Freitag, 23. Februar 1917

     

Anzeige im General-Anzeiger vom 23. Februar 1917Der Rhein führte gestern ganz plötzlich wieder Treibeis. Die ersten vereinzelten Eisschollen kamen bei Tagesanbruch, ihre Zahl nahm so schnell zu, daß gegen Mittag der Strom auf der ganzen Breite mit Treibeis bedeckt war. Ebenso schnell, wie es gekommen war, ist das Eis auch wieder verschwunden. Gestern nachmittag gegen 4 Uhr trieben zwischen dem Bonner Ufer und etwa der Mitte des Stromes nur noch vereinzelte Eisschollen, während die Beueler Seite noch dicht mit Eis bedeckt war, bis zum Abend hatte aber auch auf der rechten Seite der Eisgang fast ganz aufgehört. Das Eis kam größtenteils von der Mosel, deren Eisdecke sich Mittwoch und in der Nacht zum Donnerstag durch das steigende Wasser gelöst und in Bewegung gesetzt hatte.
   Die Schiffahrt wurde durch den gestrigen Eisgang vorübergehend gestört. Ein Schleppzug mit fünf beladenen Kohlenschiffen, der vorgestern abend vor Bonn Anker geworfen hatte, konnte seine Reise stromaufwärts gestern erst gegen Abend fortsetzen. Im übrigen wird der Schiffahrtsbetrieb, wenn der Rhein heute voraussichtlich wieder eisfrei ist, durch den etwas höheren Wasserstand erleichtert.

Drei heimlich geschlachtete Schweine sind gestern vormittag von der hiesigen Kriminalpolizei beschlagnahmt und dem Lebensmittelamt überwiesen worden. Die Tiere sind lebend aus dem Kreise Rheinbach nach Bonn gebracht, zwei sind in einem hiesigen Pferdestalle, eins anscheinend auf freiem Felde geschlachtet worden. Die beschlagnahmten Schweine wogen 63, 70 und 80 Kilogramm.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

      

An die Männer und Frauen auf dem Lande!
Die Landarbeit in allen ihren Teilen ist vaterländischer Hilfsdienst. Wer den Pflug führt und das Vieh pflegt, das Saatkorn in die Erde senkt und die Ernte herein bringt, steht auf demselben Posten, wie der Granatendreher und der Munitionsarbeiter. Auf beide verlassen sich unsere Brüder im Felde draußen; auf den Landarbeiter aber hofft und baut Alles. Das muß sein Stolz und seine Ehre sein. Fahnenflucht begeht der, der jetzt den Pflug und die Scholle verläßt, Verrat an den Volksgenossen, wer jetzt dem Lande den Rücken kehrt, um in Stadt und Industrie einige Groschen mehr zu verdienen. Das Land braucht seine Menschen so notwendig, wie die Fabrik. Mit gutem Vorbild und überzeugendem Wort müssen solche Flüchtlinge zurückgehalten werden.

Abenteuerliche Kriegsgerüchte tauchen in letzter Zeit wieder auf. Der Gouverneur der Festung Köln warnt in einer Bekanntmachung, die in der vorliegenden Nummer abgedruckt ist, nachdrücklich vor böswilliger oder auch nur fahrlässiger Verbreitung unwahrer Kriegsnachrichten. Zuwiderhandelnde werden unter strengen Freiheitsstrafen gestellt.

Der Gassparpreis, der heute im Stadtverordnetenkollegium beschlossen werden soll, begegnet in der Bürgerschaft einer recht geteilten Aufnahme. Es werden dagegen vielerlei gewichtige Gründe geltend gemacht. Vor allem wird darauf hingewiesen, daß viele Familien infolge des Kohlenmangels in erhöhtem Maße für Koch- und Heizzwecke Gas benutzen und daß auch die veränderte Ernährungsweise die vermehrte Benutzung des Gasherdes verursacht. Der Gassparpreis würde deshalb eine wesentliche Verteuerung der ohnedies sehr schwierig gewordenen Lebenshaltung der mittleren und kleineren Bürger herbeiführen. Auch ist zu bedenken, daß das Gaswerk bisher die „melke Kuh“ unseres Stadtsäckels war und daß eine gewaltsame Zurückdrängung des Gaskonsums schädigend auf die Finanzen der Stadt einwirkte. Da wir an sich seine reiche Kohlenförderung haben und die Kohlenknappheit wohl nicht zum Wenigsten auf die starke Ausfuhr nach neutralen Ländern zurückzuführen ist, so wäre es der Ueberlegung wert, ob unsere Kommunalverbände nicht in Berlin dahin vorstellig werden sollen, daß zunächst die Kommunen ausreichend mit Kohlen versorgt werden und daß man erst dann an die Versorgung des neutralen Auslandes denkt. „Das Hemd liegt uns näher als der Rock“ und es dürfte sich vielleicht doch ein Mittelweg finden, um einen Ausgleich zu schaffen, der uns einerseits unsere Kohlenpolitik gegenüber dem neutralen Auslande gestattet und andererseits es doch ermöglicht, daß der heimische Herd nicht erkaltet. Die Rücksichtnahme auf die minderbemittelten Gasverbraucher ergiebt sich aber auch aus unseren neuen Steuervorlagen, insbesondere aus der geplanten Kohlensteuer, die das ohnedies schon verteuerte Brennmaterial noch mehr belasten wird.
   Da die ganze Frage des Gasersparnispreises im Grunde genommen eine Kohlenfrage ist, so wäre weiterhin zu erwägen, ob man die schöne Wasserstraße des Rheins, die auch an Bonn vorüberführt, nicht intensiver als bisher zur Kohlenbeförderung nach Bonn in Anspruch nehmen sollte. Unsere Stadtverwaltung in Verbindung mit der Handelskammer finden vielleicht Weg, der uns eine innigere Verbindung mit den rheinisch-westfälischen Kohlenzechen schafft und uns auch aus dem Saargebiet Kohlen in vermehrter Menge zuführt. Wo ein Wille, da ist auch ein Weg. Die Zeiten werden bitter ernst für die ärmere und mittlere Bevölkerung und unserer Stadtverwaltung erwächst aus diesem Umstande die Aufgabe, mit der gleichen Initiative, mit der sie bisher sich dankbarerweise um die Lebensmittelversorgung der Bevölkerung erfolgreich bemüht hat, auch um die Beschaffung ausreichender Kohlenmengen mit aller ihren Gliedern zu Gebote stehenden schätzenswerten Tatkraft einzusetzen. Unser Herr Oberbürgermeister ist Vorsitzender des Provinziallandtages und hat in dieser Eigenschaft einen weitreichenden Einfluß. Möge die Autorität unseres städtischen Verwaltungschefs uns in dieser seiner besonderen Eigenschaft zugute kommen und alle Riegel aufgeschlossen werden, die dazu führen, daß Bonn ausreichend mit Kohlen versorgt wird. Unsere günstige Lage am alten Vater Rhein muß es möglich machen können, daß die Mengen, die nicht mit rollendem Material herangeschafft werden können, zu Schiff bei uns angeliefert werden.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

