Montag, 4. Dezember 1916

     

Anzeige im General-Anzeiger vom 4. Dezember 1916Falsches Gerücht. Heute mittag war in Bonn das Gerücht verbreitet, Bukarest sei gefallen und über 40.000 Gefangene gemacht worden. Von amtlicher Stelle wurde uns mitgeteilt, dort sei nichts von einer solchen Meldung bekannt.

Eine Ausstellung von Arbeiten Verwundeter wird morgen vormittag im Laden, Stockenstrasse 3 eröffnet. Diese Ausstellung ist das vierte derartige Unternehmen in Bonn. Sie bietet, wie uns mitgeteilt wird, eine ganz besonders große Auswahl und gute Gelegenheit, geschmackvolle Geschenkgegenstände zu kaufen.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

     

Fahnen heraus! Eine große Schlacht ist geschlagen: Mackensens und Falkenhayns Operationen führten zu einem großen Sieg nordwestlich Bukarests. Die Einschließung der großen Festung steht bevor. Unser Kaiser hat ob dieses bedeutungsvollen Erfolges feierliches Glockengeläute angeordnet. Die Siegesfreude über die gewonnene Schlacht am Argesul, die den Untergang des verräterischen Rumäniens nach sie ziehen dürfte, möge sich auch im Flaggenschmuck unserer Bürgerhäuser äußern. Die Flaggen sollen zugleich ein äußeres Zeichen des Dankes an unsere herrlichen Truppen und ihre großen Führer bedeuten, die nach unsagbar beschwerlichen Kämpfen in den transsilvanischen Gebirgsschluchten geradezu blitzartig Schlag auf Schlag in der Walachei die feindlichen Armeen bezwungen haben. Freude und Dank möge sich also im allseitigen Flaggenschmuck unserer Vaterstadt äußern.

Anzeige im General-Anzeiger vom 4. Dezember 1916Zentrumsversammlung. Es wird uns geschrieben: Die Versammlung der Vertrauensmänner der Zentrumspartei der Wahlkreise Bonn-Rheinbach, die gestern nachmittag im großen Saale des Bürgervereins stattfand, wurde von dem Reichstagsabgeordneten Chysant bei dicht besetztem Haus durch herzliche Willkommensworte eröffnet. Herr Parteisekretär Hensen berichtete über die Parteiorganisation sowie die Kassenverhältnisse in der Partei der Wahlkreise Bonn-Rheinbach, über die trotz Krieges günstiges zu sagen war. Inzwischen erschien Exz. Dr Spahn, der vom Vorsitzenden warm begrüßt, durch Ueberreichung eines herrlichen Blumenstückes geehrt wurde.
   
Exz. Dr. Spahn, von den Anwesenden begeistert begrüßt, ergriff nunmehr das Wort und sprach in fast zweistündigem Vortrage – leider nicht überall verständlich – über die politische Lage. Ausgehend von dem Umstande, daß er den Wahlkreis seit 26 Jahren vertrete und er sich stets freue, dem Wunsche entsprechen zu können, hierher zu kommen, sei er stets bestrebt gewesen, die Interessen des Vaterlandes, des Kreises und der Partei zu vertreten. Die politische Lage zu kennzeichnen, müsse man allerdings weit zurückgreifen, und da sei es seine Meinung, daß der Vertrag von Verdun nicht zum Glücke Deutschlands beigetragen habe. England, bemüht die Einkreisung Deutschlands zu bewirken, habe erst im Jahre 1905, als der innere Kulturkampf in Frankreich den Sieg des Laientums herbeigeführt habe, Erfolg gehabt, den Revanchegedanke neu aufleben zu lassen. Dann kam der Fall von Marokko, die Entwicklung unserer Marine und die darauf gefolgerte und dem Volke von der englischen Regierung vorgeredete Furcht, Deutschland könne England im eigenen Lande angreifen, die in dieser Zeit die politische Lage Europas verdüsterte; habe zu jener Zeit Frankreich nicht den Willen gehabt uns anzugreifen, so sei England bemüht geblieben, durch das Bündnis mit Rußland und Frankreich, das Deutsche Reich vollständig zu umklammern. Daß wir nach 1870 nie Feinde Frankreichs gewesen, daß wir keine Eroberungspolitik betreiben würden, wußten unsere Feinde, aber sie wußten auch, daß wir gerüstet den Dingen entgegensahen, die uns drohten. Redner beleuchtete die Tage vom 27. Juli bis 4. August 1914, wo Deutschland und Oesterreich das weiteste Entgegenkommen gezeigt hätten, den Frieden zu erhalten, die Feinde aber den schrecklichen Krieg heraufbeschworen hätten. Deutschland könne mit ruhigem Gewissen sagen, daß es an dem Kriege nicht schuld sei, aber England habe den Frieden nicht gewollt. Und heute, wo der Reichskanzler, trotz unserer günstigen Kriegslage, wiederholt zum Friedensschluß bereit gewesen wäre, da sei er nur stolzer Ablehnung begegnet. Die Meinungsverschiedenheit über den Standpunkt des Reichskanzlers betr. Belgien, seien unbegründet. Rational und wirtschaftlich soll Belgien unbehindert sein, aber staatsrechtlich müsse die Stellung Belgien den Friedensverhandlungen vorbehalten bleiben, und nie dürfe es ein Bollwerk Englands sein, das nicht nur Seegeltung zu Wasser, sondern auch an den Küsten Englands und Nordfrankreichs verlange. Die strittige Frage betr. Abtretung Elsaß-Lothringens ohne Belfort 1870 streifend, warnt Redner vor der allzufreien Erörterung der Kriegszielfragen und betont, daß die Technik des Stellungskriege, die Schlacht an der Somme uns vor neue Aufgaben gestellt haben. Geschütze, Munition und Verbrauch der letzteren seien ins Unermeßliche gestiegen, dabei sei man an maßgebender Stelle bewußt, daß unsere Feinde im Frühjahr an allen Fronten die größten Anstrengungen machen würden, Erfolge zu erzielen. Darum sei das vaterländische Liebesdienstgesetz eine Notwendigkeit, die wenn auch schwer, so doch erfolgreich sein werde. Nach Durchführung dieses Gesetzes sei es sicher, daß unsere Feinde einen Vorsprung nicht mehr haben würden. Mit dem nötigen Vertrauen würde es gelingen, damit herauszuholen, was herauszuholen sei. Vereinsgesetz, Erhöhung der Altersrente für die Wintermonate, der Belagerungszustand, die U-Bootfrage, die Ernährungsfrage sowie unser Bündnisverhältnis zu Oesterreich-Ungarn, worauf unsere Stärke mitberuhe, bilden den Schluß der großzügigen mit lebhaftem Beifall aufgenommenen Rede.
   Nachdem Herr Chrysant Dankesworte gesprochen, wird die Versammlung nach kurzer Diskussion um 7½ Uhr geschlossen.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)