Freitag, 15. September 1916

     

Anzeige im General-Anzeiger vom 15. September 1916Ein unsinniges Gerücht. Auf der letzten Tagung des Deutschen Sparkassenverbandes, die am 9. d. M. unter großer Beteiligung im Reichstagsgebäude stattfand, führte der Geschäftsführer des Verbandes, Reichstagsabgeordneter Götting, u. a. folgendes aus: In der letzten Zeit wurde aus den verschiedensten Gegenden von einem Gerücht berichtet, daß unter den Sparern umging, daß nämlich eine Beschlagnahme der Spareinlagen zugunsten der Kriegsanleihe zu erwarten sei. Bei diesem unsinnigen Gerücht ist nur eines verwunderlich, daß es nämlich Leute gegeben hat, die es glaubten und weitertrugen, ohne zu bedenken, daß es bei den Sparkassen eigentlich nichts zu beschlagnahmen gibt. Die Riesensummen der Spareinlagen wurden von jeher sobald als möglich in mündelsicheren Hypotheken und mündelsicheren Wertpapieren angelegt und liegen nicht etwa in Fässern voll Gold oder Kisten voll Banknoten in den Kellern der Sparkassen. Jedes Kind sollte das eigentlich wissen. Und was soll das Reich mit diesen Wertpapieren und Hypotheken anfangen? Es kann doch keine Kanonen mit Hypotheken bezahlen. Uebrigens stellen die Sparkassen schon jetzt alles, was sie aufbringen können, ihren Sparern auf die Zeichnung der Kriegsanleihe zur Verfügung, das Reich hat also gar kein Interesse an irgendwelchem Eingriff. Man vermutet wohl nicht mit Unrecht, daß dieses gefährliche Gerücht von heimlichen Agenten der feindlichen Mächte aufgebracht und verbreitet wurde. Wenigstens sprechen die Umstände, wie es gleichzeitig an verschiedenen Orten auftauchte und geflissentlich verbreitet wurde[n], sehr dafür. Leider hat es auch eine Zeitlang seine Wirkung getan, da ängstliche Sparer ihre Einlagen zurückzogen. Jetzt hat aber der gesunde Sinn der Sparer das Gerede überwunden, die Sparer beginnen bereits wieder, die voreilig abgehobenen Gelder zurückzubringen, soweit sie nicht inzwischen zu mehr oder weniger unnützen Dingen ausgegeben sind.

Schaffnerinnen werden jetzt auch auf der Rheinuferbahn angestellt. Sie erhalten dunkelgehaltene Uniformstücke: Litewka, dazu passenden fußfreien Kleiderrock und Mütze. Die Vorgebirgsbahn wird der Rheinuferbahn in dieser neuen Einrichtung bald folgen.

Die Rheinbadeanstalten stellen nächsten Sonntag ihren Betrieb ein.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

     

Kursus für Blinden-Voll – und Kurzschrift. Zu den bedauernswertesten Opfern des Krieges gehören unstreitig die Soldaten, die ganz oder teilweise das Augenlicht eingebüßt haben. Besonders die ganz Erblindeten bedürfen der Hilfe und Unterstützung. Vor allem ist es notwendig, ihnen die Möglichkeit zu geben, ihren Geist zu beschäftigen und ihre Kenntnisse zu erweitern mit Hilfe von Büchern in Blindenschrift. Es ist schon viel getan worden, aber immer noch nicht genug. Zu seiner sonstigen Kriegsarbeit hat der Borromäusverein auch die Versorgung besonders katholischer Blinden mit Lesestoff übernommen. Um die nötigen Bücher zu erhalten, haben sich schon verschiedene Damen zum Schreiben bereit erklärt! Für solche, die sich in den Dienst dieser guten Sache stellen wollen, beginnt am Donnerstag, 21. September, ein Kursus in Blinden-Voll- und Kurzschrift. Vorläufig können nur 10 Damen angenommen werden. Meldungen werden in den ersten Tagen der nächsten Woche nachmittags von 4-6 Uhr im Borromäushaus, Wittelsbacherring Nr. 9, entgegengenommen.

