Montag, 31. Juli 1916

     

Anzeige in derDeutschen Reichs-Zeitung vom 31. Juli 1916Fahnenweihe der Fortbildungsschule. Der Bonner Fortbildungsschule ist bekanntlich vor einiger Zeit von Herrn Dr. Meyer, dem Inhaber der Bonner Fahnenfabrik, eine Fahne geschenkt worden. Gestern nachmittag ist die Fahne auf dem städtischen Spielplatze an der Kölnstraße eingeweiht worden. Vorher zeigten die etwa 800 Schüler dem Garnisonältesten, Generalleutnant Exzellenz v. Boetticher, und einer größeren Anzahl Offiziere, ferner dem Oberbürgermeister, den Vertretern der Handelskammer, des Handwerks, den Stadtverordneten, dem Schulvorstand und zahlreichen anderen Zuschauern den Stand ihrer Ausbildung in den vorgeschriebenen militärischen Jugendübungen. Unter der Leitung von Offizieren und Unteroffizieren wurden Bewegungs- und Freiübungen vorgeführt, Hindernisse überwunden, das Kriechen mit möglichst flach ausgestrecktem Körper, Speer- und Handgranatenwerfen geübt, auch Lauf- und andere Spiele wurden veranstaltet. Als alle Abteilungen besichtigt worden waren, sammelten sich die Ehrengäste und die jungen Leute um die noch verhüllte neue Fahne zu einer kurzen vaterländischen Feier. Nach einem Musikstück der Landsturmkapelle und dem Vortrag der Wacht am Rhein durch die Bonner Liedertafel nahm Oberbürgermeister Spiritus das Wort. Er habe soeben den Eindruck gewonnen, daß die jungen Leute ganz hervorragend gelernt haben, ihren Körper zu stählen und sich in Mannszucht zu festigen. Ihren fröhlichen Mienen sei es anzusehen, daß die militärischen Uebungen ihnen kein lästiger Zwang, sondern Vergnügen seien. So solle und müsse es auch sein. In dieser großen und ernsten Zeit habe jeder gern das Seine zu tun für des Vaterlandes Wohl, und auf die Jugend als die Zukunft müsse das Vaterland ganz besonderes Vertrauen setzen. Für jeden gesunden Deutschen sei es ja eine Selbstverständlichkeit, daß er auch Soldat werde und das Vaterland verteidigen helfe. Zu den besten Soldaten gehörten aber die, die schon vorher in den Jugendorganisationen vorgebildet worden seien. Nun habe ein edelmütiger Gönner der Fortbildungsschule für ihre militärische Jugendausbildung eine künstlerisch schöne Fahne geschenkt. Die Fahne sei dem Deutschen und insbesondere dem Soldaten das Sinnbild der Pflicht und der Treue gegen das Vaterland, das jeder mit schützen wolle, und gegen den Kaiser, der selbst ein Vorbild der Pflichttreue und des Gottvertrauens sei. Oberbürgermeister Spiritus ließ die Fahne enthüllen und brachte ein dreifaches Hurra auf den Kaiser aus. Die Anwesenden , vor allem die in guter Ordnung aufgestellten Jünglinge, stimmten begeistert in die Hurras ein und sangen Deutschland über alles. Fortbildungsschuldirektor Bins übernahm dann die neue Fahne. Er dankte dem Stifter der Fahne, den erschienenen Ehrengästen und den ausbildenden Offizieren und Unteroffizieren und gelobte im Namen der Schüler seiner Schule, daß sie, wie unsere tapferen feldgrauen Krieger, ihre Fahne stets hoch in Ehren halten und dem Vorbild unserer Kämpfer in Ost und West, Süd und Nord stets nachzueifern bestrebt sein würden. Der Redner schloß mit einem Hoch auf unser Heer und unsere Flotte.

