Mittwoch, 27. Dezember 1916

 

Das Weihnachtsfest brachte in diesem Jahr ganz kalenderwidriges Wetter. Vom Winter war nicht eine Spur zu entdecken. Am ersten Feiertag tobten, wie auch an den Vortagen, herbstmäßige Stürme, der zweite Feiertag brachte dagegen ruhiges und fast frühlingsgemäß mildes Wetter. Außer den Weihnachtsfeiern in den Familien gab es auch diesmal wieder zahlreiche größerer, mehr oder weniger öffentliche Feiern, vor allem in den Lazaretten, in den Kirchen für die Kinder, in vielen Vereinen usw. Der Reise- und Ausflugsverkehr war verhältnismäßig gering.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

      

Neue Maßnahmen der Reichsbekleidungsstelle. Die in der letzten Zeit beobachtete übermäßige Versorgung des Publikums mit Schuhwaren hat den Bundesrat veranlaßt, auch die Schuhwaren der Regelung durch die Reichsbekleidungsstelle zu unterstellen. Dies ist durch eine Verordnung betreffend Aenderung der Bekanntmachung vom 10. Juni 1916 über die Regelung des Verkehrs mit Web-, Wirk- und Strickwaren für die bürgerliche Bevölkerung geschehen, die die Schuhwaren aus Leder, Web-, Wirk- oder Strickwaren, Filz und filzartigen Stoffen der Bezugsscheinpflicht unterwirft. Für manche Luxusschuhwaren, deren Neuanfertigung nur noch in sehr beschränktem Umfange möglich ist, ist eine ähnliche Regelung wie für die hochwertigen Kleidungsstücke vorgesehen; gegen Abgabe eines Paares getragener gebrauchsfähiger Schuhe oder Stiefel mit Lederunterboden wird eine Abgabebescheinigung erteilt, die zur Erlangung eines Bezugsscheines auf ein Paar Luxusschuhe ohne Prüfung der Notwendigkeit der Anschaffung berechtigt, jedoch nur 2 Paar bis Ende 1917. Die Schuhreparatur ist nicht bezugsscheinpflichtig.
   Ferner sind folgende Bestimmungen wichtig:

   Die Bewirtschaftung der getragenen Kleidungs- und Wäschestücke und der getragenen Schuhwaren wird den Kommunalverbänden übertragen, die das Ein- und Verkaufsmonopol für diese Gegenstände erhalten. Niemand darf mehr an andere als an behördlich zugelassene Stellen getragene Kleidungs- und Wäschestücke und getragene Schuhwaren entgeltlich veräußern; der gewerbsmäßige Erwerb solcher Gegenstände ist nur noch solchen Stellen erlaubt. Für den Althandel sind Uebergangsbestimmungen vorgesehen. Den behördlichen Annahmestellen ist gleichzeitig die Ausstellung von Abgabebescheinigungen zur Erlangung von Bezugsscheinen für hochwertige Kleidung und Luxus-Schuhwaren übertragen.
   Während bisher nur der Kleinhandel und die Maßschneiderei der Bezugsscheinpflicht unterworfen war, wir diese jetzt auch auf jede Ueberlassung zu Eigentum oder zur Benutzung erstreckt, wenn diese Ueberlassung durch einen Gewerbetreibenden mit Web-, Wirk- und Strickwaren oder Schuhwaren erfolgt. Demnach fallen jetzt auch die sogenannten Garderobeverleihgeschäfte sowie die Schenkung seitens der Gewerbetreibenden unter die Bezugsscheinpflicht. Nur bei Wäscheverleihgeschäften ist für ihren jetzigen Bestand eine Ausnahme gemacht; sie dürfen jedoch ihren Bestand nicht vermehren. Desgleichen ist allgemein jede Ueberlassung sonstiger Gegenstände für nicht mehr als 3 Tage bezugsscheinpflichtig.
   Ferner ist das bereits früher von der Reichsbekleidungsstelleausgesprochene Verbot, den Preis ganz oder teilweise vor Empfang des abgestempelten Bezugsscheins zu fordern oder anzunehmen, wiederholt.
   Weiter wird vom 15. Januar 1917 ab die Vermittlung der Bezugsscheine durch die Geschäfte oder Wandergewerbetreibenden verboten; nur das Auslegen der Bezugsscheinvordrucke und deren Ausfüllung in den Geschäften kann von den Kommunalverbänden weiter zugelassen werden.
   Endlich wird jeder Hinweis auf die Bezugsscheinpflicht oder die Bezugsscheinvergebung zu Zwecken des Wettbewerbs in einer für die Oeffentlichkeit erkennbaren Weise verboten.

