Mittwoch, 31. Oktober 1917

      

Die Kartoffelzufuhr
ist in den letzten Tagen in Folge der großen Verkehrsschwierigkeiten erheblich schwächer gewesen. Dazu kam noch, daß das schlechte Wetter die Bewirtschaftung der ankommenden Eisenbahnwagen sehr erschwerte. Diejenigen, die ihre Kartoffeln für die Zeit vom 18. November bis 24. Februar 1918 zum Einkellern noch nicht angemeldet haben, seien noch einmal dringend hierzu aufgefordert. [...] Um Missverständnissen vorzubeugen, sei besonders darauf hingewiesen, daß sich die Pflicht zum Einkellern der Kartoffel in erster Linie auf diejenigen erstreckt, die über entsprechende Mittel und trockene Keller verfügen. Für alle anderen sorgt die städtische Verwaltung natürlich nach wie vor. Wer aber keine Kartoffeln einkellert, obwohl er dazu in der Lage ist, der kann bestimmt nicht darauf rechnen, beim Eintreten erneuter Kartoffelknappheit durch die Stadt beliefert zu werden, denn er hat durch sein Verhalten mit dazu beigetragen, daß die Versorgung der Bevölkerung infolge zu starker Inanspruchnahme der städtischen Läger nicht regelrecht vor sich gehen konnte. [...]
     Die Verkehrsschwierigkeiten auf der Eisenbahn haben auch in den letzten Tagen die Belieferung mit
Zucker ins Stocken gebracht. Doch ist dies nur eine ganz vorübergehende Erscheinung, die in wenigen Tagen wieder verbessert wird. Die Zuckermarken für diese Woche können auf jeden Fall nächste Woche eingelöst werden.
    Durch das Kriegsernährungsamt werden bis zum Januar keine Sonderzuweisungen an Nährmittel inbesondere an Gries, Graupen, Hafernährmittel usw. ausgegeben. Dadurch ist auch das Lebensmittelamt nicht in der Lage, die Wochenzuteilung reichlicher zu gestalten. [...] Diese geringen Zuweisungen bringen es mit sich, daß die Nährmittel für Kranke weiter, und zwar recht erheblich eingeschränkt werden müssen. Das ist außerordentlich bedauerlich und namentlich für die vielen Krankenanstalten, die nun einmal hier in Bonn vorhanden sind, von schwerwiegendster Bedeutung. Das Lebensmittelamt hat daher entsprechende Schritte bei den maßgebenden Behörden getan. [...]
Die Kriegsküchen
    haben durch die Erhöhung der Preise in ihrer Teilnehmerzahl nur wenig nachgelassen. Es ist anzunehmen, daß dies nur eine vorübergehende Erscheinung ist und dann bald mit einer steigenden Besucherziffer gerechnet werden kann. Der bevorstehende Winter wird uns in der Ernährungsfrage zweifellos noch vor harte Aufgaben stellen, aber wir werden auch diese bestimmt durch unsere Siegeszuversicht und den festen Willen zum Durchhalten ebenso gut überwinden, wie es im vergangenen Jahr der Fall war.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus dem städtischen Lebensmittelamt.“)

Kinder auf der Straßenbahn.
Auch eine recht praktische pädagogische Seite hat Nachstehendes:
Auf unseren städtischen und unseren Vorortbahnen verkehren jetzt im erhöhten Maße Personen, die entweder nach angestrengter Arbeit oder infolge körperlichen Leidens (Kriegsinvaliden!) wünschen müssen, einen Sitzplatz zu haben. Da nimmt es sich oft recht ungezogen aus, wenn Kinder aller Stände (ich betone aller!), namentlich Schulkinder, die Bänke drücken und Erwachsene stehen sollen. Nicht selten wird dieses Gebaren gar noch von den Eltern unterstützt, die auch auf dem „Schein“ bestehen, der ihre Kinder zum Sitzen berechtige. Wäre es da nicht angezeigt, in die Verkehrsordnung die Bestimmung aufzunehmen, daß Kinder bis zu 15 Jahren nur nach allen Erwachsenen einen Anspruch auf einen Sitzplatz haben? So hätte das Bahnpersonal eine Handhabe, noch mangelndes natürliches Anstandsgefühl den kleinen Fahrgästen beizubringen. Soll auch gewiß nicht behauptet werden, es handele sich um eine besondere Unart der Kinder unserer Gegend, so dürfen wir doch mit der örtlichen Abschaffung eines leider sehr verbreiteten Unfugs vorbildlich vorangehen. K.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Eingesandt“)

       

