Samstag, 28. Juli 1917

     

Weil sie Postkarten mit unzüchtigen Darstellungen feilgeboten hatte, stand eine Geschäftsinhaberin aus Siegburg gestern vor der Strafkammer. Es handelte sich um etwa ein Dutzend Karten. Ein Vater, der die Karten bei seinem 16jährigen Sohne gefunden hatte, hatte bei der Staatsanwaltschaft Anzeige erstattet. Das Gericht hielt den größten Teil der Karten zwar nicht für Kunstwerke, wie der Verteidiger, aber auch nicht für unsittlich; die Darstellungen auf fünf Karten wurden aber vom Gericht für unzüchtig gehalten. Wegen dieser fünf Karten, die auch eingezogen wurden, lautete das Urteil auf 100 Mark Geldstrafe.

Kakao und Schokolade. Der Gouverneur der Festung Köln hat eine Ergänzung der Bekanntmachung vom 4. Dezember 1916 über Bestandsaufnahme und Beschlagnahme der Gesamtvorräte von Kakao und Schokolade zu Gunsten der Heeresverwaltung erlassen.

Verdächtige Kriegsgefangenenbriefe. Aus dem feindlichen Auslande kommen noch immer Briefe von angeblichen deutschen Kriegs- oder Zivilgefangenen, die zum Teil gefälscht, zum Teil vom feindlichen Nachrichtendienst beeinflußt sind. Es wird auf diese Weise versucht, Auskunft über Stimmung und Lebensmittelverhältnisse, über Preise von Lebensmitteln und alle Arten von Waren, Kataloge von Industriewerken, Abbildungen von deutschen Städten, technische Bücher und Fachzeitschriften oder deutsche Ausweispapiere zu erlangen. Wie bisher ist Vorsicht und Anzeige bei dem zuständigen Stellvertretenden Generalkommando oder Gouvernement notwendig.

Wenn Flieger kommen!
(Ausschneiden und aufbewahren.)
Ein etwaiger Angriff feindlicher Flieger wird am Tage durch Warnsignale, die ununterbrochen so lange ertönen, bis die Gefahr vorüber ist, bekannt gegeben.
[...]
Bei einem Angriff ist folgendes zu beobachten:

  1. Straßen und Plätze sofort verlassen und in Häusern Schutz suchen.
  2. In Gebäuden obere Stockwerke verlassen; Aufenthalt in der Nähe der Fenster gefährlich, daher Schutz hinter Fensterpfeilern und massiven Wänden suchen.
  3. Größere Ansammlungen in einzelnen Räumen sind zu vermeiden.
  4. Straßenbahnen halten, Fahrgäste und Personal aussteigen und Häuser aufsuchen.
  5. Bei geplatzten und nicht geplatzten Bomben und Geschossen Räume und Plätze in weitem Umkreise sofort verlassen. Explosions- und schwere Vergiftungsgefahr! Nichts anrühren! Sofort Polizei melden.
  6. Einatmen der Explosionsgase vermeiden! Bei trotzdem eingeatmetem Gas sofort Arzt holen! Oel, Milch und alkoholische Getränke als Gegenmittel nicht geben! Sofort ins Freie bringen, wenn nötig künstliche Atmung, Sauerstoff-Einatmung!
  7. Gasleitungen in Häusern und einzelnen Wohnungen abstellen!
  8. Auch nach den Angriffen sind Ansammlungen zu vermeiden.
  9. Schäden und Unglücksfälle sofort dem nächsten Polizeibezirk melden.
  10. Feuermelder nur für wirkliche Brandfälle.
  11. Ferngespräche während und unmittelbar nach einem Fliegerangriff nur in Brand- und Unglücksfällen, bei lebensgefährlicher Erkrankung
  12. Wird die Bevölkerung nachts durch Luftangriff geweckt, soll sie ruhig in den Häusern bleiben.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)

        

Der Kronprinz läßt das schöne Bonn grüßen. Dem Garde-Grenadier Joh. Harter, Sohn der Witwe August Harter von hier, wurde für sein tapferes Verhalten im Felde das Eiserne Kreuz 2. Kl. verliehen und vom Kronprinz persönlich überreicht. Der Kronprinz unterhielt sich längere Zeit mit dem tapferen Krieger, und als er hörte, daß Harter aus Bonn sei, sagte der Kronprinz: „Grüß mir das schöne Bonn!“

Vernichtungskrieg gegen die Kohlweißlinge. Die Stadtverwaltung in Düsseldorf hat bekanntlich für die Vernichtung der auf den Gemüsefeldern gefährlichen Kohlweißlinge eine Belohnung ausgesetzt. Sie zahlt für jede hundert Stück, die auf dem Rathaus abgeliefert werden, eine Prämie von 1 Mk. Die Düsseldorfer Schuljugend macht jetzt eifrig Jagd auf die Kohlweißlinge und binnen weniger Tage lieferten die Kinder über 200.000 Stück auf dem Rathaus ab. Bei der Bonner Jugend ist die Meinung verbreitet, daß auch unsere Stadtverwaltung für jeden Kohlweißling einen Pfennig zahlt und macht große Anstrengungen, die weißen Schmetterlinge in Geld umzusetzen. Namentlich ist die große Hofgartenwiese als Jagdrevier sehr beliebt. Am Donnerstag morgen machten vier noch nicht schulpflichtige Knirpse auf der Wiese nach Schmetterlingen Jagd. Der größere von ihnen hatte einen Marmeladen-Eimer mitgebracht, mit dem er sich vorsichtig heranpirschte, um ihn plötzlich über die Schmetterlinge zu stülpen. Zum Leidwesen der Jagdgesellschaft, die sich jedes Mal neben dem Eimer zur Erde warf, um beim Aufheben zuzugreifen, war das Fanggerät aber immer leer. Als eine Dame die Jungens darauf aufmerksam machte, daß sie auf der Wiese nicht spielen dürften, meinte der Inhaber des Marmeladen-Eimers beleidigt: „Me spille doch nett, me fange doch für die Stadt Schmetterline; me krigge für et Stöck ene Pennig!“
   Um der Dame zu beweisen, daß die Sache ihre Richtigkeit hatte, zog der Junge
einen Schmetterling aus der Hosentasche – die ganze Beute der Jagdgesellschaft.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

        

Vorbreitungsklassen. Nach den Ferien sollen bereits die Vorbereitungsklassen für solche Kinder des 3. Schuljahres der Bonner Volksschulen eingerichtet werden, die im nächsten Schuljahre in die unterste fremdsprachliche Klasse einer höheren Lehranstalt eintreten sollen. Nur Kinder, die sich durch Betragen, Fleiß und Leistungen auszeichnen, werden zugelassen. Eltern, die die Aufnahme in diese Klassen wünschen, wollen sie, falls es noch nicht geschehen ist, beim zuständigen Klassenlehrer beantragen.

Tödlicher Unfall. Heute morgen stürzte in der Adolfstraße eine Frau aus dem 2. Stockwerk auf die Straße, wo sie als Leiche liegen blieb.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)