Donnerstag, 26. April 1917
Deutsch-evangelischer Frauenbund, Ortsgruppe Bonn. Die Ortsgruppe hielt am vorigen Dienstag unter zahlreicher Beteiligung von Mitgliedern und Gästen im Gemeindehaus ihre 15. Jahresversammlung ab. [...] Nach der Teepause nahm Frau Helene Krüger das Wort zu ihrem Vortrage „Pflichten der deutschen Hausfrau im Frühjahr 1917“. Sie entwarf nach kurzer Gegenüberstellung der ersten Kriegswochen mit dem Frühjahr 1917 ein anschauliches Bild von der Bedeutung hausfraulichen Schaffens in unserer schweren Zeit, um dann die deutsche Frau – im Gegensatz zur Französin oder Engländerin – als Gattin und Mutter zu kennzeichnen, als Mutter nicht nur im engen Kreise der Familie, sondern im weiten Rahmen des Volkslebens, in der Armenfürsorge (nicht Almosen, sondern Selbsthilfe), in der Jugendpflege, als Hüterin jener echten Sittlichkeit, die allein die Kraft verleiht, den verrohenden Einflüssen dieses grausen Krieges zu begegnen. Sie schloß mit der Mahnung: Kopf hoch! Herz hoch! Siegen! Das sei der Schlachtruf der deutschen Frau.
Ein Ei wird morgen, Freitag, für jeden verkauft, Schwer- und Schwerstarbeiten erhalten zwei weitere Eier, also insgesamt drei.
Sparsamkeit im Kohlenverbrauch. Die Kriegsamtsstelle in Koblenz teilt mit: Sparsamkeit im Kohlenverbrauch ist nach wie vor vaterländische Pflicht. Der Magistrat der Stadt Frankfurt hat kürzlich ein neues Heizverbot erlassen. Die Wirtschaften, Hotels, Konditoreien, Kaffees, überhaupt alle Lokale dürfen nicht mehr beheizt werden. Für Theater, Lichtspielhäuser, Konzertsäle, Vergnügungssäle aller Art einschließlich der Wirtschaften mit Varieté-Konzessionen dürfen bis auf weiteres keine Brennstoffe mehr geliefert werden, auch Warmwasserversorgungen aller Art dürfen nicht mehr betrieben werden. Für den Bereich des 8. Armeekorps ist, wie wir hören, von einer ähnlichen Verfügung Abstand genommen worden, doch wird von der Einsicht der in Frage kommenden Kreise erwartet, daß sie möglichst sparsam mit en vorhandenen Kohlevorräten umgehen, da die Kohleversorgung nach wie vor mit den Verkehrs- und Betriebsschwierigkeiten auf den Eisenbahnen in engstem Zusammenhange steht, und jeder in seinem Teile verpflichtet ist, die Schwierigkeiten nicht noch zu vergrößern.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Die erholungsbedürftigen Stadtkinder, die für eine Reihe von Wochen auf dem Lande bereitwilligst Aufnahme und Pflege finden sollten, sind noch nirgendwo eingetroffen. Mittlerweile habe sich bei den Landwirten Bedenken aufgedrängt, weil auch bei der Selbstversorgung für diese Stadtkinder Brot auch nur auf besondere Karten entnommen werden darf und nicht aus dem eigenen Versorgungsbestande. Die Landwirte befürchten, daß wöchentlich drei Pfund Brot für einen gesunden Stadtjungen nicht ausreichen. Den gastfreundlichen Bauernfamilien behagt es auch nicht, daß die Pflegekinder alle zwei bis drei Wochen ausgetauscht werden sollen.
Sämtliche Zugtiere und Fahrzeuge müssen auf Anfordern der Behörden bis auf weiteres gegen Entgelt zur Verfügung gestellt werden, um Güter, die für die Kriegswirtschaft einschließlich der Lebensmittelversorgung notwendig sind, unverzüglich weiterzubefördern. Aus einer Verordnung des Gouverneurs der Festung Köln in der heutigen Nummer unseres Blattes ist alles Nähere zu ersehen.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Bezugsscheine. Seit dem 3. April des Jahres hat die Erlangung von Bezugsscheinen eine wesentliche Erschwerung erfahren. Während vorher bei der Ausfertigung des Bezugsscheins vorwiegend berücksichtigt wurde, wie viele Sachen der Antragsteller schon auf Bezugsschein bezogen hatte, sind nunmehr allein die Vorräte an Bekleidungsgegenständen maßgebend, die dem Antragsteller zur Verfügung stehen. Nur derjenige soll in Zukunft einen Bezugsschein erhalten, der den dringenden Bedarf der Anschaffung hat. Alles Hamstern wird in Zukunft aufhören, und diejenigen, die über einen gewissen Bestand von Kleidungsstücken verfügen, werden von ihren Vorräten zehren und auf neue Bezugsscheine verzichten müssen.
