Montag, 28. Dezember 1914

 

Anzeige in der Deutschen Reichs-Zeitung vom 28. Dezember 1914Weihnachtsfeier der Verbands- und Erfrischungsstelle Bonn „Prinzessin Viktoria“ Lille. Man schreibt uns: In Feindesland, umgeben vom Donner der Geschütze, in jedem Quartier, selbst in den unwirtlichen gefahrvollen Schützengräben, läßt der Deutsche es sich nicht nehmen, seinen Weihnachtsabend zu feiern. Und so auch hier in Lille. – Ich schreibe diese Zeilen noch am Abend selber, ganz im Banne des tiefen erhebenden Eindruckes, den diese Feier auf alle Teilnehmer gemacht hat. Wir hatten den uns mit dem Weihnachtsboten zugesandten Christbaum in der größten Halle (45 : 70) aufgestellt, herrlich geschmückt von unseren Schwestern und auf allen Seiten umgeben von langen, mit weißem Leinen (auch temporäre Liebesgaben) gedeckten Tischen. Auf dem längsten waren die Geschenke für unsere Schwestern, Sanitäter, Küchenpersonal usw. ausgelegt.
   Um 5 Uhr erschienen die zur Feier eingeladenen Gäste, vom Vorstand herzlich begrüßt. Es waren gekommen der Guvernör von Lille, von Heinrich mit seinem Stabe, ferner General von Grävenitz, Oberst von Dührer, Erlaucht Graf Reipperg, Obergeneralarzt Burge, Bahnhofskommandant Oberst Wupperer und viele andere. Von Fürst Adolf zur Lippe war folgendes Telegramm eingetroffen:
   „Verbands- und Erfrischungsstelle Prinzeß Viktoria, Lille, Bahnhof. Vielen Dank für das hübsche Gruppenbild. Wünsche Ihnen allen ein gesegnetes Weihnachtsfest und bedauere, von hier aus nicht mehr Ihnen behilflich sein zu können wie frührer [sic]. Adolf.“
   Anzeige im General-Anzeiger vom 28. Dezember 1914Nach der Ansprache des Generals Clemens verabschiedete sich der Guvernör von Heinrich mit besonderem Danke für die Harmoniumspielerin – denn auch ein Harmonium hatten wir requiriert – Frl. S. und den Leiter des Eisenbahnsängerchors (50 Mann), hauptsächlich aus Bonnern und Solingern bestehend. Dann entwickelte sich das Programm weiter. Zugleich mit der Bescherung unserer festangestellten Leute fand auch die der übrigen aus den vorderen Hallen herbeigeströmten Soldaten statt. Und das waren etwa 250. Auf den Tischen standen Teller mit Aepfeln und Nüssen, mit Spekulatius und Lebkuchen; Zigarren und Zigaretten wurden von den Schwestern und Sanitätern herumgereicht. Nach dem Konzert wurden dann die gespendeten Fässer Bier aufgelegt und jedem konnten zwei bis drei Glas des heimischen Trankes verabreicht werden. Wie waren sie alle so glücklich und zufrieden! Ein Hauch der Heimat war herübergeweht, und noch lange hörten wir die uns vertrauten Weihnachtslieder erklingen.
   Ich hätte noch viel zu schreiben, doch es ist sehr spät und in aller Früh will Bankdirektor Weber diese Zeilen mit nach Bonn nehmen.
   Ehe ich aber diesen kurzen Bericht schließe, muß ich meinem Herzen Luft machen. Oh, Ihr guten Bonner, wie habt Ihr in so überreicher, aufopfernder Weise für unsere lieben Truppen gesorgt. Das war das schönste Weihnachtsfest: wir konnten geben und glücklich machen, dank der wirklich großzügigen Wohltätigkeit der Bonner Bürgerschaft.                 J.

Vaterländische Reden und Vorträge. Den nächsten Vortrag hält entgegen früherer Bekanntmachung bereits am nächsten Mittwoch, den 30. Dezember, abends 8 ½ Uhr, in der Aula des Städtischen Gymnasiums Herr Professor Dr. Schumacher über „Volksernährung und Krieg“. Die Wiederholung dieses Vortrags findet am Freitag, den 1. Januar, statt. (...)

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

 

Anzeige im General-Anzeiger vom 28. Dezember 1914Für bedürftige Familien Bonner Krieger veranstaltete am ersten Feiertage nachmittags 5 Uhr der Freiwillige Hilfsausschuß in der neuen Baracke an der Quantiusstraße eine Weihnachtsfeier. Etwas 50 Frauen mit 200 Kindern wurden unter dem strahlenden Weihnachtsbaum von den anwesenden Damen mit Kaffee, Milch und Kuchen bewirtet. Weihnachtslieder leiteten die Feier ein und schlossen sie. In einer Ansprache hob Dr. Kranz hervor, wie gerade dieser Kriegsweihnachten besonderen Segen spende, indem er gegenüber dem Kampfe im Feindesland hier die Herzen umso fester mit einander verbunden hatte und zu weitgehender Liebestätigkeit geführt habe. Die Frauen mögen ihren Männern und Söhnen von der gemütvollen Weihnachtsfeier, die sie hier mit ihren Kindern begehen können, berichten und damit auch ihnen eine Weihnachtsfreude bereiten. Fräulein Kurt und Fräulein Dr. Springer trugen in wirkungsvoller Weise einige prächtige Lieder zur Laute vor. Die eingegangenen Spenden wurden darauf verteilt und jeder Frau noch ein Geldgeschenk überreicht. Erst gegen 7 Uhr fand die schöne Familienfeier ihr Ende.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

 

Anzeige in der Deutschen Reichs-Zeitung vom 28. Dezember 1914Nach dem Fest.
Das war eine stille, ernste Weihnacht. Am Heiligen Abend wurden die Cafees und Restaurants früher als sonst am Weihnachtsabend geschlossen. Manche ließen schon um 8 Uhr keine Gäste mehr hinein. Und auch in den Häusern, in denen das Christkind unter dem glitzernden Tannenbäumchen seine Gaben ausgebreitet hatte, war es stiller als sonst. Denn aus jedem Hause gingen die Gedanken dorthin, wo Deutschlands Söhne im blutigen Streit um Deutschlands Ehre kämpfen. Nur die frohe Sorglosigkeit der Kinderherzen vergaß über der bunten Weihnachtsherrlichkeit die Gedanken an den Ernst dieser großen Zeit.
      Am Weihnachtsmorgen lag Reif auf Feld und Flur. Und alle Teiche und Tümpel waren mit einer festen Eisdecke überzogen. Auf dem Sportplatz des Eisklubs war eine glatte Eisbahn, auf der Jung und Alt sich mit Schlittschuhlaufen erfreute. Der Wald leuchtete im Rauhreif von Ferne, als ob er sein schneeiges Wintermärchenkleid angezogen habe.
      In allen Lazaretten wurden für die verwundeten Soldaten Weihnachtsfeiern veranstalet. Christbäume brannten, Gesang- und Musikvereine brachten Unterhaltung und freundliche Hände hatten für reichliche Gaben gesorgt. An dem Bahnhof aber fuhren an den drei Tagen unaufhörlich Militärzüge vorüber, neue Truppen für kommende Kämpfe. Ein großer Tannenbaum mit vielen Lichtern stand auf dem Bahnsteig und rief den Kriegern die Weihnachtsgrüße der Bonner zu.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)