Sonntag, 22. April 1917

     

Das billige „Brotersatzfleisch“ wurde gestern zum erstenmal in den hiesigen Metzgereien ausgegeben. In allen Metzgerläden war gestern morgen der Andrang sehr groß, denn jede Hausfrau wollte sich natürlich die ihr zustehende Menge sichern. Es war jedoch so viel Fleisch vorhanden, daß alle befriedigt werden konnten und viele Metzger noch erhebliche Vorräte übrig behielten, vor allem Wurst war gestern abend noch in fast allen Metzgereien vorhanden. Der Preis von 80 Pfg. das Pfund für die Käufer der Klassen A und B ist noch geringer wie der frühere Friedenspreis. Am heutigen Sonntag können sich also selbst die ärmsten Familien ohne sorgenvolle Bedenken einen Sonntagsbraten leisten.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

      

Die Kriegsküche Kessenich, die ihren 1000 Teilnehmern das Essen mit großer Sorgfalt zubereitet, erfreut schon durch ihre herrliche Lage; im Sommer muß es ja einfach prächtig dort sein, so zwischen dne blühenden Bäumen zu sitzen; um sich herum all das liebe Grün und vor sich ein Schüsselchen, das duftet nach einem schmackhaften Essen. Herr Stadtv. Butscheidt, der Tag für Tag als Aufsichtsführender in der Küche weilt, versteht es recht gut, unterstützt durch vortreffliche Hilfe der Ehrendamen und Köchinnen, Jedem gerecht zu werden. Ein anmutendes Bild, wenn des Mittags die Frauen und Mädchen aus einer in der Nähe gelegenen Munitionsfabrik kommen, ihr Essen mit einem gesunden Appetit einnehmen; auch hört man hin und wieder die so mütterliche Frage: „Auch alle satt?“ Wer nicht seine ganze Schüssel mag, gibt sie einer Nachbarin, als sei es selbstverständlich, daß Einer dem Anderen in dieser Zeit helfen soll!

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

Godesberg, 21. April. In der Volksküche im ehemaligen Hotel Hüttenrauch werden täglich etwa 1600 Literportionen verabreicht. Der dritte Teil gelangt für die Verpflegung der Militärpersonen der hiesigen Lazarette zur Verteilung. Die Küche ist bestrebt, die vorhandenen Lebensmittel bis ins Kleinste auszunutzen. Auf eine rationelle Verwertung aller Nährbestandteile ist ein besonderes Augenmerk gerichtet. So wird z. B. aus den Knochenabfällen der Küche durch ein chemisches Verfahren eine nicht unerhebliche Menge Fett gewonnen. Die beim Auskochen erzielte Knochenbrühe ist sehr nahrhaft, der Knochenschrott gelangt auf der Geflügelfarm der Lazarette zur Verwendung.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Von Nah und Fern.“)

    

Bonner Bergwerks- und Hüttenverein, Zementfabrik in Oberkassel. Zu Beginn der heutigen Hauptversammlung gedachte der Vorsitzende des Aufsichtsrats, Herr Stürtz, der im letzten Jahre gefallenen Werkangehörigen. Er führte dabei aus: Heute sind unsere Blicke auf den Westen gerichtet, wo unsere tapferen Krieger Uebermenschliches leisten. Wir alle sind der festen Ueberzeugung, daß es unter der Führung Hindenburgs gelingen wird, den Siegfriedwall zu halten, zu dessen Erbauung auch unser Material mit beigetragen hat. Die Versammlung genehmigte dann den (schon mitgeteilten) Abschluß für das Geschäftsjahr 1916, erklärte sich mit der vom Aufsichtsrat vorgeschlagenen Gewinnverteilung einverstanden und setzte die sofort zahlbare Dividende auf 10 v. H. für die Stammaktien (im Vorjahre 9 v. H.) und auf 5 v. H. für die Vorzugsaktien fest. [...]

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)