Freitag, 27. Oktober 1916
Das „holländische Speisefett“, das im vergangenenFrühjahr in vielen hiesigen Geschäften verkauft worden ist, bis es als gute Butter beschlagnahmt wurde, beschäftigte gestern wieder die Strafkammer in drei Verhandlungen. In der ersten Verhandlung waren ein Lebesnmittelagent, ein Lebensmittelgeschäftsinhaber und ein Metzger angeklagt, Butter aus dem Auslande eingeführt, aber nicht der Zentraleinkaufsgesellschaft angemeldet, sowie beim Verkauf der Butter den Höchstpreis überschritten zu haben. Der Agent hatte die Butter als „Speisefett“ in Straelen gekauft. Er sagte, Anfang Mai seien riesige Mengen von „Speisefett“ in Straelen auf offener Straße unter den Augen der Behörde gehandelt worden. Er selbst konnte Zahlungsbestätigungen über Beträge von 4000 M., 5000 M. und 12.000 M. vorlegen. Da er das Fett aber auf deutschem Boden gekauft, also nicht eingeführt habe, sei er nicht verpflichtet gewesen, es der Z. E. G. anzuzeigen. Und da es sich um „Speisefett“, nicht um Butter gehandelt habe, sei der Butterhöchstpreis nicht bindend gewesen. Aehnlich rechtfertigten sich die beiden anderen Angeklagten, die in Emmerich und Kaldenkirchen gekauft hatten. Das Gericht erkannte, daß die Angeklagten nach ihren nicht widerlegten Angaben die Butter im Inlande gekauft und daher nicht die Verpflichtung gehabt hätten, sie der Z. E. G. anzumelden. Dagegen hätten sie gewußt, daß es Butter gewesen sei, und beim Verkauf den Höchstpreis überschritten. Das Urteil lautete auf 50 M. gegen den Agenten und je 20 M. Geldstrafe gegen die beiden anderen Angeklagten.
In der zweiten Verhandlung hatten sich die Inhaber bezw. Inhaberinnen von vier hiesigen Lebensmittelgeschäften zu verantworten, weil sie das „holländische Speisefett“, das nach dem Gutachten von Prof. Kippenberger in allen Fällen gute Butter war, zu einem höheren als dem Butterhöchstpreise verkauft und dabei keine Eintragung in das Brotbuch gemacht haben. Sie wurden freigesprochen, weil sie in gutem Glauben gewesen sein konnten. Aus demselben Grunde wurden in der dritten Verhandlung 20 hiesige Geschäftsinhaber ebenfalls von der Beschuldigung, den Höchstpreis überschritten und ohne Ausweis verkauft zu haben, freigesprochen.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Am kommenden Sonntag, dem letzten Sonntag vor Allerheiligen, ist ein erweiterter Geschäftsverkehr auf die Dauer von 10 Stunden freigegeben. Die Ladengeschäfte dürfen am Sonntag von morgens 7 bis abends 7 Uhr – mit Ausnahme der für den Hauptgottesdienst bestimmten Vormittagsstunden von 9½ bis 11½ Uhr – für den Verkauf geöffnet werden.
Kartoffelnachlese. Zahlreiche Kinder und Frauen aus der Stadt sieht man jetzt schon früh morgens im Felde hinter dem Pfluge und der Egge hergehen, um die im Boden zurückgebliebenen Kartoffeln aufzulesen, die sie dann mittags und abends nachhause bringen. Seitens der Landwirte wird ihnen dieses gerne gestattet.
Kartoffelversorgung. Aus Beuel, 27. Okt., wird uns geschrieben: Gestern hat die Verwaltung mit der Einkellerung der Kartoffeln straßenweise begonnen. Die reichsgesetzlich geregelte Festsetzung von 1 Pfund pro Kopf und Woche bis 15. April wird indes vorläufig nur zur Hälfte abgegeben, sodaß statt 3 Zentner für die Person 1½ Zentner geliefert werden.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Godesberg, 27. Okt. Die Bürgermeisterei Godesberg, die den ganzen Sommer hindurch mit dem Erhalt von Speisefetten unzuverlässig bedacht worden war, darf sich jetzt einer regelmäßigen und geordneten Speisefettversorgung rühmen. Wenn auch die Wochenmenge von 50 Gramm für die Person nicht als sonderlich luxuriös bezeichnet werden kann, so trägt doch schon das Bewußtsein, daß auf diese Menge sicher gerechnet werden kann, eine große Beruhigung in die Bürgerschaft hinein. So kommen in regelmäßiger Reihenfolge Schmalz, Margarine und Butter bei den Gemeindeverkaufsstellen, die durch ehrenamtliche Kräfte bedient werden, zu Austeilung. Das frühere Gedränge ist vollständig in Fortfall gekommen, weil in allen Fällen für eine genügende Deckung des gesamten Bedarfs gesorgt ist.
Beuel, 27. Okt. Die Arbeiten am Neubau des Direktionsgebäude der Bröltaler Eisenbahn sind trotz Kriegswirren so tüchtig fortgeschritten, daß vor einigen Tagen das Richtfest stattfinden konnte. Schon vor 15 Jahren war die Verlegung der Direktion von Hennef nach Beuel geplant, es mußte jedoch besonderer Gründe halber davon Abstand genommen werden. [...]
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Von Nah und Fern.“)
Unvorschriftsmäßig hergestellter Kuchen. Ein Bäckermeister aus Bonn, der bereits sechsmal wgen Uebertretung der Bundesratsverordnungen vorbestraft ist, stand heute morgen wiederum an der Strafkammer unter Anklage, weil er Kuchen in einer Weise hergestellt hatte, die durch eine Verordnung des Oberbürgermeisters verboten war. Er führte zu seiner Entschuldigung an, der Obermeister der Bäckerinnung habe ihm durch Fernsprecher mitgeteilt, das Backen von Obstkuchen sei wieder gestattet. Da habe er angenommen, diese Kuchen dürfe man nunmehr wieder in derselben Weise herstellen wie früher. Er habe deshalb die neue Art der Herstellung, die durch eine besondere Polizeiverordnung angeordnet worden sei, nicht gekannt und sich auch die Verordnung nicht angesehen. Das letzte Mal war der Bäckermeister mit 600 Mark Geldstrafe bestraft worden, und es war ihm vorgehalten worden, daß bei einer nochmaligen Uebertretung unweigerlich eine Gefängnisstrafe eintreten werde. Der Staatsanwalt beantragte jedoch mit Rücksicht darauf, daß es sich um eine Uebertretung handele, die vor der Straftat der letzten Verurteilung liege, nochmals eine Geldstrafe von 600 Mark. Das Gericht erkannte an, daß der Fall milde liege und ließ es bei einer Geldstrafe von 100 Mark bewenden, gab aber dem Angeklagten den guten Rat mit auf den Heimweg, Schluß zu machen, da es jetzt auch Schluß sei mit den Geldstrafen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)