Zur Gassperre schreibt uns das städtische Gaswerk:
Wie bereits in vielen Städten müssen in kürzester Zeit – der Tag wird noch bekannt gegeben – auch hier wegen der z. Zt. überaus geringen Kohlenbelieferung des Gaswerks Sperrstunden für die Gasabgabe eingeführt werden. Mit dem geringen Kohlenvorrat des Gaswerks muß mit allen Mitteln gespart werden, soll nicht eines Tages auch in Bonn, wie sonst schon vielfach geschehen, die Gasbelieferung der hier rund 16.000, fast alle Haushaltungen umfassenden, Gasabnehmer aussetzen.
    Wie in der Stadtverordneten-Versammlung vom 26. ds. Mts. beschlossen wird die Sperrzeit von 2 Uhr nachmittags bis zur Dunkelheit und von nachts 11 Uhr bis früh 4 Uhr eintreten. In dieser Zeit wird der Gasdruck im gesamten Rohrnetz so herabgesetzt, daß der Gebrauch von Lampen, Kochern, Heizöfen, Motoren usw. überall unmöglich ist.
    Die städtische Verwaltung ist sich der Schwere dieses Eingriffes in alle häuslichen und gewerblichen Verhältnisse wohl bewußt, doch bietet sich kein anderes, besseres und zugleich wirksameres Mittel, den Gasverbrauch und damit den Kohlenbedarf weiter einzuschränken.
    Treffe daher jeder, den es angeht, sogleich Vorkehrungen, um die in obigen Stunden gewohnte Gasentnahme entbehren zu können. [...] Im Haushalt bietet die Kochkiste das beste Mittel über die Sperrstunden hinwegzukommen, und die vorher auf dem Kochherde, der ja doch jetzt meist benutzt wird, hergestellten Speisen und Getränke vielstundenlang warm zu halten. Es sei hier auch darauf hingewiesen, daß Zündflammen während der Sperrstunden verlöschen können. Man verzichte jetzt überhaupt auf ihren Gebrauch, zumal jede 3 – 4 Kubikmeter Gas im Monat benötigt.
    Ueber die voraussichtliche Anwendungsdauer der zeitweisen Gassperre lassen sich z. Zt. noch keine Angaben machen.

Die zukünftigen Schuhsorten. Ein Mitglied des Hauptverwaltungsausschuß der Schuhverbände Deutschlands teilt über die Zukunftsschuhe folgendes mit: Es werden nur noch drei Gruppen von Herren- und Frauenschuhen hergestellt werden. Ein grober, ein mittlerer und ein besserer Stiefel. Der mittlere wird aus Papiergewebe mit Lederbesatz und Sperrholzsohle hergestellt, während die übrigen zwei aus Segeltuch, Leinenstoff oder altem Filz mit Lederbesatz und gewöhnlicher Holzsohle bestehen werden. Der Preis wird dem Hersteller in einem gewissen Spielraum vorgeschrieben, wodurch ziemlich einheitliche Preise für das ganze Deutsche Reich geschaffen werden.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

      

Die Knappheit an Wäschestoffen veranlaßt die Reichsbekleidungsstelle zur Deckung des dringenden Bedarfs der bürgerlichen Bevölkerung, die Bett-, Haus- und Tischwäsche, die in Gastwirts- und ähnlichen Betrieben sowie Wäscheverleihgeschäften beschlagnahmt ist, aufzukaufen. Eine zwangsweise Enteignung der beschlagnahmten Bestände ist vorläufig nicht in Aussicht genommen. Weil die in den Betrieben lagernde Wäsche aber für die Zwecke der Volkswohlfahrt dringend notwendig ist, sollen diese Stücke an Bett-, Haus- und Tischwäsche im freihändigen Aufkauf zu angemessenen Preisen der Allgemeinheit nutzbar gemacht werden. Angebote sind an den amtlichen Einkäufer für Wäsche, Herrn Wolfgang Müller, Berlin NW 7 (Unter den Linden 40/41), zu richten, von dem auch die näheren Bedingungen zu erfragen sind.

Friedhöfe. Durch Polizeiverordnung vom 8, Oktober dieses Jahres ist jede Beleuchtung im Freien verboten. Ich weise darauf hin, daß auf Grund dieser Bestimmung der fromme Gebrauch, die Gräber am Allerheiligen- und Allerseelentage mit brennenden Kerzen und Lampen zu schmücken, unzulässig ist. Zuwiderhandlungen werden mit Geldstrafe bis zu 60 Mark, an deren Stelle im Unvermögensfalle entsprechende Haft tritt, bestraft. Die städtischen Friedhöfe werden vom 31. Oktober sowie am 1. und 2. November d. Js (Allerheiligen und Allerseelen) bei Einbruch der Dunkelheit – spätestens 5½ Uhr – geschlossen.
Der Oberbürgermeister. I. V.: Schultze.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)