Mittwoch, 28. Juni 1916

    

Die Erhöhung der Zigarettenpreise. Mit dem 1. Juli tritt der Kriegsaufschlag für die Zigaretten in Kraft, wodurch sich die Zigarettenpreise um 25 bis 30 v. H. erhöhen. Die Zigarrenhändler sind gezwungen, die Preise für die Zigaretten sofort mit dem 1. Juli zu erhöhen, da sie alle am 1. Juli in ihrem Besitz befindlichen Zigaretten mit dem Kriegsaufschlag nachversteuern müssen. Nur die Zigarrettenvorräte der kleinsten Händler bleiben nachsteuerfrei, soweit diese Vorräte 3000 Stück nicht überschreiten.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

     

Der Nahrungsmittelverkehr in Bonn wird mit dem 1. bezw. 2. Juli eine Neuordnung erfahren, die es ermöglichen soll, daß das Warten und Ansammeln vor den Verkaufsstellen aufhört, daß eine gerechtere Verteilung der Lebensmittel stattfindet und der Verkehr sich wieder mehr auf die Lebensmittelgeschäfte der einzelnen Stadtteile erstreckt. Die Stadtverwaltung überweist die ihr zur Verfügung stehenden Lebensmittel an die einzelnen Geschäfte, u. a. den Speckverkauf an die Metzgereien, läßt die Geschäfte genaue Kundenlisten führen und verpflichtet jeden Hausstand, sich für 4 Wochen bei einem bestimmten Lebensmittelgeschäft als Kunde einzutragen, zweigt da, wo zu viele Kunden eingetragen sind, die Ueberzahl zwangsweise ab, um Ansammlungen zu verhüten, gewährt weiterhin die bisherige Brotmenge, an Schwerarbeitende, jugendliche Arbeiter und im Wachstum befindliche Kinder ¼ - ¾ Pfund Brot wöchentlich mehr, gibt als Ersatz für mangelnde Kartoffeln mehr Brot und Hülsenfrüchte, muß dagegen das Speisefett, das nunmehr völlig von der Zentrale aus den einzelnen Städten überwiesen wird, auf 100 Gramm insgesamt begrenzen, wovon nur 50 Gramm auf Butter oder Margarine entfallen, kann dagegen zusagen, daß der Preis der Margarine auf 2 Mk. und des 100prozentigen Speisefetts auf 2, 32 herabgesetzt wird. Wer Butter anderwärts bezieht, erhält solche nicht von der Stadt. Im übrigen sind die Preise für Lebensmittel für die ärmere, minderbemittelte und die übrige Bevölkerung in drei Abstufungen eingeteilt. Auch die zu den niedrigsten Preisen verabfolgten Waren kann man in den Läden kaufen. Mehl gibt es nur noch ein Pfund, weil in der fettarmen Zeit Brot mehr als Nahrungsmittel angesehen wird. Anstelle des Brotbuches, tritt, wie schon bekannt, das Warenkartensystem, das eine schärfere Kontrolle von Käufern und Verkäufern ermöglicht. Die Karten werden von städtischen Beamten jedem Hausstand zugestellt.
   Die Kriegsküchen werden weiter ausgebaut. Der Zuspruch ist sehr stark. In der nächsten Woche können 6000 Personen gespeist werden.

Auch eine Ursache der Eierknappheit. Aus unserem Leserkreis wird uns geschrieben: Ein Landmann verlangte gestern für ein Ei 35 Pfennige. Bei dieser Gelegenheit zeigte er mir einen Brief, von einem der höheren Zigtausend Bonn’s geschrieben, in welchem der Betreffende um Ueberbringung von Eiern bat, Preis sei Nebensache!! Außerdem wurde dem Bauer, da er von auswärts kommt, noch Fahrgeld zugesichert. Gut für den Schreiber und den Bauer, doch traurig für den weniger Bemittelten!

Schließung einer Bäckerei. Wie der Oberbürgermeister in der heutigen Nummer unseres Blattes bekannt macht, ist die Schließung des Geschäfts des Bäckermeisters Michael Rott, Stiftsplatz 6, wegen Unzuverlässigkeit im Handel mit Nahrungsmitteln angeordnet worden.

