Dienstag, 26. Januar 1915 

 

Postdienststunden an Kaisers Geburtstag. Am 27. Januar, dem Geburtstage S. M. des Kaisers, sind die Postschalter beim Hauptpostamt und bei sämtlichen Zweigstellen von 8–9 Uhr vorm. Und von 11 Uhr vormittags bis 1 Uhr nachmittags geöffnet. Es findet eine einmalige Brief-, Geld- und Paketbestellung statt. Die Briefbestellung beginnt um 10¼, die Geld- und Paketbestellung um 8 Uhr vormittags.

 (Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

 

Anzeige im General-Anzeiger vom 26. Januar 1915Der Bonner Wehrbund machte am Sonntag nachmittag nach einem gemeinsamen Exerzieren aller Abteilungen auf dem Venusberg eine Geländeübung, die einer Partei die Aufgabe stellte, alle Zugänge zur Gronau zu besetzen, während die andere Partei, die von einer starken Abteilung des Königlichen Gymnasiums gebildet wurde, sich über Dottendorf der Gronau zu nähern hatte. Die angreifende Partei benutzte bei ihrem Anmarsch Wege, über deren Zulässigkeit für den aufgestellten Uebungsplan verschiedene Ansicht bestehen konnte, es gelang ihr aber, ihre Annäherung derartig zu verschleiern, daß es ihr gelang, die Gegenpartei unbemerkt von allen aufgestellten Wachen und Patrouillen auf der Gronau vollständig zu überraschen. An die Uebung schloß sich noch eine Aufstellung und ein Vorbeimarsch der Abteilungen auf dem Kaiserplatz zur Vorbereitung des dort am nächsten Sonntag nachmittag stattfindenden Appells an.

Die Bonner Liedertafel gab am Sonntag ihr 25. Konzert seit Kriegsausbruch zur Aufheiterung verwundeter Krieger. Zu diesem „Jubiläums-Konzert“ hatten sich über 100 Sänger im Vereinslazarett von der Heydt in Godesberg eingefunden. Musikdirektor Josef Werth hatte ein Programm zusammengestellt, das wohl imstande war, alle Gemütsregungen der Zuhörer in Schwingung zu bringen. Insbesondere waren es wiederum die schlichten Weisen des Volksliedes, mit denen sich die Sänger in die Herzen unserer braven Feldgrauen hineinsangen. Der reiche Beifall, noch mehr aber die freudigen aufmerksamen Mienen der Soldaten bewiesen das zur Genüge. Fräulein Luise Kau und Herr Heinz Mirgel erfreuten durch Einzelvorträge. Auch sie fanden für ihre geschmackvollen Vorträge herzlichen Beifall. Nach freundschaftlicher Verabschiedung und nachdem das Versprechen gegeben, recht bald wieder einmal nach Godesberg zu kommen, wurde die Rückfahrt dieser Jubiläums-Sangesfahrt angetreten.

Anzeige im General-Anzeiger vom 26. Januar 1915Kriegshilfetag. Von der Stadtverwaltung wird uns geschrieben: Es wird besonders darauf hingewiesen, daß die Helferinnen, die für die Kriegshilfe der Stadt Bonn sammeln, durch eine polizeilich abgestempelte Armbinde mit der Bezeichnung „Kriegshilfstag der Stadt Bonn“ und eine polizeilich abgestempelte Ausweiskarte legitimiert sind. In den letzten Tagen sollen von Unbefugten angeblich für das Rote Kreuz Postkarten verkauft worden sein. Dieser Postkartenverkauf hat mit der Vereinigung vom Roten Kreuz der Stadt Bonn nichts zu tun. Es wird daher vor derartigen Verkäuferinnen eindringlich gewarnt. Die Sammlung für die Kriegshilfe findet nur am 27. und 28. ds. Mts. statt.

Stadttheater. Man schreibt uns: An Stelle einer Festvorstellung zu Kaisergeburtstag, welche nach den erlassenen Bestimmungen unterbleiben soll, hat die Theaterleitung für den Vorabend drei recht geeignete, von patriotischem Geist getragene Stücke zu einem Vaterländischen Abend verbunden und auf ihre Einstudierung viel Mühe verwandt, die hoffentlich einen entsprechend guten Besuch zeitigen wird. Die in den Titeln Vorwärts, Woerth und Das Eiserne Kreuz angedeuteten geschichtlichen Stoffe, bei welchen die Vermeidung von direkten Beziehungen zur Gegenwart nur angenehm empfunden werden wird, lassen erwarten, daß auch hier weilende Krieger (Genesende und andere) und Schüler die Gelegenheit benutzen werden, um den wichtigen, diesmal aber still verlaufenden Tag würdig einzuleiten. Zur Verteilung an Soldaten empfiehlt sich die Verwendung von Dutzendkarten; für die heranwachsende Jugend haben die billigen Schülerkarten Geltung.