Der Ausschuß für hauswirtschaftliche Kriegshilfe hat den Verkauf von Marmelade einstellen müssen, da die Vorräte ausverkauft sind und infolge der herrschenden Zuckerknappheit auf neue Zufuhr einstweilen nicht zu rechnen ist. Fast ein ganzes Jahr lang waren die Damen des Ausschusses und ihre Helferinnen unablässig bemüht, der minderbemittelten Bevölkerung durch Bereitstellung billiger Marmeladen den Fettmangel weniger fühlbar zu machen. Da sämtliche Hilfskräfte ehrenamtlich, d. h. ohne jede Vergütung, ihre Zeit und Kräfte dem guten Zweck zur Verfügung stellten, war es dem Ausschuß für hauswirtschaftliche Kriegshilfe möglich, die Marmeladen zum Selbstkostenpreis abzugeben. Obgleich der Andrang oft kaum zu bewältigen war und daher an die Ausdauer der bedienenden Damen hohe Anforderungen gestellt wurden, walteten sie bis zuletzt mit immer gleicher Freudigkeit ihres Amtes. Sie bedauern aufrichtig, durch die Umstände gezwungen, den Marmeladenverkauf aufgeben zu müssen. Da es durch Vermittlung der Stadt den hiesigen einschlägigen Geschäften jetzt wieder möglich ist, billige Marmelade zu verkaufen, dürfte auf diesem Wege den Bedürfnissen der Bevölkerung vorläufig genügt werden.
   Der Verkauf von Kindermilchmehl und einigen anderen Nährmitteln bleibt in den gleichen Räumen Am Hof weiter bestehen, ebenso wie die Beratungsstelle, die auch fernerhin auf regen Zuspruch hofft.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

Godesberg, 30. Juli. Ein Schauturnen und ein Schaurudern des Evangelischen Pädagogiums hatte sich gestern eines äußerst regen Besuches und der allgemeinen freudigen Zustimmung zu erfreuen. Bis vor zwei Jahren hatte die Anstalt bekanntlich unausgesetzt um diese Zeit gewissermaßen als Schlußstein ihres Schullebens für das Sommerhalbjahr ein großes Turnfest abgehalten, das am Abend bei der Rückkehr der Schülerschar mit einem feierlichen Fackelzug durch das geschmückte und beleuchtete Godesberg abschloß. Durch den Krieg waren bis jetzt diese Festveranstaltungen zweimal ausgefallen. Der diesmal nun wieder aufgenommene Schulschlußakt, zu welchem auch die abkömmlichen „Ehemaligen“ in großer Anzahl erschienen waren, entsprach vollkommen dem Ernst und Geist unserer Zeit. Herr Dr. Lohmann brachte als Vorsitzender der „Besdep“ den Gruß und die Gefühle der Anhänglichkeit der ehemaligen Schüler zum Ausdruck. Der aus dienstlichen Gründen an der Teilnahme der Schulfeier verhinderte Fliegerleutnant Rübsamen erschien während des Schauturnens am Vormittag plötzlich mit seinem Flugzeug über dem Schulhofe bis zu einer beträchtlichen Tiefe und warf einen Brief und einen Kranz als Festgruß herab. Das von Herrn Oberlehrer Endemann am Vormittage vorgeführte Schauturnen übertraf wiederum alle gehegten Erwartungen und riß die Zuschauermenge vielfach zu Beifallskundgebungen hin, ebenso das am Nachmittag in der Nähe von Dreesen vorgeführte Schaurudern, das mit einer Auffahrt der ganzen Flotte des Godesberger Schüler-Rudervereins mit 25 Booten und 65 Ruderern abschloß. Herr Direktor Professor D. Kühne brachte in seiner Schlußansprache ein Hoch auf Kaiser und Vaterland aus.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Rheinland und Nachbargebiete“)

    

