und der Zen­traleinkaufsgesellschaft m.b.H. befinden.
Alle Angaben haben in Zentnern zu erfolgen. Jede andere Gewichtsangabe ist verboten.
Ungedroschenes Getreide ist nach dem zu schätzenden Körnerertrag anzugeben.
Als Mehl ist auch das zur menschlichen Ernährung dienende Schrot und Schrotmehl anzugeben.
Es sind nur die im eigenen Gewahrsam befindlichen Vorräte anzugeben, aber auch dann, wenn sie anderen Eigentümern gehören, ausgenommen sind die oben unter b) erwähnten.
Gehören die Vorräte nicht dem Anzeigenden, sondern einem anderen, so ist der Eigentü­mer mit Namen und Wohnort, außerdem Gewicht und Art des ihm gehörenden Getreides und Mehles anzugeben.
Die vorhandenen Vorräte sind vollständig anzugeben. Es ist unzulässig, irgendwelche Ab­züge für den Bedarf des Haushalts, des gewerblichen oder landwirtschaftlichen Be­triebs zu machen.
Landwirte sollen die Menge des zur Frühjahrsbestellung nötigen Saatgutes nach gewis­senhafter Berechnung und ferner die Zahl der zu ihrer Hauswirtschaft gehörigen Perso­nen angeben. Hierher gehören Familienmitglieder, Gesinde, Pensionäre, Arbeiter einschließl­ich ihrer Angehörigen, Deputanten, Altenteiler, Anstaltsinsassen, soweit sie in dem land­wirtschaftlichen Betriebe regelmäßig Beköstigung erhalten oder durch fortlaufende Liefe­rung von Brotgetreide oder Mehl zu ernähren sind.
Anzeige im General-Anzeiger vom 31. Januar 1915Bäcker und Konditoren haben außer der Vorratsanzeige die in der Zeit vom 1. bis ein­schließlich 15. Januar 1915 verbackene Mehlmenge anzugeben.
Händler haben außer der Vorratsanzeige die in der Zeit vom 1. bis einschließlich 15. Janu­ar 1915 verkaufte Mehlmenge anzugeben.
Die zuständige Behörde ist berechtigt, zur Nachprüfung der Angaben die Vorrats- und Be­triebsräume des Anzeigepflichtigen zu untersuchen und seine Bücher prüfen zu lassen.
Die Anzeige ist in der Zeit vom 1. bis einschließlich 5. Februar 1915 unter der Versiche­rung abzugeben, daß die Angaben nach bestem Wissen und Gewissen gemacht sind. An­zeigen ohne Unterschrift gelten als nicht abgegeben.
Getreide- und Mehlmengen, die sich mit dem Beginn des 1. Februars 1915 auf dem Trans­porte befanden, sind unverzüglich nach dem Abladen von dem Empfänger anzuzeigen.
Wer die geforderten Anzeigen nicht in der gesetzten Frist beantwortet, oder wer wissent­lich unrichtige oder unvollständige Angaben macht, wird mit Gefängnis bis 6 Monaten oder mit Geldstrafe bis 1500 M. bestraft.

Im Metropoltheater wird eine Geschichte aus dem internationalen Mädchenhandel, betitelt „Leichtsinn“, im Film gezeigt. Die Hauptrolle spielt die bekannte Kopenhagener Künstlerin Gudrun Houlberg. Außerdem weist das Programm noch zwei gute lustige Geschichten auf: „Gute Freunde“ und „Eine Frau auf Pump gesucht“.
  
Im Viktoria-Theater (Gangolfstr.) wird dem Publikum ein neuer Asta-Nielsen-Film vorgeführt. „Das Feuer“; außerdem ein historischer Einakter aus der zeit Ludwigs XIII.: „Der sprechende Brunnen“ und ein zeitgemäßer Kriegsfilm: „Silvesternacht im Schützengraben“.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

 

Anzeige im General-Anzeiger vom 31. Januar 1915Eifelverein. Die hiesige Ortsgruppe ladet die Mitglieder und Freunde ihrer Bestrebungen auf Montag, 1. Februar, abends, zur 29. ordentlichen Jahreshauptversammlung in den oberen Gartensaal im Hähnchen ein. Hieran schließt sich ein Vortrag des Herrn Rektor Zender über die bodenständige Sinnesart des Eifelvolkes im Spiegel alter Volksüberlieferungen und ihren vaterländischen Opfergeist im großen Völkerringen der Gegenwart.

Gedenket der Vögel! Bei den Schneefällen der letzten Tage ist es unserer Vogelwelt fast unmöglich geworden, Nahrung zu finden. Tausende unserer fröhlichen Sänger müssen eingehen, wenn nicht für sie gesorgt wird. Wir alle hoffen auf eine gute Ernte in diesem Jahre. Um diese zu schützen, ist es notwendig, dafür Sorge zu tragen, daß unsere Singvögel den Winter überleben und beim Vertilgen von Raupen, Schnecken und wie das Ungeziefer sonst so heißt, eifrig mithelfen.