Keine Maskeraden zu Karneval! In der heutigen Nummer unseres Blattes macht die Polizeiverwaltung bekannt, daß die sonst üblichen Veranstaltungen an den Fastnachtstagen nicht gestattet werden. Es wird darauf hingewiesen, daß eine polizeiliche Erlaubnis zu solchen Veranstaltungen auf keinen Fall erteilt werden wird, und daß Maskeraden auf den Straßen und in den Wirtschaften nicht geduldet werden.

 (Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

 

Anzeige in der Reichs-Zeitung vom 26. Januar 1915Ein junges Mädchen, die 19jährige Anna Busch aus der Kommanderiestraße, ist gestern morgen schwer verunglückt. Als sie früh um ½6 Uhr in der Brückenstraße auf das Trittbrett der schon abfahrenden Siegburger Bahn springen wollte, stürzte sie und kam mit dem rechten Bein unter die Räder. Der Unterschenkel wurde ihr abgefahren. Man legte ihr im Lazarett der Beethovenhalle den ersten Verband an und brachte sie dann in die Klinik. Ihr Befinden ist noch sehr bedenklich.
   Wir berichteten erst vor wenigen Tagen von einem jungen Manne, der an der Rheinbrücke auf dieselbe Weise verunglückt ist, jedoch ohne so schlimme Folgen davongetragen zu haben. Dieser schwere Unglücksfall sollte doch nun endlich jedem eine ernste und dringende Mahnung sein. Das junge Mädchen wollte pünktlich in der Geschoßfabrik sein, wo es arbeitete. Der Rüffel, der ihm das Zuspätkommen eingetragen hätte, wenn es erst mit dem folgenden Zug in Siegburg angekommen wäre, ja selbst der Verlust der Stelle wäre bei weitem nicht so schmerzlich gewesen, als diese Folge ihrer Unbedachtsamkeit.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)

Beuel, 26. Jan. Der kath. Bürgerverein Beuel wird die diesjährige Kaisergeburtstagsfeier am Sonntag den 31. Januar abends 8 Uhr im Vereinslokale Gasthof zur Rheinlust durch einen Kriegsvortrag des Herrn Kaplan Lüstraeten und entsprechende Ansprachen sowie Gesangvorträge gebührend begehen. Ist von einem rauschenden Feste auch Abstand genommen worden, so glaubte der Verein doch die Pflicht zu haben, den Ehrentag des obersten Kriegsherrn nicht vorübergehen lassen zu dürfen, ohne dem Schirmherrn des Vaterlandes auch öffentlich in treuer Liebe zu gedenken.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Umgegend“)

Anzeige in der Reichs-Zeitung vom 26. Januar 1915Das letzte Wort. Wenn Alkoholabstinenten und Gegner der Alkoholabstinenz miteinander streiten, ist noch niemals Einigkeit erzielt worden. Jeder hat Gründe und – wie er meint – Beweise für die Richtigkeit seiner Auffassung, jeder kann medizinische Gutachten und Beispiele aus dem Leben anführen, und schließlich – jeder hat Recht. Denn die Abstinenzfrage ist ebensosehr eine Frage des persönlichen Geschmacks und des körperlichen Wohlbefindens, wie es der Vegetarismus ist. Dem Einen schadet auch eine kleine Menge alkoholischer Getränke, der andere meint, im Interesse seiner Gesundheit von Zeit zu Zeit einen oder zwei Schoppen trinken zu müssen. Weil das von jeher so war, wird es auch in der Zukunft immer Alkoholproduzenten und Alkoholkonsumenten geben. Der „Cand. phil. C.“ hat darum Unrecht, wenn er meint, auf die „Sonderinteressen“ der Wirte und der ihm nahestehenden Gewerbe brauche keine Rücksicht genommen zu werden. Tausende, ja Millionen Menschen im deutschen Reiche leben vom Gastwirtschaftsbetrieb. Die Mehrzahl aller Deutschen unterstützen das Gastwirtschaftsgewerbe. Und da meint der „Cand. phil“, auf alles das brauche keine Rücksicht genommen zu werden! Ich sage: es ist unsere Pflicht, den durch den Krieg sehr in Bedrängnis geratenen Wirten zu helfen und ihre Lage durch eine frühe Polizeistunde nicht noch mehr zu erschweren. Es ist unsere Pflicht – trotz der „Weisheit“ eines Cand. phil., und trotz der Bemühungen der übrigen Rufer nach einer frühen Polizeistunde, eine Pflicht, deren Nichtachtung zu sehr schlimmen Folgen führen könnte. Die maßgebenden Stellen der Behörde besitzen – dessen bin ich gewiß – die rechte Einsicht und werden sich um das Geschreibsel recht wenig kümmern. Das ist mein letztes Wort. Ein Wirt.