Weihnachtsfeier. An vergangenen Sonntag Abend hatte sich der Gesangschor der städischen Realschule unter Leitung seines Gesanglehrers Rech im Lazarett Beethovenhalle eingefunden, um mit den Verwundeten unter lichterstrahlenden Tannenbäumen den hl. Abend zu feiern. Trotz der Ferien und der für viele Familien ungelegenen Zeit waren die Schüler vollständig erschienen und boten eine stattliche Anzahl interessanter alter und neuer Weihnachtsgesänge, Gedichtvorträge usw., die allseitige Aufmerksamkeit und viel Beifall fanden. Vom ältesten deutschen Weihnachtsliede angefangen wurden Christkind- und Hirtenlieder aus allen Jahrhunderten vorgetragen, deren Aufnahme der Gesangleiter durch geschichtliche Bemerkungen vorbereitete. Ein junger Geigenkünstler, von einem Mitschüler auf dem Flügel begleitet, bot mehrere Geigenvorträge. Herr Organist Heyer spielte mit geschmackvoller Registerwahl mehrere Weihnachtsstücke, die den Charakter der Hirtenmusik trugen. Herr Kaplan Kurthen, der kath. Lazarettgeistliche, fand in seiner Ansprache Worte des Trostes und der Aufmunterung für die Verwundeten. Und als die Schüler zum Schlusse mit einer humoristischen Darbietung aufwarteten, war der rechte Uebergang von der feierlichernsten Stimmung zum fröhlichen Weihnachtsfeste gefunden – und beglückt von dem schönen Verkauf des hl. Abends eilten die Knaben nach Hause, wo ihre Eltern sie zur Bescherung erwarteten.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

     

Weihnachtskriegsbrief. Zu Weihnachten hat der Bezirksverein Köln des Verbandes mittlerer Reichs-Post- und Telegraphen-Beamten an seine Mitglieder im Felde den 14. Kriegsbrief versandt, dessen Inhalt stimmungsvoll der dritten Kriegsweihnacht angepaßt war. Eine gemeinsame Ansprache des Bezirksvereinsvorsitzenden und des Herausgebers der Kriegsbriefe, der Herren Goergen und Berghoff in Bonn, gedenkt der jüngsten Erfolge unserer tapferen Truppen und der allgemeinen Kriegslage, die uns hoffentlich mit Gottes Hilfe dem Frieden immer näher bringen werden. Auf denselben Ton gestimmt sind ein weihevolles Gedicht „Christnacht 1916“ von Alois Neumann und ein Weihnachts-Choral von Heinz Böhmer, der feierlich ausklingt: Bring uns die Weihnacht, Laß Frieden sein! Das Andenken von 5 gefallenen Kollegen wird geehrt und ihre Bilder zur bleibenden Erinnerung für das beabsichtigte Kriegsgedenkbuch festgehalten. Weiter berichtet Becker - Köln-Klettenberg über „Köln zur Kriegszeit“. Brüggemannn - Köln setzt seine „Weltpolitische Rück- und Ausblicke“ fort und behandelt die geschichtlichen, politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse der neutralen Staaten. Lintz - Köln-Deutz schreibt über die „Kölner Ausstellung für Kriegsfürsorge“ und Syre - Köln über seine Kriegsweihnacht 1914 im Felde, die den rheinischen Truppen durch die Angriffslust der Feinde vielfach gestört wurde, aber dennoch für die Mitkämpfer eine schöne Erinnerung bleibt.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)