Freitag, 29. Januar 1915
Bei der Kaisergeburtstagsfeier in der Lese- und Erholungsgesellschaft führte Herr Pastor Kremers aus, daß in diesem Jahre der Tag nicht bei fröhlichem Gläserklang gefeiert werden könne, dazu sei die Stunde zu ernst. Eine große Enttäuschung habe der Kaiser, der allezeit den Frieden gewollt habe, erlebt, als wie ein Blitz aus heiterem Himmel die Nachbarn uns mit Krieg überziehen wollten. Unvergeßlich werden uns die ersten Tages der Augusts bleiben, da wir die Einheit der ganzen Nation sahen. Große Dinge sind seitdem schon geschehen. Nicht nur die Glocken der Heimat, sondern auch die in Polen, Belgien und einem Teile Frankreichs läuteten zum Geburtstage unseres Kaisers. Der Krieg hat die bösen Geister des Neides und der Zwietracht verscheucht, er hat einen neuen Orden, den Schützengrabenorden gestiftet, dem alle angehören, vornehm und gering, reich und arm. Das Ausland versteht diese treue Gefolgschaft, die das deutsche Volk dem Kaiser leistete, nicht. Es erblickt darin nur Tyrannei und Unterdrückung. Es weiß nicht, daß es ein tiefes sittliches Verhältnis ist, das das deutsche Volk mit dem Kaiser verbindet, das auf beiden Seiten seine Rechte und Pflichten hat. Es ist das große Werk unseres Kaisers, daß er Heer und Marine auf diese Höhe gebracht hat; daß er alle Kräfte der Technik und der Wissenschaft in den Dienst der Volksverteidigung gestellt hat. Mit großer Freude kann er jetzt auf sein Werk blicken. Er hat verstanden, das Volk zu lenken und zu leiten, sodaß heute alle mit Vertrauen ihm folgen. Ein einziger Heilruf schallt durch das Land. Kaiser Wilhelm II. ist eigentlich der erste ganz deutscher Kaiser. Er fühlt mit allen Deutschen in der ganzen Welt. In ihm sind verkörpert die Eigenschaften, die die deutsche Art ausmachen: Gradheit, Offenheit, herzhafter Mut, Fröhlichkeit und das Vermögen, Freundschaft zu halten. Wie bitter ist sein Vertrauen auf die Freundschaft aber getäuscht worden. Im Vertrauen unbedächtigt, in Treue felsenhaft, in Liebe wundermächtig, das ist des Kaisers Art. Was wir ein jeder im Stillen gelobt, das wollen wir heute geloben vor Gott und ihm, wir wollen durchhalten mit ihm in Treue felsenhaft bis zum letzten Bissen. Es soll die Welt nicht mehr schmähen dürfen unseres Kaisers Majestät. So dringe unser Geburtstagswunsch hinaus in den Donner der Geschütze. Er soll wissen, daß wir, sein ganzes deutsches Volk, zu ihm halten wird in Treue felsenhaft, in Liebe wundermächtig. So stimmt mit mir ein, meine verehrten Anwesenden, in den Ruf: Unser lieber Kaiser Wilhelm II, er lebe hoch, hoch, hoch!
In der Festrede, die Herr Dr. Rosenmund über „Der Krieg und der deutsche Kaisergedanke“ hielt, führte er aus:
Kaiser Wilhelm verlebt seinen 56. Geburtstag fern von Berlin im Hauptquartier seiner Armeen auf feindlichem Boden. Und es ist sein Verdienst, daß seine Heere den uns aufgezwungenen Krieg schnell und weit in Feindesland hineintragen konnten. Unsere Gegner beehren ihn dafür auch mit gründlichem Haß und häufen auch um seine Person Lügen auf Lügen, die darin gipfeln, daß Deutschlands Kaiser die friedlichste aller Welten in diesen furchtbaren Krieg gestürzt hat, wie er denn überhaupt, „besessen“ vom preußischen Militarismus, die Welt erobern möchte. Die Schamlosigkeit dieser Lüge, die Kaiser Wilhelm die Schuld an diesem Kriege aufbürdet, ist längst enthüllt; und was es mit der Warnung an die Welt vor seinen Welteroberungsplänen auf sich hat, wissen wir auch, die wir die Schlagworte der englischen Geschäftspolitik denn auch bereits sattsam kennen. Wohin Mr. Churchill aber mit dem Schreckgespenst des preußischen Militarismus zielt, das er vor den amerikanischen Pressevertretern erscheinen ließ, offenbarte er, als er durch sie dann die Welt zum Kampfe aufrief, um die „Freiheit“ gegen diesen Militarismus zu schützen!