Die Bonner Kriegsküchen. Eine sachverständige Hausfrau sendet uns über die Poppelsdorfer Kriegsküche, die namentlich in den letzten drei Tagen unter Kontrolle gehalten hat, die nachfolgende Beurteilung.
   Freitag, 28. Juli. Graupen mit Backobst. War sehr kräftig, auch vollständig hinreichend zum Sattessen. Wünschenswert wäre gewesen, wenn das Backobst entweder durch das bei Hausfrauen übliche vorherige Einweichen (24 Stunden) oder durch längeres gelindes Kochen weicher, aufgequollener und deshalb auch bekömmlicher gewesen wäre. Dieses wäre ohne direkte Mehrausgaben zu erreichen. Eine geringe Erhöhung des Etats würde wohl vonnöten sein, um das ganze Gericht ein wenig süßer zu machen. Es wäre dann leichter, die zum Sattwerden nötige Portion zu verzehren, auch der Nährwert erführe eine kleine Steigerung.
   Samstag, 29. Juli. Erbsensuppe mit Kartoffeln und Fleischeinlage. War zu wenig konsistent, um selbst bei Verzehren des ganzen Quantums einen Arbeiter wirklich zu sättigen. Die Erbsen waren so hart, wie es in keinem einfachen Haushalt üblich ist, sie zu verabfolgen, schon allein weil der Verdauungsapparat das Gebotene so nicht ausnutzen kann. Gewürzt war in sehr gutem Mittelmaß. Also: Hülsenfrüchte unbedingt einweichen.
   Sonntag, 30. Juli. Dicke Bohnen mit Speck und Kartoffeln. Das erste meiner Ansicht nach völlig verfehlte Essen, das eigentlich als unumstößlicher Beweis dafür dienen kann, daß zur Massenspeisung sich nur Eintopfgerichte oder Hülsenfrüchte eignen. Dem sehr zu respektierenden Wunsch, die Eintönigkeit der Eintopfgerichte einmal durch ein fast hausmütterliches Mittagessen zu unterbrechen, stehen in der heutigen Entwicklung der Volksküchen so große Mängel in der Einrichtung entgegen, daß man lieber ein gutes Eintopfgericht als ein nur gut gemeintes Mittagessen geben sollte. Man würde das sicher auch richtig zu würdigen wissen. Die Dickbohnen waren nicht ganz gar geworden und hatten durch die für dieses Gericht zu kleine Fleischbeigabe weder genug Gewürz, noch genug Kraft bekommen. Die Kartoffeln waren häßlich und nicht gut im Geschmack. Beides nicht etwa Schuld der Köchin. Es ist besonders bei neuen Kartoffeln der Hausfrau Sitte, sie in der Schale zu kochen, dann abzuziehen und noch einmal schnell durchdampfen zu lassen. Das kann die Volksküche mit ihren Einrichtungen nicht machen. Sie schält – leider – die Kartoffeln und kocht sie. Im Wasser müssen dann die Kartoffeln bleiben, bis sie abgeholt werden, schon allein, weil man sie nicht anders heiß halten kann. So entsteht die häßliche graue Farbe der jetzt doch so schönen Erdäpfel, und wenn man Pech hat, bekommt man sie auch noch recht auseinandergekocht auf seine Portion Dickbohnen gelegt.

Der Ausflugsverkehr war am gestrigen Sonntag recht lebhaft. Die am Nachmittag rheinaufwärts fahrenden Schiffe waren mit Ausflüglern dicht besetzt und auch unsere Vorortbahnen hatten starken Verkehr. Mit dem Eintreten des warmen Wetters hat auch unsere Jugend das Baden im offenen Rhein wieder aufgenommen, und gestern nachmittag konnte man rechts- und linksseitig eine ganze Anzahl Knaben beobachten, die, nur mit einer Badehose bekleidet, die Leinpfade entlang liefen und sich auch dort, unbekümmert um die Spaziergänger, aus- und ankleideten. Abgesehen davon, daß das Baden im offenen Rhein wegen der damit verbundenen Lebensgefahr behördlich verboten ist, macht es einen unangenehmen Eindruck, wenn sich die Knaben in ihrem Badekostüm ganz ungeniert zwischen den Spaziergängern bewegen. In den verschiedenen geschlossenen Freibädern ist der Jugend reichlich Gelegenheit geboten, sich nach Herzenslust in den Wellen des Rheines zu tummeln. Wünschenswert wäre es, wenn jetzt zur Eröffnung der Badezeit gegen das Baden im offenen Rhein energisch eingeschritten würde; es könnten dann manche Unglücksfälle durch Ertrinken vermieden werden. Die nahenden Schulferien lassen diese Anregung ganz besonders geboten erscheinen.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

      

Eine patriotische Pflicht. Amtlicherseits wird erneut darauf hingewiesen, daß es Pflicht jedes Deutschen ist, Fluchtversuche, Diebstähle, Brandstiftungen, Beschaffung von Zivilkleidern und sonstige Verstöße von Kriegsgefangenen zu verhindern, die Wachtkommandos und Polizeibeamten hierin zu unterstützen und alle bekannt werdenden Verfehlungen von Kriegsgefangenen ungesäumt dem nächsten militärischen Posten oder den nächsten militärischen Dienststellen oder dem nächsten Polizeibeamten zur Kenntnis zu bringen.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)