Einen guten Fang machte dieser Tage der Rentner Otto Faßbender aus Mehlem in dem zwischen Lannesdorf und Muffendorf gelegenen Wäldchen „Cäcilienheidchen“. Faßbender befand sich dort mit seinem Sohn auf der Rehjagd. Durch ein Geräusch aufmerksam gemacht, ging er mit schußfertigem Gewehr tiefer in das Gehölz und sah sich plötzlich einem Russen gegenüber, der mit hochgehobenen Händen um Gnade bat. Im Weitergehen entdeckte er noch drei weitere Russen, die sich ebenfalls willig gefangen nehmen ließen. Es handelt sich um vier kriegsgefangene Russen, die von der Mosel ausgekniffen waren und sich vor ihrem Entweichen gehörig mit Lebensmitteln versehen hatten. Vater und Sohn brachten stolz ihre vier Gefangenen nach Mehlem, wo sie einstweilen in Gewahrsam genommen wurden. Faßbender hat drei Söhne im Felde, die alle mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet worden sind.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

Godesberg, 14. Sept. Die getroffenen Maßnahmen unserer Gemeindeverwaltung im Interesse der Volksernährung finden in unserer Bevölkerung allseitige Würdigung. Bereits im Juni hatte die Gemeinde mit dem Ankauf größerer Mengen auswärtiger Gemüse begonnen und diese zu den festgelegten Richtpreisen an die hiesige Bürgerschaft abgesetzt. Es sind bisher für rund 30.000 Mk. Gemüse aller Art umgeschlagen worden. Ebenso wurden zur Einmachzeit der Bohnen große Mengen guter Schnittbohnen der Einwohnerschaft käuflich überlassen und von ehrenamtlich tätigen Frauen mehrere hundert Zentner Bohnen für die Winterernährung unserer Bevölkerung eingemacht. In gleicher Weise soll auch zur gegebenen Zeit der Weißkohl in größeren Mengen als Sauerkraut verarbeitet werden. Um einen großen Vorrat von Gemüsen und Obst für den kommenden Winter haltbar zu machen, sind zwei große Dörrapparate im Volksspeisehause (ehemals Hotel Hüttenrauch) aufgestellt, in den Gemüse und Obst gedörrt wird. Hierfür wird in erster Linie das sämtliche Gemeindeobst verwendet; auch sollen noch weitere Mengen von auswärtigem Obst hinzugekauft werden. Auf diese Weise wird nicht blos die Speisegemeinschaft mit Gemüse und Obst gesichert, sondern es wird dieser Vorrat auch der allgemeinen Ortsbevölkerung zu angemessenen Preisen für den eigenen Haushalt nach dem jeweiligen Bedarf zugute kommen.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Von Nah und Fern.“)

    

Rückkehr aus der Ferien-Erholung. Am Dienstag abend kam wiederum eine Zahl von Kindern aus der Erholung auf dem Lande zurück. Es waren 30 und mehr aus der Pfarre Poppelsdorf. Wer wie Schreiber dieser Zeilen Gelegenheit hatte, die Kinder zu sehen zu sprechen, war außerordentlich überrascht von ihrem blühenden Aussehen. Mit vollen und von der Sonne gebräunten Wangen, mit leuchtenden Augen erzählten sie von den schönen Tagen in Kruft bei Andernach, wo sie in den ländlichen Familien Unterkunft und eine zweite liebe Heimat gefunden hatten. Die Angaben ihrer Gewichtszunahme schwirrten nur so durch einander: 4, 6, 8 und 10 Pfund. Eine sollte sogar ein Mehrgewicht von 12 Pfund zu verzeichnen haben. Mit rührender Dankbarkeit sprachen sie von ihren Pflegeeltern, die es so gut gemeint mit ihnen und ihnen noch ein übriges – man sah’s am stattlichen Gepäck, eine Zehrung mit auf den Weg gegeben hatte. Sie alle beseelte der eine Wunsch, im nächsten Jahre wieder hingehen zu dürfen.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)