Donnerstag, 26. Oktober 1916
Universität. Gestern mittag fand in der Aula die erste Immatrikulation dieses Wintersemesters statt. Der Rektor, Geheimrat Ribbert, betonte in seiner Ansprache an die Studierenden die Notwendigkeit, das fröhliche Studentenleben, wie es in Friedenszeiten üblich war, jetzt zurücktreten zu lassen. Arbeit müsse das Hauptziel sein. Die Studierenden hätten jetzt während es Krieges freilich auch mehr Zeit zum Arbeiten, denn das Korporationswesen, das bei all seinem Guten doch auch viel vom Studium ablenke, falle jetzt fort und mehr oder weniger auch der sonstige gesellige Verkehr. [...]
Im Gartenbauverein, der gestern unter dem Vorsitz des Herrn Thilmann seine erste Monatsversammlung nach der Sommerpause abhielt, berichtete Herr Lehrer Hannes über die Pflanzenlieferung an Schulkinder. [...] In der vorgesehenen Aussprache über die wirtschaftliche Lage wurde die Kartoffelversorgung lebhaft erörtert. Als Ursache der nicht zu bestreitenden geringeren Kartoffelernte wurden das vielfach ungeeignete Saatgut und die ungünstige Witterung bezeichnet. Eine Einschränkung des Verbrauchs werde daher nicht zu umgehen sein. Allgemein wurde anerkannt, daß die Stadtverwaltung alles tue, um die Bürgerschaft regelmäßig zu versorgen. Vorige Woche seien leider einige Eisenbahnwagen mit erfrorenen Kartoffeln aus Pommern angekommen. Größere Kartoffellieferungen, die zum Einkellern der privaten Haushaltungen genügen würden, seien zu erwarten. [...]
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Neun große Kaninchen sind in einer der letzten Nächte von einem Grundstück an der Kölnstraße gestohlen worden. Die Diebe wurden in einer Ziegelhütte an der Kölner Chaussee aufgegriffen. Die gestohlenen Kaninchen fand man noch bei ihnen.
Freigesprochen. Der Hausvater des evangelischen Waisenhauses in Godesberg hatte sich gestern vor dem Schöffengericht zu verantworten, weil er von den Kühen des Hauses keine Butter abgeliefert hatte. Er erklärte, er habe keine Butter abliefern können, weil er keine Einrichtung zum Buttern besitze. Außerdem habe er 30 Waisenkinder in jugendlichem Alter mit Milch zu versorgen. Die Bundesratsverordnung, die in Betracht kommt, spricht von der Ablieferung von Milch, die Ausführungen des Kreisausschusses dazu von der Ablieferung von Butter. Der Angeklagte wurde freigesprochen.
Ein Bäckermeister aus Bonn hatte sich gestern vor dem Schöffengericht zu verantworten, weil der Revisor des Mehlamtes bei einer Revision im Laden des Angeklagten Brotmarken sowohl einer abgelaufenen als der erst folgenden Woche gefunden hatte. Der Angeklagte behauptete gestern vor dem Schöffengericht, die verfallenen Brotmarken seien als überflüssig abgetrennt worden. Das Schöffengericht setzte eine Geldstrafe von 50 M. gegen ihn fest.
Versuchte Erpressung. Der 45 Jahre alte Tagelöhner Josef Bo. Aus Beuel verlangte in einem Brief von seinem Arbeitgeber Bezahlung von Ueberstunden und Schweigegeld dafür, daß dieser verbotswidrig heimlich ein Schwein geschlachtet habe. Ein Freund des Arbeitgebers hat ohne dessen Auftrag dme Tagelöhner den beanspruchten Ueberstundenlohn bezahlt. Der Arbeitgeber aber bestritt zeugeneidlich sowohl die angebliche Schweineschlachtung wie auch die Verpflichtung zur Zahlung von Ueberstundenlohn. Der Tagelöhner aber wurde vom Außerordentlichen Kriegsgericht in Köln wegen versuchter Erpressung zu zwei Wochen Gefängnis verurteilt.
Der Inhaber einer bekannten Wirtschaft in Bonn stand gestern vor dem Schöffengericht unter der Anklage, mehr Fleischgerichte als zulässig auf der Speisenkarte aufgeführt zu haben. Die Anzeige war von einem Kölner Wirt erstattet worden, angeblich weil die Kölner Polizei noch strenger vorgehe als die Bonner. Der Angeklagte erklärte sich für nicht schuldig. Das Schöffengericht erkannte auf seine Freisprechung, weil in Wirklichkeit nicht mehr als sechs verschiedene Fleischgerichte auf der Karte standen. Sauerbraten kalt oder warm sei als ein Gericht anzusehen und es werde niemand einfallen, zuerst eine Portion warmen Sauerbraten und dann eine Portion kalten zu essen.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Butter- und Margarine-Verkauf. Der Leiter des städtischen Lebensmittelamtes macht bekannt: Es ist zu meiner Kenntnis gekommen, daß Butter und Margarine entgegen den Bestimmungen meiner Verordnungen über die Abgabe von Lebensmitteln und Waren und über den Verkehr mit Speisefetten vom 7. Juni 1916 durch die Lebensmittelgeschäfte an Verbraucher abgegeben werden, obgleich diese nicht in die Kundenliste eingetragen sind. Durch derartige Verstöße wird der Verbraucher, dessen Eintragung in die Kundenliste ordnungsmäßig erfolgt ist, geschädigt und jede ordnungsmäßige Durchführung des Verteilungsplanes vereitelt. Ich warne daher noch einmal die Inhaber dieser Lebensmittelgeschäfte nachdrücklich davor, gegen meine Verordnungen zu verstoßen. Fortan werde ich gegen alle zu meiner Kenntnis kommenden Verstöße unnachsichtig das Strafverfahren einleiten und die sofortige Schließung des betreffenden Geschäftes anordnen. Die Verbraucher werden gebeten, mir Verstöße unverzüglich bekannt zu geben.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)