Freitag, 30. Juni 1916

      

Anzeige im General-Anzeiger vom 30. Juni 1916Volksspende für die deutschen Kriegs- und Zivilgefangenen. Man schreibt uns: Unter dem Schutze Ihrer Majestät der Kaiserin ist in ganz Deutschland eine Volksspende für die deutschen Kriegs- und Zivilgefangenen eingerichtet worden. Die Vaterländischen Vereinigungen in Bonn haben es übernommen, diese Spende in unserer Stadt durchzuführen und ihre Einsammlung durch die Bonner Volksspende zu veranlassen. Es gilt auch derer zu gedenken, die unverschuldetes Unglück weithinaus in Feindesland verschleppte, die dort festgehalten wurden, als der Sturm über Deutschland hereinbrauste, und die nun getrennt von Heimat und Familie, in Unkenntnis über die wahre Kriegslage, fern vom Vaterland schmachten bei schwerer Arbeit, in ungewohntem Klima und unter oft harter Behandlung. Eine Spende des ganzen Deutschen Volkes soll dazu beitragen, die Not aller deutschen Gefangenen in Feindesland zu lindern, so daß sie nach den traurigen Zeiten in hellen Tagen des Friedens mit stolzer Freude sagen können: „Unser Vaterland und unsere Landsleute hatten uns nicht vergessen, sie waren mit ihrer Hilfe und mit ihrem Herzen bei uns!“ Wir hoffen, daß unsere Bonner Mitbürger, von tiefem Mitgefühl bewegt, für diese mildtätige Sammlung eine offene Hand haben und zeigen, daß sie würdig sind der ungeheuren Opfer, die in riesigen Schlachten und in stillem Erdulden da draußen gebracht werden! Gebe jeder und jede nach Herz und Vermögen.
   Beiträge nimmt die Bonner Volksspende oder die Sammelstelle Rh.-Westf. Diskonto-Gesellschaft, Münsterplatz 1-3 entgegen.
   Die Bonner Pfadfinder haben es sich nicht nehmen lassen, auch bei der Spende für die Kriegs- und Zivilgefangenen in Feindesland ihren vaterländischen Opfermut zu betätigen. Sie haben sich begeistert zur Verfügung gestellt, um die Werbedrucksachen in allen Haushaltungen in Bonn zu verteilen und die Abschnitte mit den Zeichnungen der opferfreudigen Bürger und Bürgerinnen wieder abzuholen.

Die Frauen als Flickschuster. Dem Beispiel der Karlsruher Frauenvereine folgend, will nun auch der Bonner Ausschuß für hauswirtschaftliche Kriegshilfe der Not der Zeit Rechnung tragen und im Universitätsgebäude Am Hof, rechts neben dem Hauptportal eine „Flickschusterei“ einrichten, um alte Schuhe auszubessern und neue herzustellen. Die Beschaffung und Instandhaltung des Schuhwerks macht den wenigerbemittelten und kinderreichen Familien die schwerste Sorge, darum ist jetzt, da Leder und Schuhwerk beinahe unerschwinglich teuer geworden sind, diese Einrichtung notwendig geworden. Zwei Bonner Damen und ein Schuhmachermeister werden in Karlsruhe einen Lehrgang mitmachen, der sie in den Stand setzt, mit kleinen Resten Schuhe auszubessern, aus alten Lederkoffern, Schulranzen, Linoleumresten usw. Sohlen herzustellen, aus alten Strohhüten Bastschuhe, aus Tuchresten und Filzhüten Zeugstiefel anzufertigen. Wir weisen auf den Aufruf im Anzeigenteil hin. Weitere fachmännische Hilfskräfte sollen herangezogen werden. Frau Kautz, die Begründerin der vorbildlichen Karlsruher Flickschusterei, hat ein Flugblatt herausgegeben, in dem in dankenswerter klarer Weise Anleitung zum Erhalten und selbstständigen Ausbessern der Fußbekleidung gegeben wird. Dies Flugblatt ermöglicht es der Hausfrau, die jetzt so teuren Ausbesserungen selbst vorzunehmen, und kann deshalb gar nicht genug empfohlen werden. Es ist in der Beratungsstelle Am Hof 1 zu haben. Auch wird in der „Flickschusterei“ Anweisung dazu gegeben. Die Bonner Bürgerschaft wird herzlich gebeten, dieser neuen Einrichtung werktätiger Kriegsfürsorge nach Kräften ihre Hilfe angedeihen zu lassen und der „Flickschusterei“ recht viel Rohstoffe zuzusenden.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

     

Anzeige im General-Anzeiger vom 30. Juni 1916Verkauf von Lebensmitteln gegen Warenkarten. Im Stadtkreis Bonn dürfen vom 2. Juli d. J. ab neben denjenigen Lebensmitteln und Waren, deren Abgabe an Verbraucher nur gegen besonders gekennzeichnete Karten erfolgen darf, wie Brot und Mehl, Fleisch und Fleischwaren, Speisefette, Verbrauchszucker, Eier, Kartoffeln, Seife, Seifenpulver und andere fetthaltige Waschmittel, die nachstehend bezeichneten Lebensmittel nur gegen die mit Nummern versehenen Abschnitte der für den Stadtkreis Bonn gültigen Warenkarte abgegeben werden: Hülsenfrüchte (Erbsen, Bohnen), Erbsen- und Bohnenmehl, Graupen, Gerstengrütze, Griesmehl, Reis, Teigwaren (Nudeln) und Salzheringe. Die Abgabe dieser Lebensmittel darf nur in Geschäften erfolgen, die durch Aushang eines vorschriftsmäßigen Schildes im Schaufenster als Verkaufsstellen städtischer Lebensmittel besonders gekennzeichnet sind. In jeder Woche wird bekannt gemacht, welche Lebensmittel abgegeben werden dürfen, außerdem die abzugebende Menge, ihr Preis und die betreffende Nummer des Warenabschnittes. Ausnahmen sind nur mit schriftlicher Erlaubnis des Oberbürgermeisters gestattet.