Einschränkung des Brotverbrauchs in den Wirtschaften. Der Oberbürgermeister ersucht uns, nochmals auf den Erlaß des Ministers für Handel und Gewerbe und des Ministers des Inneren vom 4. November 1914 aufmerksam zu machen, der sich gegen den verschwenderischen und gedankenlosen Verbrauch des Brotes richtet. Heute noch werde in vielen Gast- und Speisewirtschaften den Gästen Brot und anderes Gebäck zum beliebigen Genuß und ohne Sondervergütung zur Verfügung gestellt. Wird für das genossene Brot besondere Bezahlung verlangt, so wird ein solcher überflüssiger Verbrauch des Brotes alsbald eingeschränkt werden. Dies mag in der Menge wenig ausmachen; es handelt sich jetzt aber darum, das Gebot, eine verständige Sparsamkeit mit dem Brote walten zu lassen, täglich möglichst weiten Kreisen der Bevölkerung in Erinnerung zu bringen.  

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

 

 Anzeige in der Deutschen Reichs-Zeitung vom 31. Januar 1915Populärwissenschaftlicher Vortrag. Prof. O.Francke – Hamburg über „Deutschland und China vor und nach dem Kriege“: Eins der größten Hemmnisse für die Entwicklung unserer Außenpolitik erblickt Professor Francke in der deutschen Angst vor der „Gelben Gefahr“. In deutschen Zeitungen habe man in diesen Kriegsmonaten oft von dem „Eindringen schlitzäugiger Mongolen in europäische Kultur“ gelesen. Machen wir uns einmal von den Gefühlen des gerechten Zornes frei – sagte Prof. Francke – und denken wir über die Dinge ruhig und objektiv nach, dann finden wir in der Beteiligung Japans in dem Krieg gegen uns durchaus nichts Mongolisches, nichts Schlitzäugiges, sondern etwas Westeuropäisches, die Ergebnisse der englischen Schule. Wie England im Verein mit Frankreich im Osten eine Atmosphäre des Mißtrauens und Abneigung gegen das Deutschtum zu erzeugen versuchte und in Japan mit Erfolg (das englisch-japanische Bündnis im Jahre 1902) erzeugt hat, wie die Engländer sich 1904 durch den Krieg Japans gegen Rußland Genugtuung verschafften und wie sie durch die Maschinerie ihrer skrupellosen, von geradezu teuflischer Infamie geleiteten Politik gegen Deutschland dirigierten unter immer wiederholten Freundschaftsversicherungen an die ostasiatischen Völker, das zeigte der erfahrene Orientkenner und kluge Politiker in einem glänzenden Vortrag. Er vergaß dabei auch nicht die Fehler und Ungeschicklichkeiten unserer Anzeige in der Deutschen Reichs-Zeitung vom 31. Januar 1915politischen Lehrlingszeit im Osten. China machte sich über die Freundschaftsversicherungen und die Bürgschaftsverträge seiner ungewählten Beschützer schließlich seine eigenen Gedanken und vertraute nur noch Amerika und Deutschland, die sich beide in dem Gewirre von Abmachungen und Verträgen freigehalten hatten. So gewann sich Deutschland in China im Laufe der Jahre eine Vertrauensstellung. Und eben diese Vertrauensstellung machte es uns möglich, deutsche Kultur und Arbeitsart in China zu verbreiten. Ungemein segensreich wirkte vor allem unser Tsingtau, dessen heldenmütige Verteidigung (...) die chinesischen Sympathien für Deutschland noch wesentlich steigerte. Mit Tsingtau wollten wir Deutsche nicht in die politischen Interessen der Chinesen eingreifen, es war uns vielmehr um einen Stützpunkt für den friedlichen Handel und eine freundschaftliche Annäherung an das chinesische Volk zu tun. Nun aber liegt es, eine Beute gierigen Neides, in Trümmern. Ob wir Tsingtau wiedergewinnen oder nicht, was an uns liegt, wird geschehen, um China zu einem wirtschaftlich und militärisch starken, unabhängigen Reich zu machen. Unsere Aufgaben werden wir nach dem Kriege (...) mit noch größerem Eifer fortsetzen. Die Türkei und auch China wissen, daß sie den Aufteilungsbemühungen der Ententemächte nur durch ihre Freundschaft mit Deutschland entgehen können. Sie wissen, daß jetzt auf den westeuropäischen Schlachtfeldern auch ihr Schicksal entscheiden wird. Wir aber müssen alle Rassenangst, alle Furcht vor der „Gelben Gefahr“ unter uns bekämpfen. Auf die Hautfarbe kommt es nicht an, sondern auf den inneren Wert und die Kraft eines Volkes. Wenn es aber einmal eine „Gelbe Gefahr“ geben sollte, dann hat Europa es verschuldet. Und es hat sie dann verdient.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)