„Wir sind oft verlegen um gute Zeitungen“ versicherte mir gestern der Chauffeur eines Kriegsautos des 8. Armeekorps, als ich ihm ein Paket Zeitungen für die Soldaten in den Schützengräben übergab. Gern nähme ich noch mehr mit, wenn ich dieselben bekommen könnte, unsere Soldaten sind so dankbar für jede wahrheitsgetreue Berichterstattung. Ich fahre heute noch bis Namur, und am Samstag an die Front.“
   Wir dürfen eigentlich keine Gelegenheit die sich uns bietet vorüber gehen lassen, ohne daß wir unsern tapfern Helden im Felde zur besten Lektüre zu verhelfen suchen. Hier in Bonn können wir auf die einfachste Weise dies tun, da so viele Kriegsautos unsere Stadt durchfahren. Man kann dieselben des öfteren zur kurzen Rast vor Gasthäusern, der Post, dem Rathause oder sonst wo halten sehen. Bonn ist nicht so groß, als daß man dann nicht schnell nach Hause eilen könnte, um ein Pack Zeitungen zur Mitgabe zu holen. Nicht nur die Erwachsenen, sondern auch ihre Kinder, namentlich die größeren Knaben, die ihr so gern unseren tapferen Soldaten eine Freude bereiten möget, hier ist euch Gelegenheit dazu geboten. Wenn ihr ein Kriegsauto irgend wo stehen seht, dann geht schnell nach Hause und bittet eure Mutter um ein Paket der „Deutschen Reichszeitung“ und bringt dieselbe eiligst hin. Es ist ein Gruß aus der Heimat. Wenn die Soldaten dann später erfahren, daß sie durch euch Kinder zu so guter Lektüre gekommen sind, so werden sie sich doppelt freuen. Ihr braucht nur an der Türe des betreffenden Hauses wo das Kriegsauto hält, zu warten bis der Chauffeur heraustritt, und gebt ihm dann mit den Worten „für die Soldaten“ die „Deutsche Reichszeitung“ in die Hand. Haltet immer ein Paket Zeitungen bereit. Ihr braucht dieselben nur sorgfältig aufzuheben, zu ordnen und mit einem Bindfaden über’s Kreuz zu verschnüren. G. T.

Städtischer Kartoffel-Verkauf. Eine unbemittelte Frau erzählte mir, daß sie vor einiger Zeit an der Verkaufsstelle Ecke Thomasstraße 2 Zentner Kartoffel für 8,50 Mark gekauft habe. Diese seien grün, schwarz und halb faul. Ich habe mich darüber nicht gewundert, denn wer wie ich das Ausladen dieser Kartoffel beobachtet hat, konnte dies voraussehen. Die Kartoffel wurden beim Ausladen schlimmer behandelt als Kohlen. W.

Anzeige in der Reichs-Zeitung vom 26. Januar 1915In Koblenz wurde am Sonntag eine Bekanntmachung angeschlagen, daß von nun ab sämtliche Wirtschaften, Kasinos usw. um 12 Uhr abends zu schließen sind. Animierkneipen, Schnapsschänken usw. um 10 Uhr und früher. Ich dachte mir es wird dann wohl auch bald in Bonn ein Licht aufgehen! Die Bäcker, Metzger usw. sollen froh sein, daß die Leute sich nicht so lange in den Wirtschaften aufhalten und das Geld versaufen, denn dann bleiben die Leute kaufkräftiger und die Rechnungen werden jedenfalls prompter bezahlt. Also Polizeistunden 11 Uhr oder 12 Uhr spätestens. Kein Bierbankgeneralstäbler.
(Wir schließen hiermit die Diskussion über dieses Thema. Die Red.)

Zu viel des Guten! Unsere in der Genesung befindlichen Verwundeten werden in Vorträge, Konzerte, Theatervorstellungen und überall dahin geführt, wo die „Gesellschaft“ Zerstreuung sucht. Daß man damit den Kriegern nicht immer einen Gefallen erweist, geht aus der Antwort hervor, die ein Verwundeter einem Arzt gab. Auf die Frage, wie es ihm in der „Götterdämmerung“ gefallen habe, erwiderte er: „Lieber drei Tage Schützengraben“!
   Diese offenherzige Antwort gibt Geheimrat Schwalbe in der Deutschen Medizinischen Wochenschrift Veranlassung zu prüfen, ob in der „Auffrischung“ der rekonvaleszenten Krieger nicht etwas zu viel des Guten getan wird. (...) „Ich habe“, sagte Schwalbe, „einige Hundert Soldaten in dem Vortrag eines nationalökonomischen Professors über die wirtschaftlichen Folgen des Krieges gesehen und durch Betrachtung mancher Gesichter den Eindruck gewonnen, daß diese einfachen Männer dem (für mich außerordentlich interessanten) Vortrage, der in einem überfüllten, sehr warmen und schlecht ventilierten Saale stattfand, einen Spaziergang im Freien oder doch ein einfaches Spiel vorgezogen hätten. Diese Wahrnehmung habe ich in langdauernden Opern- und Theatervorstellungen machen können.“
   Man kann sie auch in Bonn machen. Die Verwundeten werden hierhin und dorthin eingeladen, heute zum Kaffee, morgen zum Tee, übermorgen zu einem Vortrag, dann ins Theater oder ins Konzert. Ob das nicht manches Mal zu viel des Guten ist? C. K.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Stimmen aus dem Leserkreis“)