Kriegsgemüse. In den Waldungen auf dem Venusberg wächst in überaus großen Mengen der baumartige Adlerfarn. Die jungen Wedel und die zarten Enden der ältern Wedel geben wie Spinat abgekocht und behandelt, dann mit einigen gekochten und zerkneteten Kartoffeln vermischt und gargeschmort ein – auch nach ärztlichem Urteil – sehr wohlschmeckendes, gut bekömmliches und nahrhaftes Gemüse. Wer einen größeren Spaziergang unternimmt, möge einmal den Versuch machen, er wird ihn sicher wiederholen, weil er den eignen Geldbeutel und auch den Gemüsemarkt dadurch entlastet. Auch der Sammeltätigkeit der Kinder und ärmeren Bevölkerung könnte dadurch eine Erwerbsquelle erschlossen werden. Prof. Füchtjohann.

Durch wokenbruchartigen Regengüsse, die am Mittwoch nachmittag niedergingen, wurden in den verschiedensten Stadtteilen die Keller und die tiefer gelegenen Höfe unter Wasser gesetzt. Tiefbauamt und Feuerwehr wurde mehrfach herbeigerufen, um das Wasser aus den Kellern auszupumpen.

Anzeige im General-Anzeiger vom 30. Juni 1916Die Wirkung der neuen Tabakabgaben. Man schreibt uns: Am 1. Juli treten die neuen Tabakabgaben in Kraft, und für die seit dem 16. Mai d. Js. verzollten oder versteuerten Tabakblätter hat eine Nachverzollung oder Nachversteuerung stattzufinden zu Ausgleich des Unterschiedes zwischen den gegenwärtigen und den neuen Gewichtszöllen. Unter dem Einfluß der infolge des Krieges eingetretenen außerordentlichen Verteuerung des Tabaks, die noch nicht zum Stillstand gekommen ist, waren bereits bisher die Preise der Tabakerzeugnisse sehr erheblich gestiegen. Inzwischen ist dne Arbeitern des Tabakgewerbes eine Lohnerhöhung von 25 v. H. unter Einrechnung der während des Krieges bereits gewährten Teuerungszulagen zugestanden, wodurch naturgemäß eine weitere Verteuerung der Erzeugung eingetreten ist. Und nun tritt dazu der erhöhte Gewichtszoll. Die Folge dieser verschiedenen die Fabrikation verteuernden Ursachen wird ein Preisaufschlag auf Zigarren von durchschnittliche mindestens 50 v. H. sein. Aber auch dieser Aufschlag wird nur solange ausreichen, als noch ältere, billigere Rohtabake verarbeitet werden. Sobald ausschließlich Tabake zu den hohen Kriegspreisen und mit der neuen Belastung zur Verarbeitung gelangen, wird der Preisaufschlag sich noch weiter erhöhen. Dabei werden die untersten Preislagen die stärkste Steigerung erfahren. Gegenwärtig wird es noch möglich sein, im Kleinhandel eine Zigarre für 10 Pfg. zu beziehen, in absehbarer Zeit dürfte aber die 12-Pfg.-Zigarre die unterste Preislage bilden. Die bisherige 10-Pfg.-Zigarre kostet gegenwärtig noch 15 Pfg., ihr Preis wird aber demnächst noch weiter steigen. Ueber die Gestaltung der Kleinhandelspreise für Zigaretten ist zwischen Fabrikanten und Händlern noch keine Einigung erzielt, obwohl der Zeitpunkt für die Erhebung des neuen Kriegsaufschlages unmittelbar bevorsteht. (...) Jedenfalls wird die bisherige 1-Pfg.-Zigarette ganz verschwinden und an ihre Stelle tritt als billigste Sorte die 2-Pfg.-Zigarette. Eine sichere Folge der Neubelastung der Zigarettenindustrie wird jedenfalls darin bestehen, daß die bisherige Preisschleuderei, unter der der solide Zigarettenhandel stark gelitten hat, für immer ihr Ende erreicht.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

Godesberg, 29. Juni. Zu der heute beginnenden Speisegemeinschaft im Volksspeisehause (ehemals Hüttenrauch), die bis zur vollständigen Einrichtung der Anlage vorläufig nur für solche Familien bestimmt ist, die gar keine Kartoffeln mehr besitzen, haben sich 600 Personen angemeldet.

Godesberg-Muffendorf, 29. Juni. Kürzlich wurden drei gut situierten Landwirten der früheren Gemeinde Muffendorf noch erhebliche Kartoffelvorräte von der Godesberger Polizei in den Kellern beschlagnahmt und verkauft. Die Beschlagnahmung erfolgte auf Grund einer Anzeige minderbemittelter Leute, denen man sich geweigert hatte, noch Kartoffeln zu verkaufen.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Von Nah und Fern.“)

    

Unverantwortliche Redensarten und Hamsterei. Am Mittwoch verbreitete sich fast plötzlich in der Stadt, meist in Geschäften, das Gerücht, das Salz würde teurer. Sofort setzte auch schon die Salzhamsterei ein. Auf Grund von Erkundigungen an maßgebender Stelle sind wir in der Lage mitzuteilen, daß eine Erhöhung des Salzpreises nicht bevorsteht. Wohl war an die hiesige Preisprüfungsstelle von Geschäftsleuten der Antrag gestellt worden, auch für Salz erhöhte (Kriegs-) Preise festzusetzen. Diesen Antrag aber hat die Preisprüfungsstelle mit Recht abgelehnt.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)