Die Anzahl von Kleidungsstücken, die für die Person als ausreichend erachtet ist, ist in einer Bestandsliste zusammengestellt, welche im Anzeigenteil unserer Zeitung abgedruckt ist. Wer so viel Vorrat hat, wie in dieser Bestandsliste angegeben ist, hat kein Anrecht auf Ausfertigung eines Bezugsscheins. So genügen für einen Herren insgesamt 1 Werktags- und ein Sonntags-Anzug, 1 Ueberzieher, 2 Arbeitskittel, 2 Einzelwesten, 2 Arbeitshosen, 2 Ober-, 3 Unter- und 3 Nachthemden, 3 Unterhosen, 4 Paar Strümpfe. Für Damen 2 Werktagskleider, 1 Sonntagskleid, 1 Einzel-Kleiderrock, 2 Blusen oder Jacken, 1 Mantel oder Umhang, 1 Umschlagtuch, 1 Morgenrock, 3 Schürzen, 4 Taghemden, 3 Nachthemden oder Nachtjacken, 4 Beinkleider oder Hemdhosen, 3 Unterröcke, 4 Paar Strümpfe. Außerdem für beide Geschlechter 3 Paar Schuhe. Auch alte und abgetragene Sachen zählen mit, soweit sie noch irgendwie verwendbar sind. Zwischen Winter- und Sommer-Sachen wird in der Regel nicht mehr unterschieden. Ueber die Bestandsliste hinaus dürfen Anschaffen nur in Einzelfällen bewilligt werden, die durch Berufstätigkeit begründet sind.
Die Bestandsliste sagt nur, welche Anzahl von Bekleidungsstücken für jedermann als ausreichend angesehen wird, gibt aber niemandem ein Anrecht, nunmehr auf einmal seinen Bestand auf die in der Bestandsliste angegebene Stückzahl zu erhöhen.
Wer zum Beispiel ein Paar Schuhe besitzt, hat nicht etwa ein Anrecht auf Bezugsschein auf 2 weitere Paar. Nach wie vor wird vom Bekleidungsamt in jedem einzelnen Falle, auch wenn die Stückzahl der Bestandsliste nicht überschritten ist, die Notwendigkeit des Bedarfs geprüft werden. [...]
Es ist zu hoffen, daß sich mit der Zeit jedermann von der Notwendigkeit äußersten Sparens überzeugen wird. Keiner darf sich mehr scheuen, alte und abgetragene Sachen zu tragen, wenn sie geflickt und reinlich sind. Im Gegenteil gereicht ihm dies nur zur Ehre. Denn wirklich vaterländisch handelt, wer seine alten Sachen bis zum letzten Faden aufträgt, anstatt durch neue Anschaffungen unseren ohnehin knappen Bestand an Bekleidung noch mehr zu vermindern.
Vaterlandsverräter schlimmster Art müssen diejenigen Klatschbasen männlichen und weiblichen Geschlechts genannt werden, die in den letzte Tagen in Bonn das Gespräch aufgebracht und verbreitet haben, als träte in der nächsten Zeit eine weitere erhebliche Einschränkung der Brotmenge ein, ja als sei eine völlige Einstellung der Brotversorgung zu erwarten. Es ist kaum glaublich, daß es überhaupt noch Menschen gibt, die einen derartigen Unsinn – fast hätten wir gesagt Blödsinn – als bare Münze hinnehmen. In einer Zeit, wo unsere braven Truppen in heldenmütiger Todesverachtung den gewaltigen Ansturm der feindlichen Heeresmassen Trotz bieten, sollte in der Heimat ein derartiges gedankenloses Gerede doch wahrhaftig für unmöglich gehalten werden. Jeder deutsche Mann und vor allem jede deutsche Frau, die in sich noch eine Ahnung fühlt von der erhabenen Aufgabe, das Vaterland in seiner höchsten Not tatkräftig zu unterstützen, sollte hier tätig mit eingreifen und unnachsichtlich diesen vaterlandslosen Gesellen das verderbliche Handwerk legen und sie zur Anzeige bringen, damit sie ihrer verdienten Strafe nicht entgehen.
Der 1000. Kriegstag ist der heutige 26. April, wenn man den 1. August 1914, den Tag, an dem Rußland den Krieg gegen Deutschland eröffnete, als den eigentlichen Beginn des Weltkrieges ansieht.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)