Zur Gasersparnis. Wir haben Zentralheizung und keinen Koks. Auf Anfrage bei der Stadt wies man uns an die Kohlenhändler – von dem unseren können wir nichts erhalten – von fremden 1 Zentner auf die Warenkarte. – Damit kann man keine Zentralheizung im Gange halten. Wir halfen uns mit Gasofen. – Wie soll das nun werden bei der großen Preiserhöhung? Um Rat bittet eine niedergedrückte Hausfrau.

Zur Gasersparnis. Möchte mir nur die Frage erlauben, warum alle Maßnahmen immer so gedreht werden, daß sich die Härten derselben nur hauptsächlich gegen die Minderbemittelten kehren? Wenn man jetzt abends noch etwas umherläuft, um zu Hause ein paar Briketts und ein Stündchen Licht zu sparen, kann man sich überzeugen, wie in den eleganten Häusern und Villen der vornehmen Viertel die Kronleuchter im Glanze so und so vieler elektrischer Birnen erstrahlen. Ja, ist denn zur Erzeugung des elektrischen Stromes keine Kohlen notwendig? Jetzt, wo man gezwungen ist, Kochen, Waschen, Bügeln, alles mit Gas zu besorgen, wird gerade nur auf Gasverbrauch solcher Sparsamkeitszwang ausgeübt. Kohlen bekommt man selbst bei allen Bitten und Mühen nicht, und jedes Menschen Sache ist es auch nicht, sich in Scharen auf dem Hofe eines Kohlenhändlers stundenlang aufzustellen, um ein paar Briketts zu ergattern. Die besseren Leute sind ja nicht auf Gas angewiesen, die haben Kohlen genug, wenn dort alle die beschlagnahmt würden, die über 10 Zentner aufgespeichert sind, hätte Bonn sicher auf Wochen Kohlen genug. Oder sollen sich die weniger Begüterten nur deshalb größere Beschränkungen auferlegen, damit sich nur ja die Bessergestellten keinen Zwang anzutun brauchen.

Gasersparnis. Wir sollen Gas sparen! Warum nicht auch elektrisch Licht und überhaupt Kohlen? Die vorgeschlagene Maßregel bedeutet nämlich eine einseitige Belastung der Gasverbraucher. Daß bei der Gasbeleuchtung noch manches gespart werden kann, ist sicher, anders ist es aber beim Kochen mit Gas. Viele Haushaltungen kochen nur mit Gas (denn es ist ja viel sparsamer als das Kochen mit Kohlen), andere haben sich jetzt bei dem Mangel an Kohlen, Spiritus und Petroleum einen Gasherd angeschafft; ferner verlangen die jetzt vorhandenen Nahrungsmittel wie Rüben, Graupen usw. eine viel längere Kochzeit; ferner muß jetzt auch abends gekocht werden, und wenn es nur eine Suppe ist, denn die Zeiten von Butterbrot und Wurst abends sind vorüber. Muß der Gasverbrauch noch weiter eingeschränkt werden – zum Sparen überhaupt hat uns Gott sei Dank der Krieg erzogen - , dann müßte eben der Kohlenherd wieder mehr benutzt werden! Der Erfolg wäre dann wohl weniger Gasverbrauch, dafür erhöhter Kohlenverbrauch, wozu noch die viel größere Arbeit für die jetzt schon genügend in Anspruch genommenen Hausfrauen kommt. Die vorgeschlagene Maßregel hieße also: den Teufel mit dem Beelzebub austreiben. G.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)

    

Ausgabe von Milchkarten. Die Milchkarten für die Monate März und April werden am 28. ds. Mts. durch die Milchhändler ihren Kunden zugestellt. Die neuen Milchkarten werden nur gegen Rückgabe der Mittelstücke der alten Milchkarten ausgehändigt.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)