Die städtische Kriegsküche im Betrieb.
Seit vorgestern ist das Heim des städtischen Fuhrparks in der Ellerstraße das Ziel vieler Hunderte. Um die Mittagszeit eilen sie herbei, um die Vorsorge und die Kochkunst der Stadtverwaltung in Anspruch zu nehmen. Ein Lager, eine Halle ist dort zu einer prächtigen Küche hergerichtet. Zwei mächtige Kochherde sind drin aufgebaut; jeder faßt 500 Liter; zwei kleinere assistieren den großen. Lange., blitzsaubere Anrichten und Tische stehen heir, hagelweiß sind Wände und Decke. Ein Vorbau schützt mit seinem Dach die Harrenden; Schranken leiten zu den zwei Ausgabestellen. Ein abgetrennter Raum nimmt die Verwaltung auf.
   In dieser Kriegsküche herrschen Damen aus den ersten Gesellschaftskreisen; Herren des städtischen Bauamtes gehen ihnen zur Hand; Stadtverordnete und Mitglieder der Verpflegungskommission sehen nach dem Rechten. Um die Riesenherde aber hantieren mit mächtigen Geschirren, Rührern und Löffeln und Schöpfkellen behäbige Kochfrauen mit ihren Gehilfinnen. Verständnisvoller Eifer leuchtet auf ihren Gesichtern; strahlend in Genugtuung, wenn die Kostproben den würzigen Düften recht geben. Kostbar, wohlgeraten!
   So ist die Uhr auf ½2 gelaufen und die Hunderte, die von allen Seiten kommen, haben sich ohne Hast und ohne Drängen an den Schranken gegliedert. Da stehen Bürgerinnen und Bürger und Bürgerskinder aus allen Berufsklassen. Frauen, denen harte Arbeit ihren Stempel aufgedrückt, einfach deckt eine saubere Schürze ihren Arbeitsrock. Frauen in Hut und Mantel; Angestellte mit dem Postzeichen, Angestellte im Straßenbahnerrock; Kinder mit bleichen Gesichtern und verwaschenen Blüschen, Kinder Bessergestellter. Männer im Arbeitskittel mit schwieligen Händen; Männer mit weißer Wäsche. Alle bringen Vertrauen der Kochkunst der Kriegsküche entgegen und alle sehen frank und frei, schreiten erhobenen Hauptes zum Empfangstisch. Frei Bürger, frei und ungedrückt, nehmen sie die Vorsorge der Stadt in Anspruch. Recht und Pflicht begegnen sich hier in schönster Harmonie.
   Die Kostproben sagten, daß die Suppe zur Ausgabe fertig ist. Zwei Herren mit freundlichstem Blick und prächtigem Engegenkommen alter Hülflosigkeit gegenüber, nehmen die Bezugsscheine in Empfang und mit ihnen die Töpfe und Geschirre. Zwei Ketten von Damenhänden geben sie an die Herde: 1 Liter – ½ Liter – 3 Liter – 5 Liter. – Die prallen Köchinnen tauchen die Kellen tief in den duftenden Inhalt, rühren auch eifrig, damit nur ja immer das richtige Gemenge, nicht zu dünn und nicht zu dick, erfaßt werde, und jedes Gefäß erhält sein Maß. Beglückt zieht der Versorgte ab und mit ruhiger Gelassenheit treten andere an die Schranken.
   Die Geschirre sind wundervoll mannigfaltig, mit denen die Kriegssuppe heimgeholt wird. Alle Arten von Töpfen und Kannen marschieren da auf; groß und klein, dick und dünn, bauchig und eng; sie sind von Holz, sie sind von Ton, von Eisen und Blech. Prachtstücke, die einst in besseren Zeiten köstlichen Bowlenwein spendeten, Wasserkrüge, die den Waschtisch zierten; altdeutsche Krüger, die vor Jahrhunderten geformt und schon manchen Krieg erlebt, Essenträger, Wassereimer, Milchtöpfe, Marmelade-Eimerchen marschieren da in bunter Reihe, wie ihre Besitzer, auf. (Die Marmelade-Eimerchen eignen sich am besten für das Holen der Gerichte.)
   Mit freundlichem Antlitz überreichen junge und gesetzte Damen die gefüllten Geschirre; vorsorglich packen sie dem jungen Knirps hier den weiten Topf in das enge Körbchen, dort dem blassen Mädchen die hohe Kanne in die schwankende Markttasche, damit nur ja nicht ein Tröpfchen des kostbaren Inhaltes verschüttet wird. Ueberall freundliche Belehrung, liebevolle Hülfe, geschäftiges Entgegenkommen bei den Damen und Herren der Küchenhülfe gegenüber den Suppenholern. Kein gerissener und verständiger Geschäftsmann behandelt seine besten Kunden zuvorkommender. Hier sind Menschen an der Arbeit, die volles Verständnis für ihre hohe Aufgabe besitzen.
½1 Uhr und die Abonnenten sind versorgt. Wohl 900 Portionen sind verausgabt. Es ging alles wie am Schnürchen. Einer der Riesenkessel ist leer geworden; der andere hat noch seine 100 Liter Speise für die Tageskarten, deren Portionen dann weiter bis ½2 Uhr abgegeben werden.
   Ein gutes Werk, wichtige kriegswirtschaftliche Aufgaben vermag eine derart vorbildlich geleitete Kriegsküche zu erfüllen. Ihr weiterer Ausbau und die Verbreitung über die ganze Stadt werden weiteren Segen stiften und Neid und Haß und menschenunwürdige Bosheit unserer Feinde zu Schanden machen.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

Grau-Rheindorf, 25. Juni. In der Sonntagnacht wurden hier in der Nähe des Friedhofs auf mehrern Grundstücken erhebliche Mengen Frühkartoffeln aus der Erde gewühlt. Einem Arbeiter wurden mehrere Zentner Futterknollen aus der bis dahin verschlossenen Grube gestohlen. Da die Felddiebstähle sich beständig mehren, so soll hier demnächst eine Nachtwache eingerichtet werden.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Von Nah und Fern.“)

    

Beim Spielen am Rhein stürzte gestern nachmittag ein dreijähriger Junge ins Wasser. Das Kind ertrank. Der Vater des Kindes war wenige Stunden vor dem Unglück aus dem Felde in Urlaub gekommen, die Mutter ist Wöchnerin.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)