Die Freiheit, an welche Mr. Churchill denkt, ist doch die englische Freiheit, d.h. die Freiheit für die herrschende Klasse dort, welcher er angehört und die ihn mit der Stellung über die Marine betraut hat, ungestört sich in der Macht über Krone und Volk von England zu erhalten und über Englands staatliche Kräfte für ihre Interessenpolitik zu verfügen, eine Politik, deren Ziel eben ist, die ganze Welt sich, d.h. ihrer Kaste, tributpflichtig zu machen. Und diese Freiheit kann sich allerdings mit dem preußischem Militarismus nicht vertragen, es sei denn, daß er sich für sie mißbrauchen läßt. Es war dieser Militarismus aber der englischen Nobility und Gentry auch an sich schon immer zuwider. Und die Vollendung dieses Militarismus in der Gestalt, wie sie unter der treibenden Kraft des deutschen Kaisergedankens Wirklichkeit geworden, also die deutsche Heeresverfassung erscheint ihr schon durch ihr Dasein als eine Bedrohung für sie auch im tiefsten Weltfrieden. Und das keineswegs bloß wegen der ungeheuren Kriegsstärke, welche dieser Militarismus in sich birgt; nein, ebenso sehr und mehr noch als politische Institution. Was sollte auch aus ihrer Machtstellung zwischen und über Krone und Volk werden, wenn die deutsche Heeresverfassung, diese erfolgreichste Verbindung von Krone und Volk, zum Dienst für den Staat in Krieg und Frieden, nach England hin als Vorbild wirken sollte; dann wäre es doch für die herrschende Klasse dort mit der Macht zu Ende. Im Besitz der Macht aber zu bleiben, das ist natürlich der oberste Gesichtspunkt ihrer Politik. So ist denn dieser Krieg, den Englands Machthaber gegen Deutschland führen, nicht bloß ein solcher für ihr Monopol in Handel und Seegewalt in der Welt, sondern auch ein Kampf zur Sicherung ihrer Macht daheim, in England. Und von diesem Zweck aus empfangen das englische Kriegsziel und die englische Kriegführung denn auch ihren Charakter. Um ihre Kaste im Besitz der Macht zu sichern, wollen sich die Leiter der englischen Politik eben nicht mit einem Siege über uns begnügen, sondern sie trachten uns als Volk und Staat zu vernichten und mit dem Reich das Kaisertum und den Kaisergedanken zu begraben, und so diese Heeresverfassung, diesen deutschen Militarismus aus der Welt zu schaffen, der eine ewige Gefahr für die englische „Freiheit“ wäre. Gegen diese Machtpolitik im Dienste der „englischen Freiheit“ kämpfen wir denn in diesem Krieg für unsere deutsche Freiheit und wir kämpfen einen schweren Kampf. Aber wir werden siegen. Denn mögen die feindlichen Heere, welche England gegen uns in Bewegung gesetzt unserem Heere in der Kopfzahl noch so sehr überlegen sein, mögen Englands Streitkräfte zur See uns mächtig überragen, mögen unsere Gegner uns an Kriegsmut gleichen, ihnen allen fehlt zum Siege die sittliche Kraft, die uns als Volk und Heer beseelt, die als ureigenste Kraft die deutsche Nation unbesiegbar machte, wenn sie einmütiger Wille leitete, und die sich jetzt unwiderstehlich siegreich unter dem Zeichen des deutschen Kaisergedankens durchsetzen wird, der für uns nicht allein das Symbol der Einheit, sondern auch der Ausdruck unseres Willens zum Leben mit der Freiheit in der Welt bedeutet.
Deutscher Wehrverein. Heute, Freitag, 29. Jan., abends 8¼ Uhr findet der achte Vortrag der Ortsgruppe Bonn des Deutschen Wehrvereins statt. Herr Dechant Dr. Winter aus Godesberg, der im Jahre 1906 als Delegierter an der Konferenz der Friedensapostel in London teilgenommen hat, wird über seine persönlichen Eindrücke und Erlebnisse in London, den Empfang bei König Eduard usw. sprechen. In Rücksicht auf die gegenwärtige politische Lage dürfte der Vortrag außerordentlich interessant und anziehend werden, zumal uns auch der Vortragende als guter Redner von anderen Vorträgen her bekannt ist. Wir wollen nicht verfehlen, auch an dieser Stelle nachdrücklich auf den Vortrag hinzuweisen und unseren Lesern den Besuch desselben zu empfehlen. Die Lichtbilder, die der Vortragende demonstriert, sind nach den von ihm selbst in London angefertigten Photographien hergestellt.
Sanitätshunde. Aus Anlaß des Geburtstages unseres Kaisers versammelte sich am Mittwoch die Kolonne der Sanitätshundeführer im Kaisergarten. Herr Polizeikommissar Flaccus eröffnete die Versammlung mit der Kaiserrede. Darauf wies der Kolonnenführer, Herr Hölzke, auf die zahlreichen Erfolge hin, die gerade die Sanitätshunde der Meldestelle Bonn bis jetzt zu verzeichnen gehabt hätten.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Krieg und Küche. Ueber dieses zeitgemäße Thema sprach gestern abend vor einer außerordentlich großen Zahl Zuhörerinnen Frau Dr. Wegscheider-Ziegler im Dreikaisersaal. Das, was die Rednerin vom Sparen im Haushalt, von der Verwendung unserer Nahrungs- und Gebrauchsmittel sagte, war durchaus beherzigenswert. Der Krieg hat eben jedem Einzelnen Beschränkungen auferlegt. Wir sind gezwungen, sie uns aufzuerlegen und müssen versuchen, mit Ersatzmitteln in unserer Ernährung auszukommen. Wenn nun die Hausfrauen, Köchinnen usw. die Winke befolgen, die Rednerin in bezug auf Kohle und Koks, Eiern, Käse, Butter, Fett, Fleisch, Mehl, Zucker usw. gab, sind die Folgen dieses Krieges nicht in so scharfem Maße fühlbar, und der Plan unserer allzuliebenswürdigen Vettern jenseits des Kanals, uns auszuhungern, wird nur Schreckgespenst bleiben, also nicht Wirklichkeit werden.
Der sehr lehrreiche Vortrag wird am Sonntag Nachmittag in Kessenich wiederholt werden.
Frost. In der vergangenen Nacht sank das Thermometer am Wetterhäuschen im Hofgarten auf 6 Grad unter Null.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Das Ende der Petroleumnot.
1 Liter Petroleum für 8 Pfennige.
Es klingt zunächst unglaublich. Aber die Erfahrung eines unserer Leser, dessen Freundschaft wir diese Mitteilung verdanken, lehrt, daß man sich tatsächlich mit einer Auslage von 8 Pfennigen 1 Liter Petroleum beschaffen kann. Und zwar so: man löst in einem Liter kochenden Wassers ein halbes Pfund Soda auf und gießt, nachdem das Wasser vom Feuer genommen worden ist, ein Viertelliter Petroleum hinzu. Diese Mischung läßt man erkalten, und das billige Petroleum ist fertig. Unser Gewährsmann versichert nun, daß er seit einigen Tagen sein Zimmer, den Hausflur und das Treppenhaus mit dieser Petroleummischung beleuchtet. Die Flüssigkeit ist wegen des Sodazusatzes nicht so klar wie reines Petroleum und die Lampe verliert ein ganz klein wenig an Leuchtkraft. Aber diese unbedeutenden Nachteile sind eigentlich nicht vorhanden, wenn man an die riesigen Vorteile denkt, die dieses billige Petroleum in der jetzigen Zeit der Petroleumnot dem Publikum, besonders dem „kleinen Manne“ bietet. Man mache einmal den Versuch.
Die Kriegshilfstage haben in Bonn ein höchst erfreuliches Ergebnis gehabt. Wie viel die jungen Damen gestern und vorgestern in unermüdlichem Eifer sammelten, läßt sich natürlich noch nicht angeben, nicht einmal schätzungsweise. Aber das eine kann schon jetzt gesagt werden. Die Freigebigkeit der Bonner Bürgerschaft für die Kriegshilfe, die sich in den letzten Monaten mehr als einmal in überaus glänzender Weise bewährte, hat nicht nachgelassen. Das Gegenteil scheint der Fall zu sein. Sie wächst mit der Größe der Aufgaben, vor die unsere tapferen Krieger gestellt sind.
Kauft dunkle Brötchen! Der Vorstand de Bonner Bäcker-Innung bittet uns, das Publikum zu ermahnen, nur bei solchen Bäckern zu kaufen, die dunkelbraun gebackene Brötchen abgeben. Die helle Farbe ist ein Beweis dafür, daß der Bäcker das Mehl nicht vorschriftsmäßig gemischt hat.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)